Wie lange gelten die Beschränkungen in Europa?

​Deutschland: Keine Lockerung der Maßnahmen bis 20. April

Foto: epa/LAURENT GILLIERON
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Wie lange gelten die Beschränkungen in Europa?

BERLIN: Homeoffice für viele, wenig Sozialkontakte und die Wirtschaft im Lockdown - wie lange wird das noch so bleiben? In Deutschland und Europa wird zunehmend über einen möglichen Ausweg aus den Beschränkungen diskutiert. Wie lange gelten die Regelungen vorerst in anderen europäischen Ländern? Mancherorts wurden Ausgangsbeschränkungen bereits verlängert. Ein Überblick.

Im schwer getroffenen ITALIEN gelten die Sperren, die bereits am 10. März in Kraft traten, zunächst einmal bis zum kommenden Freitag, 3. April. Es wird aber erwartet, dass der Lockdown verlängert wird. Wann das allerdings geschieht, ist unklar.

Der SPANISCHE Lockdown sollte ab 15. März zunäschst zwei Wochen lang gelten. Vergangene Woche wurde er aber um weitere zwei Wochen bis zum 11. April verlängert. Das wäre der Karsamstag.

FRANKREICHS Lockdown gilt seit 12 Tagen - zunächst war er für 15 Tage avisiert worden. Am Freitag kündigte Premier Édouard Philippe eine Verlängerung um mindestens 15 weitere Tage an, also bis zum 15. April, das wäre nach Ostern. In Deutschlands Nachbarland dürfen die Bürger nur mehr für wenige Ausnahmen aus der Wohnung oder Haus. Diese Wochen wurden die Bedingungen teils noch einmal verschärft.

In GROSSBRITANNIEN traten vergleichsweise spät - am 23. März - Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Sie sollen mindestens für drei Wochen gelten, also bis zum 13. April, dem Ostermontag. Dann will die Regierung die Lage neu bewerten.

Die ÖSTERREICHISCHEN Maßnahmen sind zunächst bis Ostermontag, 13. April, befristet. Die meisten gehen von einer Verlängerung um mindestens eine Woche aus.

In der SCHWEIZ gilt bisher der 19. April als letzter Tag der Beschränkungen.

Ausgangsbeschränkungen gibt es in den NIEDERLANDEN seit knapp zwei Wochen - sie wurden am 23. März noch einmal deutlich verschärft. Die Maßnahmen gelten vorläufig bis zum 6. April, das Veranstaltungs-Verbot sogar bis zum 1. Juni. Über eine mögliche Verlängerung will das Kabinett am kommenden Dienstag (31. März) entscheiden.

In BELGIEN wurden die am 18. März verhängten Ausgangsbeschränkungen bereits am Freitagabend verlängert: Sie sollen nun mindestens bis 19. April gelten. Ursprünglich waren sie bis 5. April angekündigt worden.

In TSCHECHIEN gelten die Ausgangsbeschränkungen für die Bevölkerung zunächst bis zum 1. April - Regierungschef Andrej Babis rechnet aber mit einer Verlängerung bis über Ostern hinaus. Der Ausnahmezustand ist davon unabhängig bis zum 11. April ausgerufen, soll aber nach dem Willen des Ministerpräsidenten um 30 Tage verlängert werden. Darüber entscheidet das Parlament.

BULGARIEN hat am 13. März einen einmonatigen Ausnahmezustand verhängt - auch er könnte verlängert werden. Denn der Krisenstab in Sofia geht jetzt von einem Höhepunkt der Covid-19-Erkrankungen um das orthodoxe Osterfest herum am 19. April aus. Ausgangsbeschränkungen wie in anderen Ländern gibt es noch keine.

In POLEN müssen die Menschen bis zum 11. April nach Möglichkeit zu Hause bleiben.

Die SLOWAKEI hat noch keine allgemeinen Ausgangsbeschränkungen erlassen, in der Öffentlichkeit muss aber ein Mundschutz getragen werden.

