Hardliner im Parlament fordern noch mehr Internetzensur

Foto: epa/Abedin Taherkenareh
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TEHERAN: Knapp zwei Wochen vor der Präsidentenwahl im Iran haben die Hardliner im Parlament noch mehr Internetzensur im Land gefordert. 170 der 290 Abgeordneten bereiteten einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, über den das Parlament demnächst abstimmen solle, sagte der Abgeordnete Resa Taghipur am Sonntag. Dem Entwurf zufolge werden alle Kurznachrichtendienste gesperrt, falls die Unternehmen sich nicht an iranische Gesetze halten. Außerdem sollen alle iranischen Internetnutzer identifiziert und die Verbreitung von Datentunneln für Zugang zu verbotenen Seiten bestraft werden, sagte der Abgeordnete in einem Interview der Nachrichtenagentur Tasnim.

Das Interview wurde laut Nachrichtenportal Khabar-Online einige Zeit später aus dem Netz genommen. Zu dem Zeitpunkt aber war der Bericht von diversen Medien bereits weiter veröffentlicht worden. Warum Tasnim das Interview löschte, ist noch unklar. Der Abgeordnete Taghipur ist aber auch Wahlberater des Präsidentschaftskandidaten Ebrahim Raeissi. Im Iran arbeitende Journalisten gehen davon aus, dass Taghipur erst nach dem Interview bewusst wurde, dass zwölf Tage vor der Wahl ein Interview über Internetzensur für seinen Chef nicht vorteilhaft wäre.

Im Iran sind bereits Tausende Internetseiten gesperrt, unter ihnen auch die beliebten Netzwerke Twitter und Facebook. Mit dem neuen Gesetz könnten auch Instagram und WhatsApp auf die Verbotsliste kommen. Die beiden werden von Millionen nicht nur privat genutzt, sondern auch für geschäftliche und gar medizinische Zwecke. Auch Telefonate im Land werden immer mehr über WhatsApp geführt.

Der neue Internet-Gesetzentwurf wird wohl erst nach der Präsidentenwahl am 18. Juni auf die Agenda kommen. Vorher wäre es auch für die sieben Präsidentschaftskandidaten problematisch, die alle trotz offiziellen Verbots auf Twitter aktiv sind - auch der erzkonservative Topfavorit Raeissi. Auf Twitter haben der Kleriker und die anderen Kandidaten weitaus besseren Zugang zu den Wählern als über die staatlichen Medien, die insbesondere von Jugendlichen kaum noch wahrgenommen werden.

Nach einer aktuellen Studie ist mehr als die Hälfte der 84 Millionen Iraner Mitglied in mindestens einem der verbotenen sozialen Netzwerke. Die Internet-Verbote waren den Iranern bislang egal, weil sie sich über Datentunnel Zugang zu allen gefilterten Seiten verschafften. Aber falls auch diese ausfallen sollten, hätten nicht nur sie, sondern das ganze Land ein Kommunikationsproblem.

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