Justizthriller und Familiendrama

John Grishams «Das Bekenntnis»

Foto: epa/Etienne Laurent
Foto: epa/Etienne Laurent

BERLIN (dpa) - John Grisham begeistert mit seinen Justizthrillern regelmäßig Millionen. Auch in seinem neuen Roman «Das Bekenntnis» steht ein Prozess im Mittelpunkt. Aber diesmal ist der gesellschaftliche Hintergrund der Geschichte besonders kritisch und wichtig.

Dramatisch beginnt der neue Roman von John Grisham. Auf der ersten Seite kommt Pete Banning, ein angesehener Farmer im Süden der USA, zu einem fatalen Entschluss: «Es war Zeit für den Mord. Solange er den Mord nicht beging, war er nicht er selbst.» Und er ist konsequent. An diesem Morgen im Jahr 1946 fährt er in die Kleinstadt, in deren Nähe seine Familie seit Generationen lebt, und erschießt den Pastor der Kirche in seinem Büro. Dann fährt er, als ob nichts Besonderes passiert wäre, wieder auf seine Farm.

Niemand in der Kleinstadt Clanton im Bundesstaat Mississippi, in der John Grisham schon mehrere seiner Romane angesiedelt hat, kann glauben, dass der als Kriegsheld hoch angesehene Banning scheinbar ohne Motiv den Geistlichen erschossen hat. Aber es gibt einen Zeugen, der Banning mit der Waffe in der Hand aus dem Büro des Toten kommen sah, und der Farmer weigert sich beharrlich, etwas zu erklären.

Natürlich kommt es zum Mordprozess, und hier reiht sich «Das Bekenntnis» in die Tradition von Grishams Justizromanen ein. Aber der Roman spielt in einer Kleinstadt tief im amerikanischen Süden, und Grisham zeigt eine Welt, in der 1946 Recht und Gerechtigkeit viel damit zu tun haben, wer man ist.

In einem Interview mit der Zeitung «Mail on Sunday» erzählte Grisham, Jahrgang 1955, wie er selbst in einer solchen Umgabung aufwuchs: «Als ich jung war, gab es immer wieder Lynchmorde. Wir lebten in einer Welt, in der Kirche, Schule und auch das Elternhaus immer wieder betonten, dass die Weißen immer das Sagen haben und die Schwarzen ihren niedrigen Platz behalten würden.»

Im ersten Teil des Romans ist Grisham ganz der Alte. Er zeigt die Anwälte bei ihren Versuchen, die andere Seite auszustechen und die Interessen ihrer Mandanten gegen alle Widerstände durchzusetzen. Nach einigem Hin und Her gibt es ein Urteil. Aber immer noch bleibt die Frage offen, warum Pete Banning den Pastor erschossen hat.

An sich könnte der Roman mit dem Urteil enden, aber er ist noch nicht einmal halb vorbei. In zwei weiteren Abschnitten erzählt Grisham ausführlich von Bannings Erlebnissen während des Zweiten Weltkriegs sowie von den Folgen des Urteils für Bannings Familie.

Bannings Kriegserlebnisse zeigen das harte Los amerikanischer Soldaten im Kampf gegen die Japaner auf den Philippinen. Ausführlich erzählt Grisham von Kriegsgräueln, Kämpfen, Krankheiten und Verwundungen. Schlimmste Entbehrungen müssen Banning und seine Kameraden erleiden, bevor sie wieder nach Hause konnten. Umso unverständlicher bleibt Bannings Verhalten ein Jahr nach seiner Rückkehr. Ansonsten tragen die 180 Seiten wenig zur Erzählung bei.

Erst im dritten Teil des Romans kommt der vertraute John Grisham wieder zum Vorschein. Die Familie Banning muss sich gegen Schadenersatzforderungen wehren und mehrere Prozesse führen. Passenderweise studiert Bannings Sohn Jura und kann so gemeinsam mit den Lesern die verschlungenen Wege der amerikanischen Justizpraxis kennenlernen.

Beim Versuch, den Familienbesitz zusammenzuhalten und das Verhalten ihres Vaters zu verstehen, kommen die Banning-Kinder immer mehr dahinter, dass die konservativen und rassistischen Traditionen der Region auch hier ihren unheilvollen Einfluss ausüben. Grisham kritisiert diese Gesellschaft, der er selbst entstammt, zwar zurückhaltend, aber doch eindeutig.

In «Das Bekenntnis» vertraut John Grisham auf bewährte Erzähltradition und ergänzt diese um eine gesellschaftliche Analyse, die für ihn neu ist. Nicht alles am Roman ist gelungen. Das Buch ist viel zu lang, und die Spannung lässt zwischendurch immer wieder nach. Erst ganz am Schluss wird das Rätsel um den Grund für den Mord gelöst. Der Weg zur Lösung bringt interessante Einsichten in die Gesellschaft des amerikanischen Südens. Der Roman spielt vor 70 Jahren, aber manche Kritik gilt auch für die Gegenwart.

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