Klimakrise spitzt sich zu - Welche Rolle spielt Deutschland?

Fridays for Future Kundgebung in Berlin. Foto: EPA-EFE/Clemens Bilan
Fridays for Future Kundgebung in Berlin. Foto: EPA-EFE/Clemens Bilan

BERLIN: Die Erdtemperatur steigt auf einen Höchstwert und die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt wählt einen Mann zum Präsidenten, der Ölbohrungen ausbauen will. Was tun?

Überschwemmungen, Dürren, Hitzeextreme - der Klimawandel zeigt sich immer deutlicher. Zugleich stieg der weltweite Treibhausgas-Ausstoß 2023 laut UN-Umweltprogramm um 1,3 Prozent und damit schneller als in den zehn Jahren vor Corona. Mit der Wahl Donald Trumps bekommen die USA nun einen Präsidenten, der verstärkt Öl fördern will und sich in seiner ersten Amtszeit vom Pariser Klimaabkommen abgewendet hat. Kann Deutschland langfristig gesehen da noch etwas bewegen?

Behauptung: Deutschland hat angesichts der Weltlage nur eine geringe Bedeutung für das Klima.

Stimmt nicht. Deutschland hat zwar nur rund ein Prozent der Weltbevölkerung, doch zugleich produzierte 2022 jeder Deutsche pro Kopf im Schnitt immer noch rund 1,7-mal mehr CO2 als ein Durchschnittsbürger der Erde, wie aus dem Statistikportal Our World in Data hervorgeht. Mit etwa 1,8 Prozent der weltweiten Emissionen stand es an achter Stelle.

Deutschland habe eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz, sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institute in Köln. «Wir sind eins der reichsten Länder der Welt, eins auch mit der höchsten Wirtschaftskraft und deswegen müssen wir sozusagen als Vorreiter vorangehen, damit andere nachziehen können.» Zum einen könne Deutschland dann rein diplomatisch andere Länder dazu bewegen, zum anderen könne man Technologien entwickeln, die dann von anderen Ländern umgesetzt werden. «Wir haben, wenn man eben Vorreitertechnologien nimmt, einen großen Einfluss.»

So habe Deutschland die erneuerbaren Energien finanziell extrem gefördert und tue es immer noch, was zu einem so günstigen Preis von Wind- und Solarkraft geführt habe, dass sie weltweit genutzt würden. Dazu habe Deutschland wesentlich beigetragen und tue das eben heute noch. «Das ist sozusagen die größte Klimaschutzmaßnahme überhaupt weltweit.» Eine mögliche CDU/CSU-Regierung wird die aktuelle Förderung nach Ansicht Höhnes umbauen, sie aber nicht generell abschaffen.

Deutschland habe als Teil der EU auch Einfluss auf deren politische Gesetzgebung «und die EU wiederum ist so groß, dass sie eben auch eine Macht hat», sagt Höhne. So dürften bestimmte Produkte nur in die EU importiert werden, wenn sie klimafreundlich produziert worden seien oder es seien Zollgebühren fällig. «Das bedeutet, es wird sich jeder überlegen, der weltweit so was produziert, ob das nicht auch klimafreundlich geht, um überhaupt am EU-Markt teilnehmen zu können.»

Mit der Wahl Trumps komme Deutschland nun umso mehr eine Vorreiterrolle zu. «Deutschland und die EU müssen sich nun noch mehr international einbringen und durch gute Kooperationen mit anderen Ländern das Thema Klimaschutz voranbringen.» Mit dem Bruch der Regierungskoalition bekommt dieser Wunsch aktuell einen Dämpfer, der sich auch konkret äußert: Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine für Mitte November geplante Reise zur Weltklimakonferenz im aserbaidschanischen Baku abgesagt.

US-Klimaschutz unter Trump

Die USA standen 2022 mit rund 14 Prozent an zweiter Stelle der weltweiten CO2-Emissionen. Ihr CO2-Ausstoß ist im Vergleich zu 2007 gesunken. Zudem habe vor allem der Inflation Reduction Act zur Förderung erneuerbarer Energien von US-Präsident Joe Biden signifikante Investitionen getriggert, sagt Höhne. Es sei unwahrscheinlich, dass dieser von Trump ganz gestrichen werde, da besonders republikanische Bundesstaaten davon profitierten.

Der Wahlsieg von Trump sei sicher keine gute Nachricht für den Klimaschutz, «aber auch Trump kann nicht gegen den Markt arbeiten». Auch in den USA seien die erneuerbaren Energien günstiger als die fossilen. «Beim vergangenen Mal in der Regierung hat er gesagt, dass er Kohlekraftwerke wieder nach vorne bringen will, hat das aber gar nicht geschafft.»