Ein Lockdown nach bayerischem Vorbild ist in UNGARN erst seit diesem Samstag in Kraft. Er gilt zunächst bis zum 11. April. Dann kann er verlängert werden.

In DÄNEMARK und NORWEGEN gelten die Grenzschließungen und weiteren Maßnahmen bis einschließlich Ostern, also bis zum 13. April. In Finnland sind die Grenzen der Region Uusimaa rund um die Hauptstadt Helsinki bis zum 19. April geschlossen, landesweit geltende Maßnahmen haben verschiedene Ablaufdaten in den kommenden Wochen.

Ein Blick über Europas Grenzen zeigt ähnliches: US-weit gilt noch bis Montag eine Richtlinie der Regierung, die etwa vorsieht, dass Ansammlungen mit mehr als zehn Menschen vermieden werden sollen. In den mehreren Bundesstaaten wurden allerdings auch Ausgangsbeschränkungen verhängt. So wurde die Bevölkerung in Kalifornien bereits vor mehr als einer Woche aufgerufen, zu Hause zu bleiben - dies gilt bis auf weiteres. Der Bundesstaat New York hat alle «nicht lebenswichtigen» Geschäfte und Dienstleistungen seit dem 22. März bis auf weiteres geschlossen. Die Bürger sind angehalten, weitestgehend zu Hause zu bleiben. In der Hauptstadt Washington gelten ähnliche Maßnahmen zunächst bis zum 24. April.


Keine Lockerung der Maßnahmen bis 20. April

BERLIN: Vor dem 20. April wird es keine Lockerung der bestehenden Maßnahmen gegen das Coronavirus geben. Das hat Kanzleramtsminister Braun klargestellt. Dennoch geht die Debatte um eine Exit-Strategie weiter.

Kanzleramtschef Helge Braun hat klargestellt, dass es vor dem 20. April keine Lockerungen der bestehenden Einschränkungen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie geben werde. «Wir reden jetzt bis zum 20. April nicht über irgendwelche Erleichterungen», sagte der CDU-Politiker dem «Tagesspiegel». «Bis dahin bleiben alle Maßnahmen bestehen.» Ältere Menschen müssten noch deutlich länger als Jüngere mit Kontakteinschränkungen rechnen. «Eines ist allen Modellen gemein, egal, wie wir uns entscheiden: dass die älteren und vorerkrankten Menschen in unserer Gesellschaft wirksam vor einer Infektion geschützt werden müssen, bis es einen Impfstoff gibt», sagte Braun.

Als Messlatte für eine Trendwende und als Entscheidungsgrundlage für eine Lockerung der Einschränkungen sieht Braun die Entwicklung der Infektionsgeschwindigkeit. «Wenn wir es schaffen, die Infektionsgeschwindigkeit so zu verlangsamen, dass wir zehn, zwölf oder noch mehr Tage haben bis zu einer Verdopplung, dann wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.» Zuletzt verdoppelten sich die Fallzahlen in etwa alle drei Tage. «Unmittelbar nach Ostern werden wir sagen können, wie es generell nach dem 20. April weitergeht.»

Er habe den Eindruck, dass sich die Bevölkerung vorbildlich an die Regeln halte. «Und deshalb bin ich überzeugt, dass wir in einigen Tagen ihren Erfolg sehen werden», betonte Braun.

Braun will sich nach eigenen Angaben an einem wie in Südkorea praktizierten Mix aus Maßnahmen orientieren. «Die haben zum einen genau solche Kontaktbeschränkungen gemacht, wie wir das jetzt in Deutschland praktizieren. Sie haben darüber hinaus ein digitales Tracking verwendet, über das man quasi vollautomatisiert erfährt, falls man Kontakt zu Infizierten hatte.» Daneben habe das Land einen sehr breiten Ansatz beim Testen.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte einen besseren Corona-Schutz für Ältere und regte vorübergehende Heimunterbringungen an. In Deutschland lebe im Vergleich zu Italien ein deutlich höherer Anteil der Hochbetagten in Alten- und Pflegeheimen und nicht unter einem Dach mit Kindern und Enkelkindern, sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Das kann im Kampf gegen die Pandemie ein entscheidender Vorteil sein. Denn in Einrichtungen ist es eigentlich gut möglich, die besonders Gefährdeten vor Covid-19 abzuschotten.»

