Deutsche Studenten-Experimente fliegen zur ISS

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Foto: Pixabay/Wikiimages
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HANNOVER: Viele Nationen und auch private Unternehmen richten den Blick ins All. Doch für künftige Missionen etwa zum Mars ist noch eine Menge Forschung notwendig. Teams junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland bekommen jetzt eine besondere Chance.

Wie können Raumfahrzeuge weniger reparaturanfällig werden? Welche Pflanzen eignen sich für den Anbau im All während einer Langzeitmission, etwa auf dem Weg zum Mars? Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen haben junge Forscherinnen und Forscher aus Deutschland Experimente entwickelt, die sie in der Nacht zu Mittwoch zur Internationalen Raumstation (ISS) schicken dürfen. Insgesamt wurden vier Projekte von Studierenden-Teams aus Hannover, Stuttgart, München und auch aus Luxemburg ausgewählt. Sie hatten sich 2021 im Wettbewerb «Überflieger 2» durchgesetzt, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mitteilte.

Neben einer finanziellen Unterstützung von jeweils 20.000 Euro dürfen die Gewinner-Teams den Start (15.3., 2.30 Uhr deutscher Zeit) der Falcon 9-Trägerrakete des Unternehmens SpaceX am Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida miterleben.

«Die Zusammenarbeit mit den Leuten vom Kennedy Space Center hier vor Ort ist total spannend», sagt Nils Wörz, der an der Universität Hannover Pflanzenbiotechnologie studiert. Sieben Mitglieder des zehnköpfigen Teams «Glücksklee» sind nach Florida gereist.

Ihr Experiment beschäftigt sich mit Pflanzenwachstum in der Schwerelosigkeit. Für zukünftige Langzeitmissionen werde es notwendig sein, dass Astronauten Pflanzen, am besten proteinreiche Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Linsen, als Nahrungsquelle in den Raumfahrzeugen anbauen, erläutert der 25-Jährige.

Im Experiment benutzt das Team eine Klee-Modellpflanze (Medicago truncatula), die mit einem Bakterium (Sinorhizobium meliloti) infiziert wird. «Eigentlich brauchen Pflanzen neben Licht, Luft und Wasser auch Dünger, um gut gedeihen zu können», erklärt Wörz. Die Gruppe möchte untersuchen, ob die Methode der Selbstdüngung durch die Symbiose mit dem Bakterium auch in der Schwerelosigkeit funktioniert.

Die Pflanzen werden in vorgefertigten Containern (10 mal 10 mal 20 Zentimeter) zur ISS transportiert. Die kleinen Boxen bleiben dort 30 Tage lang und müssen von den Astronauten nicht angerührt werden. Der autonome Betrieb ist für alle teilnehmenden Versuche Voraussetzung.

Das Team der Universität Stuttgart will drei Anwendungen von sogenannten Ferrofluiden in der Schwerelosigkeit testen. Ziel ist, in der Raumfahrt mechanische Teile wie Schalter durch weniger verschleißanfällige Technologien zu ersetzen. Nach Angaben des Instituts für Raumfahrtsysteme der Stuttgarter Uni verbringen Astronauten bis zu zwei Stunden am Tag mit Wartungsarbeiten. «Das ist zeit- und kostenintensiv. Um künftige Missionen zum Beispiel zum Mars zu realisieren, müssen Raumfahrzeuge möglichst wartungsfrei funktionieren», sagt Manfred Ehresmann vom Institut für Raumfahrtsysteme.

«Das Forschungsgebiet von Ferrofluiden in der Raumfahrt ist noch nicht verbreitet, deswegen liegt es an uns, das Ganze in Fahrt zu bringen», betont Studentin Bahar Karahan aus dem Stuttgarter Team. Ferrofluide sind Flüssigkeiten, in denen magnetische Partikel vorhanden sind, die auf externe Magnetfelder reagieren.

Das Experiment des Teams von der Technischen Universität München (TUM) stammt aus der Alters- und Demenzforschung. Bisherige Forschung auf der ISS hat nach Angaben des DLR gezeigt, dass unter Weltraumbedingungen in vielen Bereichen Alterungsprozesse deutlich schneller ablaufen. Die Gruppe schickt Nervenzellen ins All. Ein Teil der Zellkulturen wird mit einem Protein behandelt, das bei Alzheimer eine wichtige Rolle spielt. Die Ergebnisse werden anschließend mit Experimenten auf der Erde verglichen.

«Wir wurden schon sehr häufig gefragt, ob dann bald jeder Alzheimer-Patient zur Therapie ins All fliegt. Tatsächlich ist wohl eher das Gegenteil der Fall», sagt die Leiterin der TUM-Gruppe, Fanny Rößler. Weil bestimmte Alterungsprozesse im All beschleunigt ablaufen, gehe es darum herauszufinden, ob Effekte von degenerativen Erkrankungen besser im Weltraum zu erforschen seien.

Das vierte Team von der University of Luxembourg will in der Schwerelosigkeit aus menschlichen Stammzellen sogenannte Organoide züchten, die zur Erforschung der Entstehung von Krankheiten und der Wirkung von Medikamenten genutzt werden.

Während das Münchner Team die Daten voll automatisiert direkt auf der ISS misst, wird das Pflanzen-Experiment aus Hannover nach 30 Tagen eingefroren und anschließend in Hannover ausgewertet. Biotechnologie-Student Nils Wörz hat am Projekt «Glücksklee» besonders die Zusammenarbeit im Team mit Kommilitonen anderer Fachrichtungen wie Maschinenbau und Informatik gefallen. Später einen Job im Zusammenhang mit Raumfahrt zu finden, wäre ein Traum, sagt er. «Astrobiologie ist enorm spannend. Aber vielleicht bleibe ich auch einfach bei Forschung auf der Erde.»

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