Nein, die ernsten und verbiesterten Gesichter der Europäer sieht man bei den Thais nur selten. Im Gegenteil, jeder Tourist freut sich auf ihr legendäres Lächeln, auch wenn er den Grund dafür meistens falsch einschätzt.
Normalerweise bedeutet das Thai-Lächeln nicht mehr und nicht weniger als eine höfliche aber unsichtbare Mauer, die anders ausgedrückt heißt: „Bitte, lasst mich in Ruhe.“
Natürlich gibt es auch das andere Lächeln, das genau auf das Gegenteil gerichtet ist, nämlich auf Kontaktaufnahme im Sinne von: „Ich will an Dein Geld.“ Schöne junge Frauen, die meine Enkelinnen sein könnten, gurren mir im Vorübergehen zu: „Hallo, Darling, I love you.“ Diese Situationen zwischen Höflichkeit und Perversionen, die hier in den thailändischen Touristenzentren typisch sind, verstehen die wenigsten Urlauber auf Anhieb. Und auch ich gestehe, ich habe auch einige Zeit gebraucht, um diesen Unterschied zu begreifen.
In meinem Condo leben etwa 500 Personen auf 30 Etagen. Einige hat man mit der Zeit kennen gelernt, die meisten nicht. Ich grüße, wenn ich den Lift betrete, in dem sich bereits Mitbewohner befinden. Aber immer wieder erlebe ich, dass niemand antwortet. Wenn Thais darunter sind, lächeln sie oder grüßen freundlich zurück. Farangs schauen stumm durch einen hindurch oder starren auf den Boden. Es ist ein beklemmendes Gefühl. Manchmal frage ich mich, ob sie ihr Kinderzimmer im Düsenjet durchquert haben. Wenn ich meinen Freunden davon berichte, bestätigen sie mir, dass sie das auch so erleben, aber für völlig normal halten. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Höflichkeit ist doch das Schmieröl, das dazu beiträgt, dass Menschen problemlos miteinander auskommen. Dazu gehört meiner Meinung nach auch, den Nächsten im nahen Umfeld wahrzunehmen und zumindest zu grüßen. Natürlich gilt das nicht überall. Kürzlich erlebte ich einen älteren Engländer, der in ein 10-Baht-Taxi einstieg, in dem schon sechs Gäste saßen. Er sagte freundlich: „Good afternoon, ladies and gentlemen.“ Als niemand antwortete, wurde er laut und fragte: „Bin ich hier in einer Taubstummenanstalt gelandet?“ Ich antwortete ihm: „Das ist hier so üblich.“ Er schaute mich verwundert an und erwiderte plötzlich auf Deutsch: „Ja, ja, Höflichkeit ist eine Zier, doch es geht auch ohne ihr.“ Ich lächelte ihn an und gab ihm Recht. „Auch ich bin über diese Anonymität verwundert“, sagte ich, „aber andere Länder, andere Sitten.“ Er schüttelte nur den Kopf.
Inzwischen vermute ich, dass es gerade der bewusst eingehaltene Abstand ist, der dafür sorgen soll, Reibereien aus dem Weg zu gehen. In Europa kaum vorstellbar, aber hier völlig normal.
Das Land des Lächelns hat viele Gesichter und noch mehr Masken. Sie können alles bedeuten, und sie bedeuten auch alles: Interesse, Sympathie, Flirt, Liebe oder: „Nett, Sie gesehen zu haben, adieu.“ Wahrscheinlich ist es realistisch, davon auszugehen, dass Millionen Männer dem Lächeln der Thais erlegen sind. Und das mit allen Konsequenzen: Verliebtheit, vielleicht sogar Heirat und dann? „Was, du hast kein Geld mehr? Mach dich vom Acker!“
Ja, es wäre unredlich, wenn man verschweigen würde, dass die Vereinigung von Farangs und Thais vorwiegend auf finanzieller Basis beruht. Die wenigen Ausnahmen – ich kenne einige – machen den Kohl nicht fett. Nach wie vor lautet die Devise: Immer nur lächeln. Doch wie es darinnen aussieht, geht niemand was an.
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