Israels Regierung will Weg zu Neuwahlen ebnen

Grafik: DER FARANG
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JERUSALEM: In Israel dürfte mal wieder eine Wahl anstehen. Das kommt einem gerade recht: Der angeklagte Ex-Regierungschef Netanjahu arbeitet schon lange am Zusammenbruch der Koalition, um wieder an die Macht zu kommen. Aber der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.

Israel kehrt mit der geplanten Auflösung des Parlaments zurück in den politischen Krisenmodus, aber einer triumphiert: Ex-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spekuliert dank der Turbulenzen auf ein Comeback. Israels angeschlagenes Regierungsbündnis, das ihn einst um das Amt des Premiers brachte, gibt auf. Das Parlament soll nach Willen von Noch-Ministerpräsident Naftali Bennett nun über die Auflösung abstimmen. Damit wäre der Weg frei für eine Neuwahl. Netanjahu feierte die Nachricht über das Aus der «schlimmsten Regierung in der israelischen Geschichte».

Die Acht-Parteien-Koalition hatte zuletzt keine Mehrheit mehr in der Knesset und scheiterte zudem an einer wichtigen Abstimmung. Das Bündnis besteht aus rechten, linken und erstmals auch einer arabischen Partei. Vorübergehend soll nun Außenminister Jair Lapid den Posten des Ministerpräsidenten übernehmen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Den Regierungschef-Posten will sich nun Netanjahu wieder sichern. Der wegen Korruption angeklagte Oppositionschef war vor dem Zusammenschluss des Acht-Parteien-Bündnisses mehr als ein Jahrzehnt Ministerpräsident gewesen. Auch wenn er einigen Israelis verhasst ist - laut Umfragen könnte Netanjahus Likud-Partei bei einer neuen Parlamentswahl wieder stärkste Kraft werden. Seine Rückkehr an die Macht ist aber alles andere als sicher. Im schlimmsten Fall könnte die Wahl für «Bibi», wie er in Israel auch genannt wird, sogar das politische Aus bedeuten.

«Seine Position ist im Vergleich zur vergangenen Wahl geschwächt», sagt Jonathan Rynhold, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv. Grund dafür sei, dass nun mit Lapid ein Premier von der moderaten Zukunftspartei so lange an der Macht bleibe, bis eine neue Regierung vereidigt wird. Das wiederum setze die rechten Parteien unter Druck, sich zu einer Koalition zusammenzuschließen und selbst den Posten zu stellen. Dafür bräuchte es aber auch Parteien, die eine Zusammenarbeit mit dem angeklagten Netanjahu bislang ablehnen. «Das wird den Druck, Bibi loszuwerden, erhöhen», sagt Rynhold. Ob seine Likud-Partei ihn tatsächlich fallen lassen würde, sei dem Politikwissenschaftler nach aber alles andere als sicher.

Die Wahl könnte Ende Oktober stattfinden. Es wäre die fünfte innerhalb von dreieinhalb Jahren. Die vergangenen Wahlen hatten zu keinen klaren Mehrheitsverhältnissen geführt und Regierungsbildungen scheiterten häufig. Bei ihrem Zusammenschluss einte die unterschiedlichen Kräfte der aktuelle Regierung vor allem die Abneigung gegen Netanjahu. In der Regierung einen einheitlichen Kurs zu finden, war deshalb oft nicht einfach.

Die Koalition ist seit Juni vergangenen Jahres an der Macht gewesen. Im April hatte die politische Zweckgemeinschaft ihre hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Sitze verloren, weil eine Abgeordnete der Koalition den Rücken gekehrt hatte. Mehrere Terrorangriffe in Israel mit zahlreichen Toten schwächten das Bündnis zusätzlich - die Israelis legen großen Wert auf die Sicherheit im Land.

Zuletzt scheiterte die Regierung daran, eine gesetzliche Regelung für die israelischen Siedler in den besetzten Palästinensergebieten zu verlängern. Die mehrheitlich rechtsorientierte Opposition unter «Bibis» Führung war zwar grundsätzlich für eine Verlängerung, blockierte sie aber trotzdem, um die Regierung unter Druck zu setzen. «Wir haben alles getan», sagte Bennett über Versuche, die Koalition noch zu retten. Unter ihrer Führung war es dem Parlament erstmals seit Jahren gelungen, einen Haushalt zu verabschieden. Netanjahus Regierung war an dieser Aufgabe gescheitert.

Nun sei Israels schlimmste politische Krise wieder zurück, warnt der Direktor des Israelischen Demokratie-Instituts, Jochanan Plesner. Der Zusammenschluss der Acht-Parteien-Koalition habe sie nicht beendet. «Diese anhaltende Krise wird nicht aufhören, ehe Israels Führer ihre politischen Differenzen nicht beilegen und längst überfällige Wahl- und Verfassungsreformen erlassen.»

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