Interner Streit um neues Atomgesetz eskaliert

Irans Präsidentschaftskandidat Mohammad Bagher Ghalibaf. Foto: epa/Abedin Taherkenareh
Irans Präsidentschaftskandidat Mohammad Bagher Ghalibaf. Foto: epa/Abedin Taherkenareh

TEHERAN: Im Iran eskaliert der Streit der Regierung mit dem Parlament um das neue Atomgesetz, das in allen Punkten gegen das Wiener Atomabkommen verstößt, mit dem der Iran von einem Atomwaffenprogramm abgehalten werden sollte. Präsident Hassan Ruhani sollte das vom Parlament bereits verabschiedete Gesetz innerhalb einer fünftägigen Frist an die Behörden weiterleiten. «Das passierte nicht und die Frist ist nun abgelaufen», gab Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf nach Angaben der lokalen Medien am Mittwoch bekannt.

Ghalibaf könnte das Gesetz rein rechtlich auch ohne die Zustimmung Ruhanis zur Umsetzung weiterleiten. Das aber wäre ein Novum in der iranischen Innenpolitik und es ist unklar, was nun genau passieren wird. Beobachter gehen davon aus, dass letztendlich der oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, ein Machtwort sprechen und eine Entscheidung treffen werde.

Das Atomgesetz wurde von den Hardlinern und Ruhani-Gegnern im Parlament verabschiedet. Danach soll die iranische Atomorganisation (AEOI) pro Jahr 120 Kilogramm 20-prozentiges Uran herstellen und lagern. Längerfristig sollen auch der Vorrat an niedrig angereichertem Uran aufgestockt und schnellere Zentrifugen zur Urananreicherung hergestellt werden. Politisch delikat ist der im Gesetz vorgesehene Ausstieg des Irans aus dem Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der den Zugang von UN-Inspekteuren zu iranischen Atomanlagen beschränken oder gar verbieten würde.

Präsident Ruhani hält das Gesetz als politisch unklug und warnte die Hardliner vor einer Einmischung in die Atompolitik des Landes. Das neue Gesetz behindert laut Ruhani die diplomatischen Bemühungen, den Atomdeal zu retten, wozu er die Chancen nach dem Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentenwahl gestiegen sieht. Unter Präsident Donald Trump waren die USA aus dem Abkommen ausgestiegen, was Biden für falsch hält. Außerdem hofft Ruhani auf ein Ende der von Trump verhängten Sanktionen, die das Land seit 2018 in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt haben.

Das neue Gesetz verstößt aber laut Regierungssprecher Ali Rabiei auch gegen interne Vorschriften. Die Atompolitik des Landes bestimme nicht das Parlament, sondern der Nationale Sicherheitsrat (SNSC). Laut Parlament wurde der Gesetzentwurf mit dem SNSC abgestimmt, doch Rabiei bezeichnete diese Behauptung als absurd. «Der Chef des SNSC ist der Präsident, das Thema selbst Angelegenheit des Außenministers, aber keiner der beiden wurde in Kenntnis gesetzt», sagte er.

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