Vettel-Podest wieder in Gefahr

Irres Ungarn-Rennen 

Der deutsche Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel von Aston Martin lenkt seinen Wagen. Foto: epa/Zsolt Szigetvary
Der deutsche Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel von Aston Martin lenkt seinen Wagen. Foto: epa/Zsolt Szigetvary

BUDAPEST: Was für ein Spektakel! Ein Sensationssieger Ocon. Ein Vettel auf dem Podium. Ein famoser Hamilton unter Druck mit Aufholjagd. Und ein Verstappen, der schon wieder Leidtragender eines Unfalls durch einen Mercedes-Piloten ist.

Hinter seinem Mund-Nasenschutz demonstrativ in Regenbogenoptik ärgerte sich Sebastian Vettel dann doch etwas. In einem verrückten PS-Thriller in der Puszta mit Massencrash, Regen und Reifenpoker verpasste der viermalige Formel-1-Weltmeister den ersten beim Rennen in Budapest Sieg seit fast zwei Jahren. «Natürlich bin ich ein bisschen enttäuscht, ich hatte das Gefühl, dass ich das ganze Rennen ein bisschen schneller war, ich bin aber nicht rangekommen.»

Der leichte Ärger drohte am Abend in Ungarn noch in mächtigen Frust umzukippen, nachdem bei der Untersuchung des Aston Martin von Vettel herausgekommen war: Statt des geforderten mindestens einen Liters Treibstoff im Tank waren es nach dem Ende des Rennes nur 0,3 Liter. Der zweite Platz stand auf dem Spiel. Vettel, der sich bereits auf dem Heimweg befand, stand vor einer möglichen Disqualifikation. Er hatte mit seinem Auto schon nicht mehr den sogenannten Parc fermé erreicht.

Es wäre die nächste irre Wendung eines Rennens für jeden Saisonrückblick mit dem Sensationssieger Esteban Ocon. Hinter dem 24 Jahre alten Alpine-Piloten und Vettel raste nach einer Taktikpanne und einer wilden Aufholjagd Lewis Hamilton beim mitreißenden Großen Preis von Ungarn noch auf Platz drei. «Es ist nichts mehr in mir drin. Ich bin ausgepumpt», sagte Hamilton, und so sah er auch auf dem Podest aus.

Der Siebenfach-Weltmeister war im Silberpfeil zum 101. Mal von der Pole gestartet, zwischenzeitlich aber auf dem letzten Platz abgerutscht. Auf seinen 100. Grand-Prix-Sieg muss er weiter warten. Für die Eroberung der WM-Führung reichte es aber mit nun sechs Punkten Vorsprung, weil Rivale Max Verstappen zu den Betroffenen des Auftaktcrashs gehörte. Dessen Teamkollege Sergio Perez musste ganz aufgeben. «Das ist wieder ein schlimmes Erlebnis für uns», sagte Red-Bull-Teamchef Chris Horner. «Das ist wirklich brutal.»

Pikanterweise zwei Wochen nach dem Ausfall des Niederländers Verstappen in Silverstone durch eine Berührung durch den Hamilton-Mercedes nun ausgelöst durch Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil. Mit dem beschädigten Red Bull schleppte sich Verstappen als Zehnter ins Ziel. «Die letzten beiden Rennen waren total scheiße», sagte er. Nach dem Crash sei es vorbei gewesen, die rechte Seite des Red Bulls war dahin. «Da hatte ich keinen Grip mehr.» Mick Schumacher hielt in dem heiklen Rennen schadlos und wurde im Haas 13.

Am Renntag kam der Regen. Die mehreren zehntausend Zuschauer zogen sich auf den Tribünen teilweise Capes über, auf dem Asphalt wurden kurz vorm Start hektisch die sogenannten Intermediates aufgezogen. Reifen für feuchte, aber nicht nasse Verhältnisse.

Zum Massencrash mit viel Blech-, aber glücklicherweise ohne Personenschaden kam es dennoch auf. Auslöser war wieder ein Mercedes. Diesmal krachte Bottas nach einem Schneckenstart ins Heck von Lando Norris, der mit seinem McLaren am Finne vorbeigezogen war. «Ich hätte früher bremsen sollen, es war mein Fehler», sagte Bottas, der sich bei seinen Rivalen auch entschuldigte.

Kurve eins auf dem 4,381 Kilometer langen Kurs bei Budapest glich einem Trümmerfeld - abgestellte Rennwagen und deprimierte Piloten. Das Safety-Car musste raus, das Rennen wurde unterbrochen und vor allem die Red-Bull-Mechaniker versuchten, teilweise sogar mit Klebeband die erheblichen Schäden Wagen von Verstappen zu reparieren. Eine Viertelstunde hatten sie Zeit, dann ging es wieder in die Formationsrunde und in die Startaufstellung entsprechend der Reihenfolge der Unterbrechung.

Mittlerweile war die Strecke abgetrocknet und fast alle kamen in die Box, um auf Trockenreifen zu wechseln. Nur einer nicht: Hamilton. Allein stand er dort mit seinen Mischreifen und fuhr los. Der Rest folgte aus der Boxengasse. Warum nicht auch Mercedes die Reifen direkt gewechselt hatte, schien Hamilton verantwortet zu haben. Er kam nach einer Runde rein und als Letzter raus. «Sorry, Leute», funkte Hamilton an die Box.

Knapp 20 Sekunden trennten ihn von Platz eins, auf dem nun Ocon fuhr, Vettel lag dahinter, auf drei war zunächst Nicholas Latifi im Williams. Mick Schumacher fuhr vorerst in den Punkterängen auf Platz zehn - vor Verstappen, der zunächst größte Mühe hatte vorbeizukommen.

Beim nächsten Reifenwechsel lagen Hamilton und Mercedes dann goldrichtig und machten allein in der Box zwei Plätze gut. Und der 36-jährige Brite, der schon achtmal in Ungarn gewann, blieb in Angriffslaune, die WM-Führung kam mit jedem erfolgreichen Überholmanöver näher, während Verstappen mehr mit seinem demolierten Red Bull als mit der Konkurrenz zu kämpfen hatte.

Vom Führungstrio kam Vettel als erster zum nächsten Reifenwechsel rein, sein Stopp dauerte aber eine Sekunde länger als der von Ocon eine Runde später. Auch Hamilton kam noch mal und ging aufs Ganze. «Lewis, du kannst das gewinnen», schaltete sich Teamchef Toto Wolff in den Boxenfunk ein. Bei Alonso war aber erstmal Schluss, die früheren Teamkollegen bei McLaren (2008) lieferten sich einen knüppelharten Zweikampf, ehe Hamilton vier Runden vor Rennende vorbeikam. Weiter ging es auch für ihn nicht, während ganz vorn Ocon in unbändigem Jubel ausbrach.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.