Kein AKW in Nong Ran

Wenn man in Bangkok eine falsche Abzweigung erwischt hat und sechs Stunden in Richtung Laos fährt, ohne es zu bemerken, kommt man irgendwann nach Nong Ran im Isaan. Nong Ran ist ein Kaff, wie es im Buche steht, aber es gibt da immerhin eine Sehenswürdigkeit, die einen über diese Tatsache hinwegtröstet: der Wegweiser nach Bangkok.

Unter Hypnose verschleppt

Wenn jemand da freiwillig und absichtlich hinfährt, müssen schon überirdische Kräfte am Werk sein oder eine Frau, was auf dasselbe hinauskommt. Bei mir war es „die beste Thaifrau aller Zeiten”, die in einem Weiler in der Nähe aufgewachsen ist und ein gutes Jahrzehnt an der Primarschule unterrichtet hat. Um mich endgültig für den Trip zu gewinnen, setzte sie mich unter Hypnose mit dem immergleichen Mantra: Wir müssen die Eltern besuchen, wir müssen... Als ich wieder erwachte waren wir in Nong Ran.

Wir fuhren zum einzigen Hotel, das einen Pool hat. Ich vergewisserte mich, dass es tatsächlich einen gab, denn mir war bekannt, dass es in Thailand manchmal nur auf der Hotelwebsite einen Pool gibt, aber vor Ort halt nicht mehr, oder sogenannte Fake-Pools, also Betonwannen, die nur blau angemalt sind, aber kein Wasser enthalten. Sie haben immerhin den Vorteil, dass man darin schwimmen kann, ohne nass zu werden. Hier war aber alles ok. Ich begab mich in die Hotelbar, um mich für den zweiten Schritt aus der Zivilisation zu wappnen: den Besuch im Elternhaus mitten im Dschungel.

Stadt mit zwei Sehenswürdigkeiten

Auf dem Weg dahin galt es erst einmal Nong Ran zu durchqueren, eine Kleinstadt, die in einer topfebenen Landschaft liegt, vielleicht viertausend Einwohner zählt, die größtenteils in typischen Holzhäusern leben, die eine gewisse Ähnlichkeit mit unseren Chalets haben. Daneben gibt es auch viele Neubauten, die aber schon nach einigen Monaten wie Altbauten aussehen.

Die geringe Attraktivität des Ortes hat auch Vorteile, denn es gibt eine zweite Sehenswürdigkeit:

KEINE (!) Niederlassung von McDonald. Danke Nong Ran, obwohl du nichts dagegen unternommen hast. Der Grund ist so banal wie übersinnlich: Die Manager von McBauchweh haben dich auf keiner Karte gefunden und das GPS gab in deiner unmittelbaren Nähe den Geist auf. Die guten Geister der Stadt waren stärker.

Hinter dem Ort begann die eigentliche Fahrt ins Ungewisse. Wir fuhren den Reisfeldern entlang in Richtung Sonnenuntergang und zweigten nach einigen Kilometern in eine Nebenstraße ab. Die Vegetation wurde dichter, die Schlaglöcher auf der Schotterstraße tiefer. Gut geschüttelt -nicht gerührt - hielt der Wagen inmitten einer Ansiedlung von strohbedeckten Hütten und Ställen, die teils ebenerdig, teils auf Stelzen standen. Das einzige Haus aus Backsteinen hatte einen kleinen Vorbau, eine Art Veranda, welche in den Innenhof ragte. Darauf befand sich eine Feuerstelle, von welcher eine dünne Rauchfahne aufstieg.

Fototermin mit Barfüßern

Vor dieser pittoresken Szenerie hatte sich das Empfangskomitee aufgestellt: Ein Dutzend Kinder zwischen fünf und zehn Jahren stand barfuß wie zum Fototermin aufgereiht da. Es schien als hätten sie uns erwartet und waren begierig darauf zu sehen, was für einen Fa(ra)ng die Lehrerin da angeschleppt hatte.

Die Eltern meiner Frau kannte ich schon von früheren Begegnungen, aber all die Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, Anverwandte und Bekannte, die nach und nach eintrafen und den Innenhof bevölkerten, sah ich zum ersten Mal. Ich wusste zwar, dass der Isaan ziemlich bevölkerungsreich ist, aber nicht, dass alle irgendwie miteinander verwandt sind, mich sehen wollten und umständehalber gleich zum Nachtessen dablieben.

Als wir später vom Markt zurückkamen und für das Freiluftgelage eingekauft hatten, war auch der Bürgermeister mit ein paar Männern, den Honorationen des Dorfes, eingetroffen. Es hatte sich offenbar herumgesprochen, dass ein Großinvestor aus der Schweiz zu Besuch war, um hier ein Atomkraftwerk zu bauen. Wir setzten uns auf den Boden der Locanda, um die Details zu klären, kamen aber nicht mehr dazu, weil die Männer dem Bier zu sehr zusprachen und sich darüber amüsierten, wie ich das Essen, das in allerhand Blätter eingewickelt war, auseinanderdröselte. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass in Nong Ran nun kein Atomkraftwerk steht. Soll einer sagen, mein Besuch habe keinen Sinn und Zweck gehabt.

PS: Immer gegen Monats­ende, wenn den Männern im Dorf das Geld für das Bier ausgeht, lässt der Bürgermeister anfragen, wann die nächste Sitzung stattfindet. Vielleicht wollen sie mich überzeugen, statt ein AKW eine Bierpipeline in den Weiler zu bauen. Wer macht mit beim Crowdfunding?.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Thomas Knauer 10.07.19 21:09
Kenne diese Freude am feiern und gemeinsamen Essen. Zum Glück trinkt bei uns in der Familie niemand Alkohol so dass Bier und Schnaps erst gar nicht auf den Tisch kommen. Jedes Mal wenn ich zu Besuch komme veranstaltet Schwiegervater eine Welcomeparty mit seinen 12 Geschwistern und deren Nachkommen, sowie den 10 Geschwistern seiner Frau und deren Anhang. Ich bin begeistert von dem Zusammenhalt und der Akzeptanz die ich erfahre.