Innenminister provoziert mit Hafensperre

Der italienische Innenminister Matteo Salvini. Foto: epa/Ettore Ferrari
Der italienische Innenminister Matteo Salvini. Foto: epa/Ettore Ferrari

ROM/BERLIN (dpa) - Der Umgang mit Migranten ist ein Reizthema unter den EU-Staaten. Italien, bislang Hauptanlaufpunkt für gerettete Bootsflüchtlinge, will einen Kurswechsel. Innenminister Salvini sorgt damit für Unmut.

Europäische Marineschiffe sollen nach dem Willen des italienischen Innenministers Matteo Salvini künftig keine Migranten mehr nach Italien bringen können. «Warum sollten alle geretteten Migranten in Italien ankommen?», fragte Salvini rhetorisch in einem Zeitungsinterview von Montag. Für private Seenotretter hat Italien bereits eine Hafensperre verhängt.

Salvini, der auch Chef der rechten Lega ist, fordert, dass nicht mehr alle Schiffe von EU-Missionen wie Themis oder Eunavfor Med Sophia, an der auch Deutschland beteiligt ist, automatisch in Italien einlaufen. Er will das Thema beim EU-Innenministertreffen am Donnerstag in Innsbruck auf den Tisch bringen.

Ob er sich damit durchsetzt, bleibt abzuwarten, denn der Minister erntete auch innerhalb der populistischen Regierung Widerspruch. Lokale Medien zitierten Äußerungen aus dem Verteidigungsministerium, wonach über EU-Missionen nicht der Innenminister, sondern das Verteidigungs- und das Außenministerium entscheiden. Wenn solch ein Vorschlag nicht auf Regierungsebene koordiniert werde, erreiche man nichts außer Schlagzeilen, hieß es demnach. Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta gehört zur Fünf-Sterne-Bewegung. Der parteilose Außenminister Enzo Moavero Milanesi versicherte: «Wir ziehen uns nicht aus unseren internationalen Verpflichtungen zurück.»

Der Chef der Sterne-Bewegung, Vizeministerpräsident Luigi Di Maio, schlug sich allerdings auf Salvinis Seite. Italien wolle die Regeln für internationale Einsätze ändern. «Diese Schiffe europäischer Missionen müssen die Migranten in alle europäischen Häfen bringen, nicht nur in die italienischen», sagte er im Radio 1.

Insgesamt wurden mit der Operation Sophia mehr als 49.000 Menschen aus Seenot gerettet, wie es auf der Webseite der Bundeswehr hieß. Deutsche Soldaten retteten demnach fast 23.000 Menschen aus Seenot.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte, für die Operation Sophia habe die Ankündigung aus Italien zunächst keine praktischen Konsequenzen. «Das heißt, die Operationsführung wird weiterhin verantwortlich sein zusammen mit dem Rettungszentrum in Rom, gegebenenfalls Flüchtlinge in die entsprechenden sicheren Häfen zu verbringen.» Die Rettung Schiffbrüchiger sei «Seemannspflicht».

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte, grundsätzlich sei jener Staat, der eine Rettungsaktion koordiniert, auch dafür zuständig, einen sicheren Hafen zu bestimmen. Sophia werde zwar von Italien geführt. Der sichere Hafen müsse deshalb jedoch nicht in Italien, sondern könne auch in einem anderen EU-Land liegen.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel zeigte Verständnis für Salvini. Sie sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die Menschen, die an Bord genommen werden, sollten an den Ausgangsort zurückgebracht werden - also zurück an die afrikanische Küste. Man muss der gesamten Schlepperindustrie die Anreize nehmen, und das geht eben nur, indem man diese Routen dicht macht.»

In der Union sorgte die Ankündigung des italienischen Innenministers indes für Unmut. Die EU-Regierungschefs hätten erst vor wenigen Tagen Maßnahmen für einen solidarischen Umgang mit aus Seenot geretteten Menschen beschlossen, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, der Deutschen Presse-Agentur. Dadurch werde gerade Italien entlastet.

In einer solchen Situation nun «einseitig zu Lasten anderer Mitgliedstaaten» zu handeln, anstatt sich mit aller Kraft für die Umsetzung dieses Beschlusses einzusetzen, sei «nicht in Ordnung», fügte er hinzu. Der CDU-Abgeordnete betonte: «Wer Solidarität fordert, darf selbst nicht auf Kosten anderer handeln.»

Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) dürfte in seinem «Masterplan» an diesem Dienstag Bezug nehmen auf die EU-Beschlüsse. Demnach sollen Migranten, die die EU erreichen, in «kontrollierten Zentren» untergebracht und auf freiwilliger Basis unter den EU-Staaten verteilt werden. Seehofer will früheren Entwürfen zufolge außerdem Asylverfahren beschleunigen und Integrationsanstrengungen überwachen.

Am Mittwoch, dem Vorabend eines Treffens der EU-Innenminister im österreichischen Innsbruck, will Seehofer Salvini zu einem Zweiergespräch treffen und über mögliche Vereinbarungen zur Rücknahme von Flüchtlingen sprechen. Um das Innenminister-Treffen abzusichern, kontrolliert Österreich seit der Nacht zum Montag mehrere Grenzübergänge auch zu Deutschland. Betroffen von den fünftägigen Kontrollen sind der Brenner und Übergänge von Deutschland zum österreichischen Bundesland Tirol. Zu Behinderungen kam es dabei am Montag kaum.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.