Israel marschiert im Südlibanon ein - Hisbollah kampfbereit

Israels Artilleriegeschosse schlagen in der Nähe von Dörfern im Südlibanon entlang der Grenze zu Israel ein. Foto: epa/Atef Safadi
Israels Artilleriegeschosse schlagen in der Nähe von Dörfern im Südlibanon entlang der Grenze zu Israel ein. Foto: epa/Atef Safadi

TEL AVIV/BEIRUT: Die bereits erwartete Bodenoffensive Israels im Libanon beginnt. Die Hisbollah zeigte sich zuvor kampfbereit. Auch anderorts schweigen die Waffen nicht. Wie weit wird die Lage eskalieren?

Mit einer in der Nacht gestarteten Bodenoffensive Israels gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon hat die Lage in Nahost eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die israelische Armee sprach von «begrenzten» Angriffen auf Ziele in Grenznähe und nannte diese eine unmittelbare Bedrohung für Gemeinden in Nordisrael. Israels Luftwaffe bombardierte am späten Abend zudem erneut Ziele nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut. Die Lage im Libanon ist dramatisch: Nach libanesischen Angaben kamen innerhalb von 24 Stunden fast 100 Menschen im Land ums Leben. Unterdessen flogen auch auf Israel wieder Raketen. Die USA warnten indes den Iran vor Vergeltungsschlägen.

Bodentruppen von Luftwaffe und Artillerie unterstützt

Israels Armee teilte auf X mit, vor einigen Stunden habe man «mit begrenzten, lokalisierten und gezielten Bodenangriffen auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen gegen terroristische Ziele und Infrastruktur der Hisbollah im Südlibanon» begonnen. Diese Ziele der proiranischen Schiiten-Miliz befänden sich in grenznahen Dörfern und stellten eine unmittelbare Bedrohung für israelische Gemeinden in Nordisrael dar.

Die israelische Luftwaffe und die Artillerie unterstützten die Bodentruppen mit präzisen Angriffen auf militärische Ziele in diesem Gebiet. Die Armee tue alles, was notwendig sei, um die Bürger Israels zu verteidigen und die Bürger Nordisraels in ihre Häuser zurückzubringen. Die Operation werde parallel zu den Kämpfen im Gazastreifen gegen die Hamas und in anderen Gebieten fortgesetzt. Für den Einsatz seien die Soldaten in den vergangenen Monaten trainiert worden. Israel will die Rückkehr von 60.000 Israelis ermöglichen, die seit Monaten durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden.

Hisbollah zeigte sich kampfbereit

Am Montag hatte sich erstmals nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah die Spitze der islamistischen Miliz zu Wort gemeldet und ihre Kampfbereitschaft signalisiert. «Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet», sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. «Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit.» Wer die Hisbollah anführen soll, sagte er nicht.

Raketen und Drohnen auch Richtung Israel

Auf Israel flogen auch am frühen Dienstagmorgen Raketen. Die Armee teilte auf Telegram mit, in Gegenden in Nordisrael seien insgesamt etwa ein Dutzend Geschosse abgefangen worden. Einige seien im offenen Gelände abgestürzt. Zudem habe die Luftabwehr vor Kurzem eine Drohne Dutzende Kilometer vor der Küste Zentralisraels abgefangen, hieß es weiter. Die Hisbollah griff nahe der südlichen Grenze nach eigener Darstellung indes israelische Soldaten an. Diese hätten sich auf israelischer Seite in Obsthainen nahe der Grenze bewegt, hieß es am Abend. Infolge der Angriffe habe es auf israelischer Seite auch Opfer gegeben.

Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz hatte sich zuletzt dramatisch verschärft. Seit Tagen greift das israelische Militär massiv Ziele in dem Nachbarland an, nach eigener Darstellung unter anderem Waffenlager der Hisbollah. Der Libanon meldete Hunderte Tote und Verletzte. Am Freitag waren bei einem gezielten israelischen Luftangriff der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere Hisbollah-Kämpfer getötet worden.

Auch die Hisbollah schießt seit den neu entfachten intensiven Kämpfen an manchen Tagen Hunderte Raketen auf Israel. Die Miliz hat nach Ausbruch des Gaza-Kriegs ihre sogenannte «Solidaritätsfront» eröffnet und Tausende Raketen auf Israel abgefeuert.

Angriffe auch nahe Beirut und in Syrien

Auch nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut bombardierte die israelische Luftwaffe erneut Ziele. Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Abend von mindestens sieben schweren Explosionen und Erschütterungen in einem südlichen Vorort. Zuvor hatte ein Sprecher der israelischen Armee Einwohner der südlichen Vororte von Beirut über soziale Medien zum Verlassen ihrer Häuser und Wohnungen aufgefordert.

Bei einem israelischen Luftangriff auf die syrische Hauptstadt Damaskus wurden unterdessen einem Medienbericht zufolge drei Menschen getötet. Bei Angriffen auf mehrere Orte in der Stadt seien drei Zivilisten ums Leben gekommen und neun weitere verletzt worden, berichtete Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf eine Militärquelle am frühen Dienstagmorgen.

USA justieren angesichts angespannter Lage in Nahost nach

Die Bodenoffensive war erwartet worden. Israel hatte Washington nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass es sich dabei um «begrenzte Operationen» handele, die sich auf «die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze» konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Vor Beginn der israelischen Bodenoffensive hatte die libanesische Armee laut Militärkreisen Soldaten von der Grenze zurückgezogen. Mehrere Gegenden in Nordisrael wurden zu militärischem Sperrgebiet erklärt.

Das Pentagon erklärte am Abend, seine militärischen Fähigkeiten im Nahen Osten angesichts der aktuellen Lage entsprechend auszurichten. «Wir haben die Einsatzbereitschaft zusätzlicher US-Kräfte erhöht, um auf verschiedene Eventualitäten zu reagieren», sagte Sprecherin Sabrina Singh. Demnach würden bereits im Nahen Osten stationierte Truppen länger im Einsatz bleiben. Ursprünglich zu deren Ersatz vorgesehene Truppen würden zur weiteren Verstärkung hinzugezogen. Es gehe insbesondere um die Verteidigung aus der Luft.

USA warnen Iran

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach nach Beginn der Bodenoffensive eine Warnung Richtung Iran aus. Er schrieb auf der Plattform X nach einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant : «Ich habe erneut auf die schwerwiegenden Konsequenzen für den Iran hingewiesen, falls dieser sich zu einem direkten militärischen Angriff auf Israel entschließen sollte.» Er habe deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützen.

Lage im Libanon dramatisch

Zehntausende Libanesen flohen aus ihren Dörfern und Städten. Viele harren in der Hauptstadt Beirut aus. Die jüngste Eskalation dürfte bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken. Die Vereinten Nationen hatten Israel eindringlich vor einer Bodenoffensive gewarnt.

Botschaftspersonal ausgeflogen

Angesichts der sich verschärfenden Lage flog ein Flugzeug der Luftwaffe Botschaftspersonal aus Beirut aus. An Bord der Bundeswehrmaschine waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes rund 110 Passagiere. Sie landete am Abend in Berlin auf dem Hauptstadtflughafen BER, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte. Großbritannien charterte für die Ausreise seiner Bürger ein Flugzeug, das am Mittwoch starten soll.

Ãœberzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.