Nach Wahl Martins zum Premier: Neue Regierung steht

Der irische Fianna Fail-Parteichef Micheal Martin verlässt das Kongresszentrum, nachdem er vom irischen Parlament als Taoiseach (Premierminister der Republik Irland) in Dublin gewählt wurde. Archivfoto: epa/Aidan Crawley
Der irische Fianna Fail-Parteichef Micheal Martin verlässt das Kongresszentrum, nachdem er vom irischen Parlament als Taoiseach (Premierminister der Republik Irland) in Dublin gewählt wurde. Archivfoto: epa/Aidan Crawley

DUBLIN: Erstmals schließen sich die beiden rivalisierenden konservativen Parteien in Irland zu einer Koalitionsregierung zusammen. Der bisherige Premier Leo Varadkar wird Vizeregierungschef. Die Rolle der größten Oppositionspartei fällt der linksgerichteten Sinn Fein zu.

Nach der Wahl des neuen irischen Regierungschefs Micheál Martin sind auch die Ministerinnen und Minister auf ihre Posten berufen worden. Zu den 14 Kabinettsmitgliedern gehört auch der bisherige Premier Leo Varadkar, der nun den Posten des Vizeregierungschefs und Ministers für Handel und Arbeit einnimmt. Am Montag soll die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen.

Martin war am Samstag mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien Fianna Fail und Fine Gael sowie der irischen Grünen ins Amt gewählt worden. Die Abstimmung fand wegen der Abstandsregeln in der Coronavirus-Pandemie nicht im Parlamentsgebäude in Dublin, sondern in einem Konferenzzentrum statt.

In seiner Antrittsrede versprach Fianna-Fail-Chef Martin, den Kampf gegen das Virus und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. «Von heute an wird das im Zentrum von allem stehen, das die neue Regierung tun wird», sagte der 59 Jahre alte Politiker. In Irland starben bisher knapp 2300 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus. Aber auch die Wohnungsnot und Reformen im Gesundheitssystem seien Themen, denen er sich annehmen werde, sagte Martin. Grünen-Chef Eamon Ryan, der zum Minister für Energie und Verkehr ernannt wurde, versprach eine klimapolitische Wende.

Die Bildung der bürgerlich-grünen Koalitionsregierung in Irland gilt als historisch. Bislang hatten sich Fine Gael und Fianna Fail stets in der Regierung abgewechselt. Fine-Gael-Chef Varadkar sprach vom Ende eines Bürgerkriegs im Parlament zwischen den beiden konservativen Parteien. Ende 2022 soll das Amt des Regierungschefs an ihn zurückgehen. Vorausgegangen war der Koalitionsregierung bereits die Duldung einer Fine-Gael-Regierung von Martins Fianna Fail.

Größte Oppositionspartei ist nun die linksgerichtete Sinn Fein unter der Führung von Mary Lou McDonald. Die Partei hatte bei der Wahl im Februar einen Überraschungserfolg erzielt und damit die politische Landschaft verändert. McDonald warf ihren konservativen Rivalen eine Wagenburgmentalität vor. Die Koalition der beiden großen konservativen Parteien sei eine «Zweckheirat», die dazu diene, Sinn Fein von der Regierung auszuschließen.

Sinn Fein spielte lange Zeit in der Republik Irland keine ernstzunehmende Rolle, sondern galt als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA. Die IRA kämpfte in dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland mit Waffengewalt für eine Vereinigung der beiden Teile Irlands. Der blutige Konflikt mit Tausenden Toten endete erst 1998 mit dem als Karfreitagsabkommen bezeichneten Friedensschluss.

Sinn Fein hat der Gewalt abgeschworen und mit dem Abtritt des langjährigen Parteichefs Gerry Adams im Jahr 2018 zudem einen Generationenwechsel vollzogen. Trotzdem wird sie in Teilen der irischen und britischen Gesellschaft noch immer mit Skepsis betrachtet. Die Partei fordert weiter den Zusammenschluss der beiden Teile Irlands.

Gepunktet bei der Wahl im Februar hatte die Partei aber eher mit ihren sozialpolitischen Forderungen. Die Partei hätte sogar stärkste Kraft werden können, hatte aber selbst nicht mit ihrem Erfolg gerechnet und zu wenige Kandidaten aufgestellt.

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