Kuleba und Lawrow im Kriegs-Gespräch

​Kampfansage statt Kapitulation

Treffen der russischen, ukrainischen und türkischen Außenminister in Antalya. Foto: epa/Cem Ozdel / Türkisches Außenministerium
Treffen der russischen, ukrainischen und türkischen Außenminister in Antalya. Foto: epa/Cem Ozdel / Türkisches Außenministerium

ANTALYA: Die Erwartungen an das erste Treffen hochrangiger Vertreter Kiews und Moskaus im Ukraine-Krieg sind niedrig. Auf Vermittlung der Türkei kommen Russlands Chefdiplomat Lawrow und sein ukrainischer Kollege Kuleba zusammen. Danach äußern sie sich - getrennt voneinander.

Das Interesse am ersten Treffen ranghoher Vertreter der Konfliktparteien zwei Wochen nach Beginn des Ukraine-Kriegs ist riesig. Aber die Erwartungen an das Gespräch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow an diesem Donnerstag im türkischen Badeort Antalya können niedriger nicht sein. Nach anderthalb Stunden ist klar: Die Chefdiplomaten fahren ohne greifbare Ergebnisse nach Hause.

Statt der von Moskau geforderten Kapitulation gibt es eine Kampfansage aus Kiew. Kein Waffenstillstand. Und auch Fortschritte bei der Einrichtung humanitärer Korridore an den von russischen Truppen belagerten ukrainischen Städten lassen auf sich warten. Bei getrennten Pressekonferenzen, Journalisten müssen sich für eine Seite entscheiden, wird schnell klar, dass ein Frieden nicht in Sicht ist. Lawrow macht der ukrainischen Seite Vorwürfe, Kuleba der russischen. Beide sprechen unaufgeregt und ruhig.

Kuleba, der auf eine Krawatte verzichtet, nennt die Gespräche schwierig. Lawrow beklagt, dass mit der ukrainischen Seite wie immer nur schwer etwas zu vereinbaren sei. Die beiden wollen zwar im Gespräch bleiben. Auch ein mögliches direktes Gespräch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Kremlchef Wladimir Putin wird nicht ausgeschlossen. Doch überlassen beide Seiten zu Beginn der dritten Kriegswoche nun erst einmal wieder die Verhandlungen ihren Delegationen in Belarus, die sich dem Vernehmen nach auf ihr viertes Treffen vorbereiten.

Auch dabei soll es dann wieder um eine Waffenruhe und um Fluchtrouten insbesondere für die belagerte Hafenstadt Mariupol gehen. Gleich dreimal wird Lawrow von westlichen Journalisten gefragt zu einem international verurteilten Angriff auf eine Geburtsklinik in der Stadt am Asowschen Meer. Er behauptet, Kinder, Frauen und Schwestern seien dort nicht mehr gewesen, sondern nur radikale Kämpfer ukrainischer Nationalisten vom «Bataillon Asow». Der ukrainische Präsident Selenskyj weist das später per Video als Lüge zurück.

«Wir stimmten darüber ein, die Anstrengungen fortzusetzen, um eine Lösung für die humanitären Fragen zu suchen», sagt Kuleba in Antalya gefasst. Der 40-Jährige beklagt, die russische Seite knüpfe eine Waffenruhe an Forderungen, darunter Gebietsabtretungen und einen neutralen Status des Landes. Der Diplomat lehnt dies ab und betont: «Die Ukraine hat sich nicht ergeben, ergibt sich nicht und wird sich nicht ergeben!» Kiew sei bereit für diplomatische Lösungen. «Doch solange es diese nicht gibt, werden wir selbstaufopfernd unser Land, unsere Menschen vor der russischen Aggression verteidigen.»

Lawrow weist auf Fragen westlicher Journalisten einmal mehr zurück, dass Russland die Ukraine überfallen habe. Er wiederholt die auch von Putin und den vom Kreml gesteuerten Staatsmedien gepflegte Legende, Moskau verteidige im Nachbarland die Interessen der russischsprachigen Bevölkerung und seine eigene Sicherheit. Lawrow spricht zudem lange von der Gefahr biologischer Waffen, mit denen die USA in der Ukraine experimentierten. Washington weist diese Vorwürfe Moskaus zurück.

Bei den Gesprächen sei es auch um die Sicherheit atomarer Objekte in der Ukraine gegangen, sagt Kuleba. «Ich sagte ihm, dass vor dem Eintreffen russischer Soldaten auf dem Gebiet der Ukraine alles in Ordnung mit unseren Atomkraftwerken gewesen ist.» Kiew sei ein verantwortungsvoller Partner bei der Atomsicherheit. Russische Vorwürfe zu einer geplanten ukrainischen atomaren Aufrüstung bezeichnet Kuleba als «Lüge».

Russland ziehe sich am besten zurück - bedingungslos, dann werde alles gut, sagt Kuleba. Die Russen aber werden bleiben, wie Lawrow betont. Die militärische «Spezial-Operation», die in Russland nicht Krieg genannt werden soll, laufe nach Plan.

Am Ende kann nur die Türkei für sich einen Erfolg verbuchen, es geschafft zu haben, die Kriegsparteien zusammen zu bringen. Das türkische Staatsfernsehen zeigt den sichtlich zufriedenen Außenminister Mevlüt Cavusoglu als Gastgeber an den U-förmig angeordneten Tischen. Lawrow und Kuleba sitzen sich direkt gegenüber, Cavusoglu dazwischen. Vor und nach den Gesprächen wollen die beiden Gäste gemeinsame Bilder offenbar vermeiden.

Das Nato-Land Türkei mit Seegrenzen zu beiden Ländern im Schwarzen Meer hat sich immer wieder als Vermittler in dem Konflikt angeboten. Ankara pflegt sowohl enge Beziehungen zu Moskau als auch zu Kiew. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Einmarsch Russlands zwar scharf kritisiert, aber immer auch betont, keinen der Partner aufgeben zu wollen. Und die Türkei beteiligt sich zur Freude Russlands nicht an westlichen Sanktionen gegen die Rohstoffgroßmacht.

Von Russland ist die Türkei etwa bei Energie- und Getreideimporten abhängig. Zudem sind beide auf anderen Konfliktfeldern wie Syrien und Libyen - wo sie unterschiedliche Seiten unterstützen - aktiv. Kiew wiederum ist Abnehmer türkischer Kampfdrohnen, die künftig auch in der Ukraine produziert werden könnten. Dass das erste Treffen auf dieser Ebene nun tatsächlich die Türkei für sich verzeichnet, dürfte Erdogan für sich und seine Regierung als diplomatischen Erfolg verbuchen können. Es habe 40 Telefonate seinerseits und 19 von Seiten Erdogans gebraucht, um das hinzukriegen, ließ Cavusoglu wissen.

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