Koalitionsspitzen beraten sich vor Sitzung des Klimakabinetts

Dunkle Wolken ziehen über das Bundeskanzleramt hinweg. Foto: Kay Nietfeld/Dpa
Dunkle Wolken ziehen über das Bundeskanzleramt hinweg. Foto: Kay Nietfeld/Dpa

BERLIN (dpa) - Die Bundesregierung muss im Klimakabinett zwei Dinge zusammenbringen: die Angst vor katastrophalen Folgen der Erderwärmung und die Sorge um Jobs. Die Industrie macht noch einmal ihren Standpunkt klar.

Kurz vor der Entscheidung über eine Strategie der Bundesregierung für mehr Klimaschutz kommen die Spitzen der Koalitionsparteien zu Beratungen zusammen. Das Treffen ist für Donnerstagabend geplant. Die genaue Uhrzeit ist noch nicht bekannt.

Das Treffen dient der Vorbereitung der Sitzung des sogenannten Klimakabinetts unter Vorsitz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag. Dann sollen weitreichende Entscheidungen getroffen werden, damit Deutschland die Klimaziele bis 2030 schafft. Es geht vor allem darum, den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 beim Autofahren und Heizen zu verteuern. Im Gegenzug sind Entlastungen für Bürger und Firmen geplant, etwa bei den hohen Strompreisen.

Doch während die Union bisher über milliardenschwere Förderprogramme vor allem auf Anreize setzen will, pocht die SPD auf Vorgaben. Umweltministerin Svenja Schulze sagte der «Rheinischen Post» (Donnerstag): «Wichtig ist, dass wir Verlässlichkeit und Verbindlichkeit schaffen.» Die Jugendlichen müssten sich darauf verlassen können, dass diese und künftige Bundesregierungen sich an ihre selbst gesteckten Ziele hielten. «Dafür muss gesetzlich festgeschrieben und kontrolliert werden, dass wir die Einsparziele Jahr für Jahr erreichen.» Und wenn ein Sektor, etwa der Verkehr, die Vorgaben nicht erreiche, müsse sofort nachgesteuert werden - und zwar mit zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen und nicht mit dem Ankauf von Emissionszuweisungen. «Dafür müssen wir Mechanismen vereinbaren. Wir brauchen ein solches Sicherheitsnetz für den Klimaschutz. Ohne das geht es nicht mehr.»

Die Industrie drängt derweil darauf, dass es vor allem Anreize für Investitionen gibt. «Unsere Unternehmen brauchen Entscheidungen, die Investitionen im Klimaschutz ermöglichen, statt sie zu erschweren», sagte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. «Gerade in der sich abzeichnenden konjunkturellen Schwächephase ist jede neue Investition gut für die wirtschaftliche Entwicklung.» Die Industrie fordere außerdem «kraftvolle» steuerliche Impulse, um die energetische Gebäudesanierung spürbar zu beschleunigen. Vorschläge von Union und SPD sehen eine steuerliche Förderung bei der Gebäudesanierung vor - das genaue Volumen aber ist wie bei anderen geplanten Maßnahmen noch unklar. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, warnte in der «Passauer Neuen Presse» (Donnerstag) davor, die Belange der Wirtschaft zu vernachlässigen.

Pläne der Unionsparteien sehen zudem eine stärkere Ausrichtung der Kfz-Steuer an den CO2-Ausstoß vor. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke vom Koalitionspartner SPD sieht dadurch jedoch die Gefahr sozialer Ungerechtigkeiten. Eine CO2-Steuer beim Verkehr wäre eine, die alle betreffe, den Millionär genauso wie den Menschen mit kleiner Rente, sagte Woidke. «Aber derjenige steht besser da, der mehr Geld in der Tasche hat, weil er leichter auf ein emissionsarmes Auto umsteigen kann.» Positiv bewertete er hingegen die Ideen zum Bus- und Bahnfahren, wonach beispielsweise die Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr von 19 auf 7 Prozent sinken soll.

Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die bisherigen Konzepte von Union und SPD für nicht ausreichend. «Insbesondere der Verkehrssektor muss mehr liefern», sagte sie der «Frankfurter Rundschau» (Donnerstag). «Die Kaufprämie für E-Autos zu erhöhen, ist rausgeschmissenes Geld, wenn wir nicht das Dieselprivileg abschaffen. Wir brauchen endlich Kostenwahrheit: Klimaschädliches Verhalten muss teuer, klimaschonendes lohnend werden.»

Der Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag): «Wir würden mit 40 Euro pro Tonne CO2 einsteigen und die Einnahmen auszahlen - die Stromsteuer fällt weg, und jeder bekommt ein Energiegeld von 100 Euro.» Eine Familie mit vier Personen erhalte dann 460 Euro im Jahr zurück. Das sei einfach und transparent. «Bei einem hoch komplexen nationalen Emissionshandel, der in der Koalition im Gespräch ist und der Unmengen an Regeln bräuchte, um Betrug zu verhindern, wäre das ganz anders.»

Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, forderte vor der Sitzung des Klimakabinetts: «Damit die Tierhaltung ökologisch verträglicher wird, muss die Zahl der gehaltenen Tiere runter.» Den Bauern müsse dabei geholfen werden, «die Anstrengungen für den Klimaschutz mitzutragen», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

Im Klimakabinett sitzen neben Merkel die Bundesminister Olaf Scholz (SPD/Finanzen), Svenja Schulze (SPD/Umwelt), Horst Seehofer (CSU/Innen), Peter Altmaier (CDU/Wirtschaft), Julia Klöckner (CDU/Agrar) und Andreas Scheuer (CSU/Verkehr). Dem Gremium gehören ferner der Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun (CDU), sowie Regierungssprecher Steffen Seibert an.

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