Kardinal George Pell mit 81 Jahren gestorben

​«Schwieriger Tag» 

Kardinal George Pell aus Australien betet in der Nähe des Leichnams des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger), der in der Petersbasilika für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Foto: epa/Massimo Percossi
Kardinal George Pell aus Australien betet in der Nähe des Leichnams des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger), der in der Petersbasilika für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Foto: epa/Massimo Percossi

ROM/CANBERRA: Unter Papst Franziskus erlebte seine Vatikan-Karriere einen rasanten Aufschwung. Der nun verstorbene Kardinal George Pell schaffte es bis in die engsten Kreise um den Heiligen Vater. 2017 holte ihn jedoch die Vergangenheit ein und sorgte für seinen Fall.

Der umstrittene australische Kardinal George Pell ist im Alter von 81 Jahren in Rom gestorben. Seinen Tod bestätigte der Erzbischof von Sydney, Anthony Fisher, in der Nacht zu Mittwoch mit einer Nachricht auf seiner Facebook-Seite, deren Authentizität der Deutschen Presse-Agentur bestätigt wurde. Das vatikaneigene Medienportal «Vatican News» berichtete, Pell sei am Dienstagabend nach Komplikationen infolge einer Hüftoperation gestorben. Die OP war demnach schon länger geplant.

Fischer traf Pell nach eigener Aussage noch bei der Trauerfeier für den emeritierten Papst Benedikt XVI. am 5. Januar. «Der Kardinal und ich wussten nicht, dass dies das letzte Mal sein würde, dass wir uns in diesem Leben treffen», schrieb er in einer Mitteilung. Im Vatikan blieb es zunächst still. Erst am Mittwochnachmittag veröffentlichte der Heilige Stuhl ein Telegramm von Papst Franziskus. Der 86 Jahre alte Argentinier würdigte darin Pells Einsatz für die Kirche und seine Arbeit an der Wirtschaftsreform des Heiligen Stuhls. Er bezeichnete ihn als «treuen Diener», der Gott auch «in der Stunde der Prüfung» mit Ausdauer folgte. Wenige Stunden zuvor erwähnte der Papst den Tod des Australiers bei der wöchentlichen Generalaudienz nicht.

Pell war unter Franziskus jahrelang die Nummer drei im Vatikan und der ranghöchste Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde. Im Jahr 2020 wurde Pell jedoch im Berufungsverfahren nach rund 13 Monaten Haft freigesprochen und aus dem Gefängnis entlassen.

«Für viele Menschen, besonders katholischen Glaubens, wird das ein schwieriger Tag», sagte Australiens Premierminister Anthony Albanese am Mittwochmorgen im Bundesstaat Queensland. Er sprach allen Trauernden sein Beileid aus und kündigte an, dass der Leichnam des Kardinals nach der Trauerfeier im Vatikan zurück nach Australien gebracht werde. Dort solle er in der St. Mary's-Kathedrale in Sydney beerdigt werden. Albanese, der selbst Katholik ist, gab zunächst keine Auskunft darüber, ob er an der Beerdigung teilnehmen wird.

Als kirchlicher und kultureller Konservativer habe Pell sowohl Lob, als auch Kritik auf sich gezogen, sagte der frühere australische Premierminister Tony Abbott. Tatsächlich sei der Kardinal aber sehr fürsorglich gewesen, habe die Fehler der Menschen verstanden und sei «mehr als fähig» gewesen, sich in Sünder einzufühlen und sie zu beraten. Der australische Oppositionsführer und Vorsitzende der Liberalen in Australien, Peter Dutton, bezeichnete die Missbrauchsvorwürfe gegen Pell und dessen Inhaftierung als «politische Verfolgung».

Franziskus nannte Pell im Dezember einen «großartigen Menschen», dem man viel schulde. Pells Nachfolger im Erzbistum Sydney schrieb am Mittwoch, die Nachricht vom Tode des Kardinals sei «für alle ein großer Schock». Vielen anderen, vor allem abseits der katholischen Kirche, dürfte der tiefe Fall des Kardinals im Gedächtnis bleiben.

Der Fall, für den Pell in seiner Heimat der Prozess gemacht wurde, reichte in die Jahre 1996/97 zurück, als Pell gerade Erzbischof in Australiens zweitgrößter Stadt Melbourne geworden war. Nach einem Gottesdienst soll er sich an den zwei Chorknaben vergangen haben, die damals 13 Jahre alt waren. Die Aussage eines früheren Chorknaben war maßgeblich für das Urteil, das der Öffentlichkeit Anfang 2019 bekannt wurde. Verurteilt wurde er zu sechs Jahren Haft.

Doch Pells Verteidiger argumentierten, dass die Aussage des früheren Chorknaben nicht ausreichend war, um die Schuld des Kardinals zweifelsfrei festzustellen. Sie führten an, nach einer Sonntagsmesse sei es unmöglich gewesen, dass ein Erzbischof fünf oder sechs Minuten in der Sakristei mit zwei Chorknaben alleine war - so soll es bei einem Übergriff gewesen sein. Das höchste australische Gericht gab dem Berufungsantrag im April 2020 mangels Beweisen statt. Nach 13 Monaten war Pell überraschend wieder ein freier Mann - und kehrte wenige Monate nach seiner Freilassung, mitten in der Corona-Pandemie und trotz Reisebeschränkungen - in den Vatikan zurück.

Anwälte der Familie eines der ehemaligen Chorknaben teilten mit, eine Zivilklage gegen Pell auch nach seinem Tod fortzuführen. «Ein Zivilprozess hätte wahrscheinlich die Möglichkeit geboten, Pell ins Kreuzverhör zu nehmen», hieß es in einer Mitteilung der Anwälte. Der ehemalige Chorknabe starb nach Angaben der Nachrichtenagentur AAP 2014 an einer Überdosis Drogen.

Der ehemalige Vorsitzende der Wahrheitskommission der katholischen Kirche in Australien, Francis Sullivan, sagte dem Sender ABC, es gebe eine Spaltung innerhalb der Kirche. Dafür seien viele der Erzbischöfe und auch Kardinal Pell verantwortlich.

Geboren wurde Pell am 8. Juni 1941 im australischen Ballarat. Im Jahr 1966 wurde er zum Priester geweiht, 1987 zum Weihbischof der Erzdiözese Melbourne gewählt. In dem Jahr erhielt er auch die Bischofsweihe. Von 2001 bis 2014 war er Erzbischof von Sydney. Schon damals war Pell mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert - 2002 ließ er sein Amt als Erzbischof von Sydney vorübergehend ruhen, die Vorwürfe aber wies er zurück. Obwohl sich Anschuldigungen gegen Pell hielten, machte er in der katholischen Kirche Karriere. Er wurde zum Vertrauten Franziskus', der ihn 2014 zum Leiter des Wirtschaftssekretariats machte, um die Vatikan-Finanzen zu sanieren.

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