Kann das Projekt EU noch gelingen?

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com

Die EU (Europäische Union) ist seit vielen Jahren aus unterschiedlichsten Gründen in der Kritik. Für die meisten Menschen erschließen sich Sinn und Zweck des Bürokratie-Monsters nicht wirklich. Sie interessieren sich nicht für Brüssel und gehen auch nicht zur Wahl des EU Parlaments. Wo stehen wir mit dem Projekt EU?

Fest steht, die Gründerväter der europäischen Einigung hatten die besten Absichten. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg war die oberste Priorität für Männer wie Konrad Adenauer, Jean Monnet oder auch Winston Churchill, Kriegstreiberei ein für alle Mal zu unterbinden. Die EU war ein Friedensprojekt für ganz Europa. Heute, fast sieben Jahrzehnte später wird diese Tatsache gerne als Totschlagargument missbraucht, um jegliche Kritikpunkte an der Union von vorneweg als unzulässig vom Tisch zu wischen. Tatsächlich ist dieses Argument allerdings in der heutigen Zeit nicht mehr gültig, denn wer glaubt denn ernsthaft, dass es ohne die EU wieder Krieg in Europa geben würde?

Aber lassen wir das einmal dahingestellt. Die EU hat im Kern zwei Probleme: Zum einen hat sie sich nicht weiterentwickelt. Der Kick-Off durch die Gründerväter hat gepasst, den Politiker-Generationen der letzten Jahrzehnte ist es allerdings nicht geglückt, die Einigung Europas zu einem Projekt der Herzen zu machen. Die allermeisten der Politiker konzentrierten sich ausschließlich darauf, in Ihrem jeweiligen Heimatland gut auszusehen und dort die nächsten Wahlen zu gewinnen. Das Projekt Europa lief irgendwie mit oder besser nebenher, hat aber nicht die Aufmerksamkeit erfahren, der es bedurft hätte.

Offensichtliches Demokratiedefizit

Zum zweiten ist bei der Union ein schwerwiegendes Demokratiedefizit offensichtlich. Martin Schulz, Präsident des EU Parlaments, gibt offen zu, dass die EU – wäre sie ein Staat – nach den Regeln der EU nicht in die EU aufgenommen werden könnte. Noch deutlicher wird Jean-Claude Juncker, Chef der mächtigen EU Kommission, der sich wie folgt äußert: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter“. Bei allem Verständnis für Pragmatismus in der Politik muss klar sein, dass diese Sichtweise nicht gerade das Vertrauen der Bevölkerung in die europäischen Institutionen fördert. Aktuelles Beispiel: Vor einigen Tagen äußerte sich Juncker hinsichtlich des Freihandelsabkommens mit Kanada zuversichtlich, dass die Zustimmung der Wallonie und anderer belgischer Landesteile zu erreichen sei. Die EU hatte etwas beschlossen und in den Raum gestellt, die Regionen sagten Nein. Im Ergebnis setzten sich die Regionen durch. Bravo!

Je genauer man sich mit der EU befasst, desto größer erscheinen die Sonderbarkeiten. Die Körperschaften Rat und Kommission, sowie ein Parlament das keine Gesetze macht, scheinen schwer mit demokratischen Prinzipien in Einklang zu bringen zu sein, sondern erinnern mehr an die ehemalige Sowjetunion. Die Ergebnisse sind (leider) entsprechend.

Fast kurios wird es regelmäßig, wenn seitens der EU Missstände präsentiert werden, die sie seit Jahrzehnten hätte beseitigen können. Der normale Mensch begreift nicht, was 50.000 Beamte in Brüssel, von denen zehn Prozent mehr verdienen als die Bundeskanzlerin, eigentlich machen. Als Konsequenz wächst die Versuchung – wie in England – es doch wieder auf eigene Faust und ohne EU zu probieren.

Wenn das Projekt Europäische Union noch gelingen soll, ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Neben Entbürokratisierung gilt es vor allem die Menschen in Europa stärker mit einzubeziehen und vernünftige Politikalternativen anzubieten, in denen sich der einzelne Wähler mit seinen Sorgen und Nöten auch wiederfinden kann. Geschieht dies nicht, ist die weitere Stärkung nationaler Kräfte in einzelnen Ländern wahrscheinlich sowie ein Auseinanderfallen der Europäischen Union nicht ausgeschlossen.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Feedback erwünscht!

Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:

E-Mail: cr@cr-management-consulting.com

Webseite: www.cr-management-consulting.com

Telefon: +66 32 512 253

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Jürgen Franke 14.11.16 14:29
Mit großem Bedauern muß ich nun auch zur
Kenntnis nehmen, dass die EU scheitern wird, nicht nur weil soeben Bulgarien und die Republik Moldau sich mehr an Rußland anlehnen wollen. Das haben die Wähler so entschieden. Ausschlaggebend ist in erster Linie die Haltung der EU zu den Flüchtlingsströmen. Hier hat die Merkel in ihrer grenzenlosen Naivität einen Fehler gemacht, der sich nun auch auf zukünftige Wahlen in den anderen Ländern niederschlagen wird.
Beat Sigrist 14.11.16 14:27
@Songran Raktin
Gemäss neustem TV Video aus Deutschland wird diese Praxis noch heute zu 100% vollzogen.Alles zu sehen mit versteckter Kamera im Oktober 2016 und ausgestrahlt im deutschen TV:
Jürgen Franke 13.11.16 23:14
Herr Rasp, die gestellte Frage, haben Sie in
Ihrem letzten Absatz bereits beantwortet. Das, grundsätzlich gutgemeinte Projekt, ist spätestens mit der Einführung des Euros bereits gescheitert, obwohl nicht alle Staaten ihn übernommen haben. Insbesondere die südlichen Länder haben sich überschuldet und versäumt notwendige Reformen durchzuführen. Eine Jugendarbeitslosigkeit bei 25% werden die entsprechenden Regierungen zwingen, Maßnahmen zu ergreifen, die den Zerfall der EU beschleunigen wird. Da das EU Parlament überwiegend aus Parlamentariern besteht, die in den Länderparlamenten nicht mehr einsetzbar waren, macht auch deutlich, wie unwichtig das Parlament von den Regierungen genommen wird. Wenn sich der zu erwartende Rechtsruck in den Länderparlamenten fortsetzt, wird neben Frankreich, den Niederlanden auch Italien die EU verlassen. Ihr Hinweis auf die Vergütung hat, wird die Neider auf den Plan rufen, die selbstverständlich auch gleich Betrugsabsichten der Parlamentarier unterstellen werden. Die Leistung eines Parlamentariers hängt jedoch nicht unbedingt von der Höhe seines Einkommens, sondern eher von seinen geistigen Qualitäten ab.
Beat Sigrist 13.11.16 18:27
Die EU ist überlebenswichtig für ganz Europa
und es ist gerechtfertigt,dass 50 000 Beamte für die EU ein fürstliches Salär und überdimensionale Spesengelder bekommen. Und es ist doch selbstverständlich,dass diese Beamten sich am Morgen um 08.00 ins Anwesenheitsbuch eintragen um die Tagesspesen zu bekommen - obwohl Ihr Flug ins Heimatland um 09.30 abfliegt.Und alle Bürger in der ganzen EU sind diesen Beamten zu grossem Dank verpflichtet,weil jetzt bekommen wir alle gerade grüne Salatgurken und keine krummen mehr.Die Qualität krumme Gurken müssen als solche bezeichnet werden und dürfen nicht gerade sein.Aber das wichtigste Gesetz besteht nach langen mehrwöchigen Diskussionen darin, dass eine Banane mindestens 14 cm lang sein muss und 2,7cm dick sein muss und dies alles zum Schutze der Bevölkerung.Ich bin wirklich sehr traurig,dass mein Heimatland leider nur mit einem Fuss in der EU dabei ist und nicht ein vollwertiges Mitgliedsein kann.Als halbwertiges Mitglied bezahlt mein Land ja auch NUR 460 Millionen jedes Jahr als Jahresbeitrag an die EU, und für diverse Ideen in der EU mussten wir nur 1,4 Milliarden an die EU überweisen und nochmals 1,3 Milliarden wurden direkt an andere EU Länder zur Entwicklung überwiesen und es kamen da und dort noch ein paar Milliarden dazu. Fazit in den letzten 10 Jahren mussten wir der EU nur 113 MILLIARDEN bezahlen -wären wir ein Vollmitglied der EU wären es nur etwas mehr oder vielleicht sehr viel mehr! Braucht die EU uns JA, brauchen wir die EU -NEIN !