IS reklamiert Berliner Anschlag für sich - Täter nicht gefasst

Foto: epa/Michael Kappeler
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BERLIN (dpa) - Wo ist der Attentäter von Berlin? Keine 24 Stunden nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt kommt ein Verdächtiger frei. Sollte tatsächlich die Terrormiliz IS hinter der Bluttat stecken, wäre dies der erste große islamistische Anschlag in Deutschland.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Angriff auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin für sich in Anspruch genommen. Das IS-Sprachrohr Amak meldete am Dienstag im Internet, ein IS-Kämpfer sei für den Angriff verantwortlich gewesen. Der oder die Attentäter waren noch nicht gefasst. Der Verdächtige, der am Montagabend kurz nach dem Anschlag an der Gedächtniskirche festgenommen worden war, wurde wieder freigelassen.

Die bisherigen Ermittlungsergebnisse hätten keinen dringenden Tatverdacht ergeben, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt sagte, es sei möglich, dass der gefährliche Täter noch im Raum Berlin unterwegs sei. Man sei «hochalarmiert», sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch.

Sollte sich bestätigen, dass der IS hinter dem Attentat steht, wäre dies der erste große islamistische Anschlag in Deutschland. Zwar hatte der damals 21-jährige Islamist Arid Uka schon 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten getötet. Eine so große Opferzahl wie in Berlin gab es bisher aber auf deutschem Boden nicht.

Möglicherweise verhinderte der polnische Lkw-Fahrer, der beim Attentat auf dem Beifahrersitz saß, sogar noch Schlimmeres. Die Obduktion habe ergeben, dass er zum Zeitpunkt des Anschlags noch lebte, berichtete die «Bild»-Zeitung online. Ein Ermittler habe von einem Kampf gesprochen. Auch von Messerstichen ist die Rede. Nach dem Attentat hatte man den Polen tot im Lkw gefunden. Nach dpa-Informationen wurde er mit einer kleinkalibrigen Waffe erschossen, von der bislang jede Spur fehlt. Der Mann arbeitete für die Speditionsfirma, der der Sattelschlepper gehört.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) räumte am Abend im ZDF ein: «Es ist nicht auszuschließen, dass der Täter flüchtig ist.» Zugleich versicherte er, die Ermittler tappten keineswegs im Dunklen. Es gebe Ermittlungsansätze, die würden verfolgt. «Wir sollten die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit machen lassen. Die arbeiten mit Hochdruck. Und niemand wird ruhen, bis nicht der Täter oder die Täter gefasst sind», sagte er in der ARD.

Der Täter sei ein «Soldat des Islamischen Staates» gewesen, meldete das IS-Sprachrohr Amak. Die Operation sei eine Reaktion auf Aufrufe, die Bürger der Staaten der internationalen Koalition anzugreifen. Die Echtheit der Nachricht ließ sich zunächst nicht verifizieren. Sie wurde aber über die üblichen IS-Kanäle im Internet verbreitet. Auch die Form der Erklärung entspricht früheren Botschaften der Extremisten.

Laut Generalbundesanwalt Peter Frank ist bislang unklar, ob der Täter, der den Lastwagen in die Menschenmenge auf dem Breitscheidplatz gesteuert und zwölf Menschen getötet hat, alleine handelte oder eine größere Tätergruppe dahinter steckt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zutiefst erschüttert. Ein ganzes Land sei in Trauer vereint, sagte sie in Berlin. «Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt. Auch wenn es in diesen Stunden schwerfällt: Wir werden die Kraft finden für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen - frei, miteinander und offen.»

Am Montagabend war der vermutlich entführte Lastwagen in den Weihnachtsmarkt nahe der Gedächtniskirche im Herzen Berlins gerast. Einschließlich des Polen starben zwölf Menschen, rund 50 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Laut de Maizière konnten bislang erst sechs der Toten identifiziert werden. 14 Menschen rangen nach seinen Worten vom Dienstagnachmittag nach wie vor mit dem Tod. Unter den Toten seien möglicherweise Jugendliche und Ausländer.

