PEKING: Vor dem Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 in China haben Angehörige der Opfer eine gerechte Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der chinesischen Geschichte gefordert. In einem Appell forderte die «Mütter von Tian'anmen» genannte Vereinigung der Familien, dass sie die Wahrheit über den Militäreinsatz erfahren, Entschädigung erhalten und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
«Auch wenn wir keine Hoffnung sehen, werden wir nicht aufgeben», hieß es am Freitag in dem Schreiben, dass die in den USA ansässige Menschenrechtsorganisation «Human Rights in China» veröffentlichte. «Wir warten darauf, dass die Regierung sich bei den Familien aller Opfer entschuldigt und dem Volk gegenüber ihr Bedauern über das Massaker von 1989 ausspricht.» 116 Personen haben den Appell zum Jahrestag an diesem Sonntag unterzeichnet.
Bei dem gewaltsamen Einsatz der Volksbefreiungsarmee gegen friedliche Demonstranten um den Platz des Himmlischen Friedens (Tian'anmen) in Peking waren damals einige hundert Menschen ums Leben gekommen. Die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt. Tausende wurden verletzt und inhaftiert. Auch 34 Jahre später ist das Massaker in China weiter ein Tabuthema, die Familien können nur in aller Stille trauern.
Bis 2019 kamen in Hongkong zum Jahrestag immer noch Zehntausende zu einer Kerzenandacht zusammen. Doch die Führung in Peking hat ihre Kontrolle über die eigentlich autonom verwaltete chinesische Sonderverwaltungsregion verschärft und verfolgt die Opposition seit 2020 mit vage formulierten Sicherheitsgesetzen, die ihr weitreichende Spielräume für Repressionen eröffnen. Die Organisation hinter dem jährlichen Gedenken musste sich 2021 auflösen, nachdem mehrere ihrer führenden Aktivisten in Haft genommen worden waren.
Im Viktoria-Park, wo die Kerzenandacht immer stattgefunden hatte, veranstalten prochinesische Vereinigungen an diesem Wochenende stattdessen einen Jahrmarkt. An mehr als 200 Ständen werden Produkte aus verschiedenen chinesische Provinzen angeboten.