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und auch Höhne sehen jedoch ein Problem, weil nun einer der wichtigsten Geldgeber beim Klima wegfallen könnte: Geld, das Industriestaaten an ärmere Länder für Klimaschutz oder auch für die Anpassung an den Klimawandel geben, war Kernpunkt vieler Klimakonferenzen. In Baku soll ein neues Finanzziel ausgehandelt werden.

China Weltmeister bei Erneuerbaren Energien

Der pro Kopf Ausstoß an CO2 lag in China 2022 mit rund acht Tonnen so hoch wie der in Deutschland. Insgesamt stand es mit 31 Prozent jedoch an der Spitze aller Länder beim CO2-Ausstoß. China baue erneuerbaren Energien extrem schnell aus, sagt Höhne. Zudem würden 80 Prozent der Solarmodule und 50 Prozent der Windkraftanlagen weltweit in China produziert. «Das wird sehr viel zum Klimaschutz beitragen, nicht nur innerhalb von China, sondern eben auch außerhalb davon.» Chinas Regierung habe auch schon früh die Elektromobilität vorangetrieben. Gleichzeitig baue das Land immer noch Kohlekraftwerke. «Man kann nicht sagen, China macht nichts, sondern es macht sehr viel. Ob China damit seiner Verantwortung gerecht wird, darüber kann man streiten.» Aber auch Deutschlands Klimaschutz reiche für die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens nicht aus.

Behauptung: Der Klimawandel ist real, aber Deutschland wird es schon nicht so hart treffen

Das ist unwahrscheinlich. 2023 war die Erdtemperatur im Mittel laut Weltwetterorganisation 1,45 Grad höher als im vorindustriellen Zeitraum, ein neuer Rekordwert. In Deutschland lag sie laut Umweltbundesamt um 2,8 Grad höher als in der Zeit 1881 bis 1910 - auch weil Landregionen sich schneller erwärmen als Meere.

Auf dem jüngsten Klima-Risiko-Index von Germanwatch für die Jahre 2000 bis 2019 steht Deutschland angesichts der Klimaauswirkungen auf Platz 18. Demnach starben in der Zeit mehr als 10.700 Menschen durch Extremwetterereignisse - vor allem infolge von Hitzewellen. Der wirtschaftliche Schaden habe kaufkraftbereinigt jährlich im Schnitt 3,54 Milliarden Euro betragen.

Überschwemmung werden häufiger

«Doch auch die Stärke der Niederschläge und die Häufigkeit der Überschwemmungen haben jetzt bereits zugenommen», sagt Diana Rechid, Leiterin der Abteilung regionaler und lokaler Klimawandel am Climate Service Center Germany (Gerics). «Dieses Jahr ist mit Dauerregen in großen Teilen Deutschlands und Hochwasser entlang vieler Flüsse in Niedersachsen und weiteren Bundesländern gestartet. Pfingsten gab es Hochwasser im Saarland und in Rheinland-Pfalz, danach im Juni in Süddeutschland.»

Das September-Hochwasser, das von Deutschland bis Rumänien reichte, hat die Wissenschafts-Initiative World Weather Attribution (WWA) genauer analysiert: Der Klimawandel habe die Wahrscheinlichkeit für solch ein großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa etwa verdoppelt.

Die Hitzewelle im Juli 2019 in Westeuropa wäre an allen Orten bei unverändertem Klima um 1,5 bis 3 Grad kühler gewesen, berechnete die WWA. Aufgrund des menschengemachten Klimawandels seien Hitzewellen deutlich wahrscheinlicher und intensiver geworden. Hitze und Dürren führten auch zu großflächigen Schäden im deutschen Wald, der laut Bundeswaldinventur bereits seit 2017 mehr Kohlenstoff abgibt als er aufnimmt.

In Deutschland wird es nach Berechnungen von Gerics zukünftig noch mehr heiße und sehr heiße Tage geben. «Das hat ganz direkte Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen», sagt Rechid, nicht nur für Ältere und Säuglinge. «Dazu zählen zum Beispiel auch Menschen, die im Freien arbeiten müssen.» Laut Umweltministerium hat der Klimawandel zudem die Pollensaison und damit auch die Beschwerdezeit der Allergiker verlängert.

Weltweite Missernten könnten auch das reiche Deutschland treffen, vor allem die ärmeren Menschen. Beispiel Olivenöl. «Der Preis steigt, weil die Olivenbäume durch das veränderte Klima im Mittelmeerraum teilweise weniger Ernte abgeben», sagt Rechid. Der Preisanstieg für viele Nahrungsmittel vergrößere die Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich.

Das Allerwichtigste sei natürlich, fossile Energieträger zu meiden: «Wenn jeder sagt, dass er nichts machen könne, weil er nur zu einem Prozent der Bevölkerung gehört, was machen wir denn dann?» Nötig sind laut Rechid aber auch die Anpassung, zum Beispiel eine frühere und besser verständliche Warnung vor Hochwasser oder Wasserspeicher für Phasen mit Trockenheit und zu wenig Wasser.

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