TEL AVIV: Ungeachtet massiver Proteste schreitet die umstrittene Justizreform in Israel rasch weiter voran. Das Parlament in Jerusalem billigte am Montagabend nach stundenlangen Debatten eine Gesetzesänderung, die es deutlich schwerer machen soll, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. 61 von 120 Abgeordneten stimmten in erster Lesung dafür und 51 dagegen. Der Rest war abwesend oder enthielt sich. Bis die Änderung in Kraft tritt, sind noch zwei Lesungen notwendig. Nach Medienberichten will die rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu noch in diesem Monat Kernelemente der kontroversen Reform im Schnellverfahren durchsetzen.
Der Entwurf legt fest, dass für die Amtsenthebung eines Ministerpräsidenten eine Dreiviertelmehrheit im Parlament notwendig wäre. Diese Enthebung wäre zudem nur wegen psychischer oder anderer Gesundheitsgründe möglich. Mit dem Schritt soll eine Einflussnahme des Höchsten Gerichts oder der Generalstaatsanwaltschaft bei einer Amtsenthebung verhindert werden.
Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara hatte gewarnt, diese Änderung könne zu «absurden Situationen» führen. Sie würde ein «schwarzes Loch» schaffen, weil sie jegliche juristische Aufsicht verhindere.
In der Nacht zum Dienstag waren im Parlament zudem eine Debatte und Abstimmung über weitere Teilaspekte der Justizreform geplant. Die Änderungen sollen es dem Parlament ermöglichen, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem soll die Fähigkeit des Höchsten Gerichts einschränkt werden, einfache Gesetze aufzuheben.
Seit zehn Wochen gibt es massive Proteste gegen die Justizreform, Bemühungen um einen Kompromiss waren aber bisher erfolglos. Es mehren sich die Warnungen, Israel steuere auf eine gefährliche Staatskrise hin.