Ich habe keine eigenen Kinder, nur adoptierte. Zudem leben wir weit getrennt. Aber per Skype können wir uns täglich sehen und miteinander kommunizieren. Die kleinen Enkel wollen Opa alles zeigen, was sie gerade gemalt oder gefertigt haben und sind eine reine Freude. Ich weiß sehr wohl, was es bedeutet, Kinder aufzuziehen. Vor allem bedeutet es, eigene Wünsche und Interessen zurückzustellen. Die Kinder stehen im Mittelpunkt, sowohl zeitlich als auch finanziell. Die Entscheidung eines Paares, ein Kind zu bekommen, enthält schon viele Einschränkungen. Aber in der Realität sind sie um ein Mehrfaches größer. Das neugeborene Familienmitglied hat massive Ansprüche. Mama oder Papa können nicht mehr durchschlafen: Baby schreit, Baby will Milch.
Warum tun Menschen sich das an, Kinder zu zeugen? Sie wissen doch, dass sie dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, und dass dieses Kind viel Geld kosten wird. Bei dieser Überlegung fällt mir ein: Welcher Kaufmann würde so ein Risiko eingehen, zu investieren ohne zu wissen, ob er später davon profitieren kann? Und trotzdem wollen die meisten Paare Kinder haben, vielleicht um in ihnen fortzuleben. Passt eigentlich gar nicht in unsere aufgeklärte kapitalistische Welt. Bringt doch nichts. Oder ist es ein Naturgesetz? Möglich. Auch die Tiere ziehen immer wieder Nachwuchs auf, kümmern sich um ihn und verteidigen ihn mit allen vorhandenen Mitteln, bis er in der Lage ist, selbst zu überleben. Beim Menschen muss es ähnlich sein. Er will sich fortpflanzen, obwohl er weiß, dass sein Leben dadurch erschwert wird.
Es gibt massenweise Singles in der Welt, die es bewusst ablehnen, Kinder in die Welt zu setzen. Viele sehen in ihnen Egoisten, die nur ihr ungebundenes Leben extensiv, ohne Einschränkungen und Rücksichten genießen wollen. Dagegen stehen die Argumente derer, die Kinder aufziehen. Sie fragen: Wissen diese Singles überhaupt, was sie versäumen, wenn sie keine Kinder haben? Welches Glück ihnen entgeht, ein eigenes Kind im Arm zu halten, das sie liebt, das ihnen vertraut, das alle Hoffnungen auf sie vereint.
Ja, da stehen sich zwei Meinungen gegenüber. Singles sagen: Kinder in diese Welt zu setzen, zu dieser Zeit, ist unverantwortlich. Schaut euch diese Welt doch an. Sie ist dem Untergang geweiht.
Andere sind optimistischer. Sie glauben an eine positive Zukunft und genießen das Glück mit ihren Kindern, solange die Kinder mitspielen. Wenn die eigene Wege einschlagen, kann es zuweilen problematisch werden. Harald E. aus Essen hat drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, alle ein Jahr auseinander. Sie sind 20, 19 und 18 Jahre alt, alle in einer normalen Familie aufgewachsen. Und plötzlich ist von der Normalität nichts mehr übrig: Alle drogenabhängig, alle kriminell. Die Polizei ist fast täglich im Haus, will wissen, wo die jungen Leute sich letzte Nacht rumgetrieben haben. Und dann kommt die Nachbarin, Single, und fragt scheinheilig ob alle glücklich sind. Am liebsten würde man sie aus dem Fenster werfen. Aber irgendwo hat sie ja recht: Wir mit unseren Kindern sind die Idioten. Sie genießt ein sorgloses Leben. So sieht es scheinbar aus. Aber seit Jahrtausenden dreht die Welt sich nicht nur, weil immer neue Generationen das Rad weiterdrehen. Und immer erfolgreicher. Wenn Menschen früher knapp 50 Jahre alt wurden, so werden Neugeborene wahrscheinlich doppelt so alt. Und ohne Kinder gäbe es die Menschheit nicht mehr, abgesehen von den Einschränkungen, denen Eltern mit ihren Kindern ausgesetzt sind und den Vorzügen, von denen Singles profitieren. Was passiert mit ihnen, wenn sie alt sind? Wer wird sich um sie kümmern? Gewiss, er gibt auch Kinder, die ihr egoistisches Leben führen wollen, ohne sich um ihre Eltern zu sorgen. Aber das ist nicht die Normalität.
Und wieder höre ich den Schlachtruf: Kinder an die Macht! Als ob nicht schon in vielen Ländern Kinder an der Macht wären. Sie nennen sich nur Politiker.