Kurz nach dem Anschlag wurde ein 23 Jahre alter Mann festgenommen, der aus Pakistan kommen soll. Der Mann habe in seiner Vernehmung umfangreiche Angaben gemacht, eine Tatbeteiligung jedoch bestritten, erklärte die Bundesanwaltschaft am Dienstagabend. Augenzeugen hätten den Lastwagenfahrer nach dem Anschlag nicht lückenlos verfolgt, die kriminaltechnischen Untersuchungen hätten bislang keinen Beleg erbracht, dass der 23-Jährige im Führerhaus des Lastwagens gewesen sei. Im Führerhaus wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen blutverschmierte Kleidung gefunden, bei dem Festgenommenen dagegen nicht.

Merkel hatte vor seiner Freilassung erklärt, es wäre besonders schwer zu ertragen, wenn der Täter tatsächlich in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten haben sollte. «Dies wäre besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind und gegenüber den vielen Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und die sich um Integration in unser Land bemühen.»

Der Anschlag ruft Erinnerungen an die Terrorattacke von Nizza im Juli wach: Dort waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Mann mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeerstadt fuhr. Auch diesen Anschlag hatte der IS für sich reklamiert.

Nach dem Anschlag in Berlin forderte CSU-Chef Horst Seehofer eine Überprüfung und Neujustierung der Flüchtlingspolitik. «Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren», sagte der bayerische Ministerpräsident in München.

Bundespräsident Joachim Gauck beschwor den Zusammenhalt der freiheitlichen Gesellschaft. «Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen. Er wird unser Miteinander nicht spalten», sagte Gauck. «Unser Zusammenhalt wird nicht schwächer. Er wird stärker, wenn wir angegriffen werden.»

Die Weihnachtsmärkte in Deutschland sollen trotz des Anschlags weiter stattfinden. Die Innenminister von Bund und Ländern sprachen sich am Dienstag nach einer Telefonschalte gegen eine Absage aus. Mehrere Bundesländer überdenken allerdings ihre Sicherheitskonzepte, der Bundestags-Innenausschuss will am Mittwoch beraten. De Maizière blickte in der «Bild»-Zeitung nach vorn: «Wenn ich sage, dass wir uns unser freiheitliches Leben nicht zerstören lassen dürfen, gilt das auch für das Silvesterfest.»

