K wie Klamotten

Shorts und ein T-Shirt – fertig. Damit ist der Farang in Thailand schon angezogen. Wo bitte gibts in dieser Hinsicht mehr Freiheit? Während man sich in kälteren Gefilden täglich kiloweise Textilien überstülpen muss und am Ende noch beim Sockenyoga das Gleichgewicht verliert, ist man hier in einer Minute angezogen. Gilt allerdings nur für Männer.

Meine Frau hat gefühlte 50 Paar Schuhe und ich bin froh, dass wenigstens in der Küche noch kein Kleiderschrank steht. Sie besitzt auch ein halbes Dutzend Bikinis und Badeanzüge, obwohl sie einen großen Bogen um jeden Pool macht und sich vor den Wellen im Meer fürchtet. Die große Auswahl an Badeanzügen nimmt sie raffiniert zum Vorwand, um nicht schwimmen zu müssen. Sie probiert zuhause vor dem Spiegel einen nach dem anderen aus und kann sich für keinen entscheiden. Wenn ich dann nach zwei Stunden zurück bin, steht sie immer noch da. Nach dieser Logik steht dem Kauf eines weiteren nichts im Wege. Immerhin fragt sie mich, ob ihr der neue Bikini gut stehen würde, falls sie ihn je anziehen würde.

Leben ohne Socken-Yoga

Einen Nachbarn hat das Schicksal aber ungleich härter getroffen. Seine Thai-Freundin Dau überrumpelte ihn mit einer Eingebung aus heiterem Himmel: Lass uns einen Fashion-Shop eröffnen! Sie malte in allen erdenklichen Farben aus, wie sie den Markt in Hua Hin mit einer eigenen Kollektion beglücken würde, schließlich sei eine Tante von ihr Schneiderin – oder mal gewesen. Man könne ja mit einem kleinen Geschäft beginnen.

Gesagt getan: Sie wählten ein kleines Lokal an der verkehrsreichen Straße, die zum Bahnhof führt. Dort gibt es zwar keine Trottoirs, also keine Möglichkeit zum Flanieren, dafür eine endlose Schlange von Motorrädern, Last- und Personenwagen, denen nur danach ist, diese Strecke so geräuschvoll wie möglich hinter sich zu bringen und die Umgebung mit einer Wolke aus Abgasen und Dieselruß einzunebeln.

Die Einrichtung ging erstaunlich rasch vonstatten. Schon zwei Wochen später erhielten wir eine Einladung zur Geschäftseröffnung. Der Termin musste allerdings mehrmals verschoben werden, weil ein Mönch einen Glückstag für die Eröffnung auspendeln sollte und offenbar Mühe damit hatte – mit dem Tag, nicht mit dem Pendel.

Eingebung aus heiterem Himmel

Dann war es endlich soweit. Wir fuhren mit dem Motorrad zur genannten Adresse, fanden aber keine Parkmöglichkeit beim Lokal selbst und versuchten auf der gegenüberliegenden Seite unser Glück. Das dauerte. Es war Rush Hour und dunkel, wie sind wir da rüber- und erst recht wieder zurückgekommen? Und es drängte sich ein Gedanke auf: Wie revolutionär müsste eine Kollektion beschaffen sein, damit jemand sein Leben riskiert, um hierher zu gelangen? Hat Lagerfeld es etwa versucht und ist dabei umgekommen? Das wäre die ultimative Werbung für das Unternehmen gewesen.

Der Shop lag zwei Stufen über der Straße und hatte eine Grundfläche von ca. 5x5 Metern. Die Schaufensterfront war hell erleuchtet, aber noch ohne Auslagen, als sollte hier Neonlicht und keine Kleider verkauft werden. An den Wänden hingen Hosenanzüge in Grau- und Erdtönen, in der Mitte stand ein Gestell mit Blusen, Skirts und Shorts in allen Nuancen von Schwarz bis Dunkelblau.

Die Geschäftsführerin war damit beschäftigt, weitere Kleider aufzuhängen, ein Baby krabbelte zwischen ihren Beinen und der Garderobe herum. Der Chef war nicht da. Offenbar war er damit beschäftigt, das Bankkonto wieder aufzufüllen.

Beide Frauen begannen sofort, sich lebhaft nach Thai-Art zu unterhalten. Ich setzte mich auf einen Hocker und schaute dem Baby zu, das sich an einer Hose festgekrallt hatte und sich daran aufzurichten versuchte.

Restposten von Mao-Uniformen?

Das war zu viel. Die Garderobe begann zu kippen und riss in einer Art Dominoeffekt alle Gestelle mit. Innerhalb von Sekunden lag mir die halbe Boutique zu Füßen. Dabei hatte ich Gelegenheit, die Auswahl näher zu betrachten und wunderte mich über die spartanische Machart und die groben Stoffe. Hat Dau einen Restposten Mao-Uniformen aus China einfliegen und in einem Frauenknast im Form schneidern lassen?

Vielleicht ist sie einfach der Zeit voraus und will den Dino-Look lancieren, bevor es Chanel tut.

Das Baby wischte sich ein Hosenbein aus dem Gesicht und lachte. Die beiden Frauen lachten auch erleichtert auf, stellten die Ständer wieder auf und hängten die Kleider ein. Die ganze „Chose“ blieb wackelig wie zuvor. Der erste Kunde wird sich wundern, falls es denn je einen gibt, denn wir waren an der „Eröffnungsparty“ die einzigen Besucher. Ich kaufte eine der Mao-Blusen aus Solidarität, sie ist jetzt bereits wieder Richtung China unterwegs, bei Verwandten meiner Frau nahe der laotischen Grenze.

PS: Schon nach zwei Wochen stand an der Ladentür ein Schild: „Today closed“. Es ist jetzt zwei Monate her und es steht immer noch dort. Ein ziemlich langer Tag.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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JoHu 05.08.19 07:00
@Thomas Schiffer
Ach deswegen haben Sie hier kein Bild eingestellt? Ich zwar auch nicht, aber das hat andere Gründe. Donnerwetter, bei so 4 x im Jahr scheinen Sie`s ja ganz schön nötig zu haben. Darf ich fragen, durch welche "Shops" Sie dabei überwiegend pilgern?
Ireen Spycher Wuerth 04.08.19 16:17
Danke
Danje, Khun Resjek, für die humorvollen, guten Beschreibungen des täglichen Thailebens. Es ist immer wieder eine Freude, sie zu lesen und erheitert deutlich meinen Alltag!
Herzliche Grüsse aus dem tiefen Süden!