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), forderte unterdessen ein Exit-Szenario. «Wir müssen die Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen konsequent durchhalten, bis wir in ein bis zwei Wochen erkennen, wie wirksam die Maßnahmen sind», sagte der Thüringer Innenminister der «Welt» (Samstag). Zugleich müsse man sich aber schon jetzt Gedanken machen, wie eine Exit-Strategie aussehen könne. «Wenn die Kontaktbeschränkungen länger als vier Wochen aufrechterhalten bleiben, kommen wir an ein Limit.» Die psychologische Belastung für die Bevölkerung sei dann zu groß und die Akzeptanz schwinde. Länder wie Südkorea und Schweden hätten auf «Massentests und Isolation der Erkrankten» gesetzt. «Das müssen wir als Ausstiegsszenario ins Augen fassen.»

Auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, dass es die Einschränkungen nicht ewig geben könne. «Alle Maßnahmen werden getroffen, um Leben und Gesundheit der Menschen in unserem Land zu schützen. Sie müssen aber auf das unbedingt Erforderliche begrenzt bleiben, auch zeitlich», sagte Lambrecht der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). Aktuell gehe es darum, große Gefahren von den Menschen abzuwenden und Menschenleben zu retten. «Die Einschränkungen müssen aufgehoben werden, sobald dies verantwortbar ist.»

Patientenschützer mahnten Konzepte für besonders gefährdete Bevölkerungsteile an. «Die Folgen des Corona-Stillstands sind immens», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. «Ein zügiges Hochfahren in Aussicht zu stellen, ist aber jetzt unverantwortlich. Selbst wenn die Risikogruppe isoliert wird.» Dies seien rund sechs Millionen Menschen, darunter Lungen- und Krebskranke, akute Herzpatienten und Pflegebedürftige. «Ihnen, ihren Helfern, Pflegern und Ärzten fehlen oft die einfachsten Mittel für den Schutz vor einer Infektion», sagte Brysch. Wer also jetzt von Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen rede, müsse zu allererst garantieren, dass Versorgung und Hilfe Tag für Tag sichergestellt seien.

Derweil ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur, dass jeder zweite Deutsche nichts gegen die Nutzung von Handy-Daten im Kampf gegen das Coronavirus hätte. Demnach sagten 50 Prozent, sie hielten die Ortung von Kontaktpersonen von Infizierten über die Standortdaten für sinnvoll. Nur 38 Prozent fänden das unangemessen, 12 Prozent machten keine Angaben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber zeigte sich offen für die Nutzung einer Anti-Corona-App auf freiwilliger Basis. Zu einer Handy-Ortung über die Funkzellen äußerte er sich erneut kritisch: «Diese haben selbst schon in Städten einen Radius von mehreren hundert Metern, auf dem Land sogar von mehreren Kilometern», sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). «Das ist viel zu ungenau, um einen Rückschluss auf den Aufenthaltsort von Infizierten oder ihren Kontaktpersonen zuzulassen.» Wenn ein Vorhaben ungeeignet sei, «muss man sich über mögliche Eingriffe in die Grundrechte gar nicht mehr unterhalten».

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte ursprünglich geplant, den Gesundheitsbehörden bei einer «epidemischen Lage von nationaler Tragweite» zu erlauben, Kontaktpersonen von Erkrankten anhand von Handy-Standortdaten zu ermitteln, dadurch ihre Bewegung zu verfolgen und sie im Verdachtsfall zu kontaktieren. Nach heftiger Kritik aus der Opposition, aber auch der SPD, stellte Spahn diese Pläne bei der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zunächst zurück.

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