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Jürgen Franke 23.12.16 10:18
Guten Tag Herr Platzer, grundsätzlich sollten wir
aber die Hoffnung nie aufgeben, um weiterhin nach vernünftigen Lösungen zu suchen. Andere Möglichkeiten haben wir nämlich nicht. Doch Sie haben bereits mit Ihrem letzten Satz die Antwort gegeben, denn Gewinnstreben steht überall an erster Stelle. Wir haben uns darauf einzustellen, dass die USA die stärkste Macht auf dieser Welt sein will. Dafür werden auch zukünftig ausreichend Dollars zur Verfügung stehen. Durch die weltweite Internetvernetzung ist es jedoch nicht mehr so einfach möglich, Länder und Menschen auf einander zu hetzen, um dann wieder als "Friedensstifter" auftreten zu können. Warten wir erst einmal die Regierungserklärung von Trump ab. Die atomare Aufrüstung, die viel Geld verschlingen wird, hat er bereits angekündigt.
Peter Platzer 22.12.16 22:43
@ Herr Franke - - Darf man noch hoffen und nach
Lösungen suchen? Ist das eine Entwicklung bei der die Weltbevölkerung aufgerufen ist Einhalt zu gebieten? Oder muss (der gemachte Terror) der als das bedingungslose Gewinnstreben des Kapitals entlarvt wurde, mit allen Mitteln, über alle Vorbehalte hinweg, als "Gott gegeben" akzeptiert und von der "sicheren" Seitenlinie aus über weiter folgende Attentate sinniert werden. Wenn man bedenkt das es hunderte von Menschen benötigt hat die bewusst aktiv wurden und tausende die bewusst wegschauten, damit zig tausende getäuscht wurden. - - Was, wenn jetzt sich herausstellen würde, das die Betonklötze bewusst am Berliner Weihnachtsmarkt nicht zum Einsatz kamen? Es ist ein globaler Verdrängungs-Wettbewerb zur Gewinnmaximierung. Was ist der Stolz, der Antrieb, das Verständnis, die Motivation eines jeden Arbeiters, eines Soldaten, Polizisten, Redakteurs, Lehrers in diesem System des Räuberkapitalismus? Ich gehe inzwischen davon aus das in einer kapitalistischen Welt das Gewinnstreben früher oder später über alles siegen wird. Das ist, in letzter Konsequenz, Selektion, Darwinismus, natürliche Auslese1
Jürgen Franke 22.12.16 18:07
Herr Platzer, jedes Volk auf dieser Welt will
grundsätzlich in Frieden mit einander leben. Das kann aber leider nicht funktionieren, wenn das Militär Budget der USA 600 Milliarden beträgt, die ausgegeben werden müssen. (China: 200, Russland: 80, Frankreich: 60, Deutschland: 50, Saudis: 80) Es müssen demnach reichlich Unruheherde geschaffen werden, wo es gilt einzugreifen, um "Menschenrechte und Demokratie" wieder herstellen zu können. Nur vor diesem Hintergrund kann man ein Volk heute noch mobilisieren, wo der Feind: "Kommunismus" plötzlich weggefallen ist.
Peter Platzer 21.12.16 22:55
Schaut das Video
Meine frustrierende Erkenntnis ist jetzt: Es geht nur um Hass zu schüren (von -----zensiert------...) um die Amis, Europäer/ das Volk / die Natotruppen gegen die Islamisten aufzuhetzen. Mit dem wahnwitzigen Ziel schlussendlich den Islamisten ihr Öl- und Gasfelder abzunehmen. LKW-Terror Berlin - Die Wahrheit über die FlüchtlingsTerroristen in Deutschland- YouTube video
aurel aurelis 21.12.16 16:28
Nicht labern, machen!
Laufend werden jetzt gedankliche Parallelen zu Nizza angestellt! Aber, hätten die dafür bezahlten Leute vorher Betonhindernisse aufgestellt, wie dies in ein paar Städten geschah, wäre weniger passiert. Es ist ja ein Glück, dass der Lkw nach einer relativ kurzen Wegstrecke ausscherte. Vielleicht weil der schwer verletzte polnische Trucker kurz zu sich kam und eingriff. Der Laster hätte unbehindert weiter fahren und unsäglich mehr Schaden anrichten können. Nicht nur die Flüchtlingspolitik ist wie Seehofer meint zu ändern, sondern unser marodes Funktionärsfeudalsystem.
Jürgen Franke 21.12.16 12:06
Da sitzen sie nun in einer Reihe
vor den Trümmern ihrer Politik. In grenzenloser Naivität konnten sich die Politiker nicht vorstellen, dass auch Menschen nach Europa strömen, um hier lediglich alles, aus Hass und Neid zu zerstören, was sie selbst, warum auch immer, nicht besitzen. Der Glaube dieser Menschen dient lediglich als Vorwand ihres unsäglichen Handelns.
Jack Norbert Kurt Leupi 21.12.16 12:05
Berliner-Anschlag
Nach dem schrecklichen Terror-Anschlag in Berlin sind jetzt wieder die Politiker und Ermittler an der Reihe die Tat aufzuklären und den/die Schuldigen zu finden ! Bis jetzt kommt natürlich wieder nur der gewohnte Politiker-Latein zum Ausdruck, unkonkretes Bla-Bla , Worthülsen und hohle Phrasen zu Hauff ! Für oberflächliche Aussagen genügen oft Plausibilitäts-Floskeln I Das gesagte kann nicht gegriffen weder begriffen werden! In den Laien-Ohren aber tönt es gut, weil man ja gewillt ist, was zu tun ! Hauptsache ist man legt die Hand an , "wer macht w a s " ausser auf die Tränendrüse zu drücken ?