Ex-Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen wird 70

Jürgen Fitschen. Foto: epa/Tobias Hase
Jürgen Fitschen. Foto: epa/Tobias Hase

FRANKFURT/MAIN (dpa) - Eigentlich sollte er den väterlichen Hof übernehmen. Doch Jürgen Fitschen zog es in die Finanzwelt. Bereut habe er es nicht, sagt der bald 70-Jährige - auch wenn die Herausforderungen groß waren.

Jürgen Fitschen musste schon als Kind ackern. «Ich habe am Samstagnachmittag erst den Weg zum Fußballplatz finden können, wenn der Hof sauber gefegt war», erinnert sich der ehemalige Co-Chef der Deutschen Bank. Doch der gebürtige Niedersachse, der am 1. September seinen 70. Geburtstag feiert, ist dankbar für die Erfahrungen in der Landwirtschaft der Eltern: «Ich habe auf sehr plastische Art und Weise gelernt, was Säen und Ernten bedeutet. Mit Geduld, aber der nötigen Vorarbeit.»

Dass vieles nichts über Nacht geht, bestätigt sich für Fitschen, als er später für die Deutsche Bank Kunden in Asien zu werben versucht. Manchmal dauert es Jahre, bis eine Geschäftsbeziehung angebahnt ist.

«Auch in der Finanzbranche gilt: Zuerst kommt das Säen», sagt Fitschen. «In den entscheidenden Jahren vor der Finanzkrise hatte ich manchmal das Gefühl, dass viele Leute in der Branche unterwegs sind, die nur auf den schnellen Erfolg aus waren und nur für sich ernten wollten und nicht säen. Auf Dauer kann das nicht funktionieren.»

Die Scherben musste Fitschen zusammenkehren, als der langjährige Deutschlandchef der Deutschen Bank im Juni 2012 als Co-Chef des größten deutschen Geldhauses antrat. Denn «besenrein», wie von Vorgänger Josef Ackermann versprochen, war das Haus keineswegs.

Pikant: Viele der teuren Rechtsstreitigkeiten, die der Bank zu schaffen machten, hatten ihren Ursprung im Geschäftsbereich von Fitschens Partner an der Konzernspitze, dem Investmentbanker Anshu Jain. «Die Partnerschaft hat funktioniert», bekräftigt der Jubilar gleichwohl. «Wenn wir unterschiedlicher Meinung waren - und das waren wir zu einigen Themen - dann haben wir das ausgetragen, bis wir eine gemeinschaftliche Lösung hatten.» Er halte bis heute freundschaftlichen Kontakt zu Jain.

Dass mancher Kritiker rückblickend meint, das ungleiche Duo habe bei der Deutschen Bank nicht konsequent genug aufgeräumt und deshalb sei die US-Konkurrenz noch weiter enteilt, lässt Fitschen nicht auf sich sitzen: «Wer von verlorenen Jahren spricht, hat nicht verstanden, welches Maß an Veränderungen umgesetzt wurde.» Zum Aufräumen habe es keine Alternative gegeben, auch wenn es alles andere überlagert habe.

Und das Aufräumen dauerte länger als erhofft. Nicht ganz so schnell ging es zudem mit dem «Kulturwandel», den Fitschen von den Mitarbeitern des Weltkonzerns Deutschen Bank forderte - und als damaliger Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken im Grunde von der gesamten Branche. «Beim Thema Kulturwandel musste ich aufgrund interner und externer Widerstände schon sehr hartnäckig sein», erinnert er sich. «Das ist ein Prozess, der möglicherweise eine ganze Generation dauert. Wer Erfolge über Nacht erwartet, braucht damit erst gar nicht beginnen.»

Anshu Jain wurde im Sommer 2015 durch John Cryan ersetzt, Jürgen Fitschen blieb als Co-Vorstandsvorsitzender noch bis zum Ablauf der Hauptversammlung Mitte Mai 2016 im Amt und steht der Deutschen Bank weiterhin als Berater zur Verfügung. «Der Bank bin ich weiter mit Herzblut verbunden», sagt Fitschen. «Die Kollegen wissen, dass sie das Netzwerk, was ich habe, in ihrem Interesse nutzen können.»

Eigentlich sollte «der Jürgen», wie Fitschen bis heute in seinem Heimatdorf Harsefeld-Hollenbeck bei Stade schlicht genannt wird, den väterlichen Bauernhof übernehmen. «Die Regel bei uns zuhause ist, dass der älteste Sohn immer vom Vater den Hof übernimmt. Ich war der älteste, hatte aber kein Interesse daran. Mein jüngerer Zwillingsbruder dagegen schon. Und so haben es meine Eltern dann auch bewusst gefördert, dass ich mich auf die Schule konzentrieren konnte. Allerdings hieß das nicht, dass ich nicht mit anpacken musste», erinnert sich Fitschen.

Geboren am 1. September 1948, fällt Fitschen schon früh positiv in der Schule auf. «Dem Jürgen ist immer alles zugeflogen, er musste nicht einmal großartig büffeln dafür», schilderte Zwillingsbruder Hans-Otto einmal. Ende der 1950er Jahre ist Jürgen Fitschen der einzige Schüler aus dem Dorf, der es aufs Gymnasium in Stade schafft. Nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann (1969-1971) studiert er in Hamburg Wirtschaftswissenschaften (1971-1975).

Bei der Citibank (1975-1986) lernt Fitschen die Finanzwelt erstmals aus der Nähe kennen, 1987 wechselt er zur Deutschen Bank. Für sie knüpft der Manager Kontakte zu Kunden in Thailand, Japan, Singapur. Thailand wird für ihn zur zweiten Heimat: Schon während des Studiums hatte er seine spätere Ehefrau, eine Thailänderin, kennengelernt.

Die beiden inzwischen erwachsenen Kinder des Paares zog es an die gegensätzlichen Pole von Fitschens Leben: Während die Tochter sich in der Heimat des Vaters niederließ, wo auch die beiden Enkel leben, fand der Sohn seinen Lebensmittelpunkt in der Millionenmetropole Bangkok. Die Mutter der beiden verunglückte vor 14 Jahren tödlich.

Fitschen selbst weiß genau, wo er verwurzelt ist: «Heimat ist mein kleines Dorf. Da kenne ich jeden Strauch und auch heute Viele, nicht nur die Nachbarn. Das Dorf war mir in meiner Jugend irgendwann aber zu klein, deswegen wollte ich raus. Aber ich komme immer wieder gerne zurück.» Sehr wohl fühle er sich auch in seiner Wahlheimat, der Taunusstadt Hofheim: «Frankfurt ist mehr als nur mein berufliches Zuhause. Mit der Anbindung an den Flughafen ist Frankfurt ein idealer Ort, um das zu unterstützen, was ich mache.» Heute führt Fitschen unter anderem den Aufsichtsrat des Immobilienkonzerns Vonovia.

Seiner Heimat verbunden ist Fitschen auch über einen Reiterhof in der Lüneburger Heide, wo er sich der Talentförderung verschrieben hat. Er selbst sei nie geritten, stellt der Jubilar klar, aber er liebe Pferde: «Ich bin auf einem Hof groß geworden und habe mit Pferden gearbeitet.»

Sportlich habe er als Jugendlicher «alles gemacht, was mit Bällen zu tun hat: im Tischtennis war ich am besten, außerdem spielte ich Handball und Fußball». Im Tischtennis messe er sich heute ab und zu noch, berichtet Fitschen mit einem Augenzwinkern: «Es macht mir Vergnügen jungen Leuten zu zeigen, dass ein älterer Herr noch was kann.»

Ãœberzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.