Grabeskirche in Jerusalem geschlossen

​«Ich bin so enttäuscht»

Foto: epa/Abir Sultan
Foto: epa/Abir Sultan

JERUSALEM (dpa) - Wegen politischer Streitigkeiten bleibt die Grabeskirche in Jerusalem vorerst geschlossen. Pilger und Touristen sind enttäuscht. Deutsche Kirchenvertreter zeigen Verständnis für die Protestaktion.

Jerusalem, Negev-Wüste, Tel Aviv - die Berliner Sarah Manoharan und Micha Blandfort reisen zwei Wochen durchs Heilige Land. Auf dem Programm stand eigentlich auch der Besuch der Grabeskirche in Jerusalem, größtes Heiligtum für Christen weltweit. Nun sitzt das junge Paar an diesem Montag auf den Steinen vor dem massiven Bau - die Tür ist verschlossen. «Ich hätte sie mir gerne angeschaut», sagt die 26-Jährige. Der 33-Jährige ergänzt: «Wir sind gerade die Via Dolorosa abgelaufen, da hätte das jetzt schon dazugehört.»

Aus Protest gegen ein Gesetzesvorhaben und Steuerforderungen Israels haben Kirchenoberhäupter die Grabeskirche in Jerusalem bis auf Weiteres geschlossen. In einem Schreiben der griechisch-orthodoxen und der armenischen Kirche sowie der Kustodie des Heiligen Landes war am Sonntag die Rede von einer «systematischen Kampagne gegen die Kirchen und die christliche Gemeinde im Heiligen Land».

Der Protest wendet sich gegen einen israelischen Gesetzesentwurf, der dem Staat die Enteignung von Grundstücken ermöglichen soll, die die Kirche seit 2010 an Privatinvestoren verkauft hat. Außerdem habe Jerusalems Stadtverwaltung «skandalöse Mahnungen» verschickt und die Beschlagnahmung von Kircheneigentum, Immobilien und Bankkonten wegen angeblicher Steuerschulden angeordnet. Dabei soll es um städtische Abgaben etwa für Gästehäuser gehen.

«Ich verstehe die Enttäuschung der Pilger», sagt Pater Nikodemus Schnabel, deutscher Benediktinermönch in der Dormitio-Abtei am Rande der Jerusalemer Altstadt. Aber er habe absolutes Verständnis für die Entscheidung. «Es ist ein Aufschrei der lokalen Kirchen, die einfach klar machen: Es ist nicht so, dass wir vom israelischen Staat als Christen auf Händen getragen werden.» Damit werde auch «die Aufmerksamkeit der Weltchristenheit auf die Probleme der lokalen Christenheit» gelenkt.

Pater Nikodemus sieht eine zunehmend schwierigere Situation für Christen im Heiligen Land, auch eine Feindseligkeit einzelner Mitarbeiter der Behörden. «Es gibt ganz klar Leute, die uns weg haben wollen.» Er verweist dabei auch auf den Brandanschlag auf die Brotvermehrungskirche am See Genezareth. Für die Tat wurde ein jüdischer Extremist verurteilt.

Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat betont hingegen, in der Stadt gelte für Christen, Muslime und Juden das gleiche Gesetz. Wie alle Kirchen, Synagogen und Moscheen sei auch die Grabeskirche weiterhin von städtischen Gebühren befreit. Kommerzielle Gebäude wie Hotels und Büros müssten diese Abgaben jedoch leisten, ganz gleich, wem sie gehörten. Es gehe mittlerweile um Millionenschulden.

Die für den Gesetzentwurf zuständige Parlamentsabgeordnete Rachel Asaria verteidigt zudem die Enteignungspläne: «Das hat überhaupt nichts zu tun mit den Kirchen, es ist nicht gegen die Kirchen.» Es gehe darum, Bewohner zu schützen, deren Häuser von den Kirchen verkauft worden seien. Die Kirchen hätten in den vergangenen Jahren zahlreiche Grundstücke in Jerusalem verkauft, und die neuen Eigentümer würden nun extrem hohe Gebühren von den Bewohnern verlangen.

Am Montagvormittag sammeln sich vor der Grabeskirche zahlreiche Touristengruppen. Sie posieren für Fotos, die Gruppenleiter informieren über das Gebäude und seine religiöse Bedeutung. «Ich bin so enttäuscht», sagt Shu Yuan. «Ich wollte wirklich reingehen.» Die 35-Jährige ist mit einer Reisegruppe aus Shanghai angereist und wollte sich die Grabeskirche aus «historischen Gründen und wegen der Geschichte über Jesus Christus» anschauen, wie sie sagt. Ein Jahr lang hatte sie die Reise geplant.

Daniela Epstein vom Reiseanbieter Sar-El Tours ist entsetzt über die Entscheidung der Kirchen. «Die Tatsache, dass man viele Jahre keine Steuern gezahlt hat, bedeutet nicht, dass man deshalb Pilger als Geiseln nehmen soll», sagt sie. «Das ist ein ganz unmöglicher Zustand.»

Das Unternehmen hat aktuell rund 750 Reisende aus Deutschland, der Schweiz und Österreich im Heiligen Land. «In erster Linie sind das Pilger, die sich jahrelang darauf eingestellt haben, an die heilige Stelle zu kommen und jetzt stehen sie vor verschlossener Tür», schimpft Epstein. In der Grabeskirche befindet sich an der Stelle eine Grabkapelle, an der Jesus begraben worden und wieder auferstanden sein soll. Das Gebäude gehört zum Unesco-Welterbe.

Auch Alif Sabag vom Zentralen Orthodoxen Rat unterstützt den Protest nicht und kritisiert den Verkauf von Kircheneigentum durch die griechisch-orthodoxe Kirche. «Die protestieren nicht für uns, für die Mitglieder der Kirche, oder für das palästinensische Volk», sagt der Palästinenser. Es gehe der Kirche nur darum, weiter Grundstücke verkaufen zu können.

Die Berliner Sarah Manoharan und Micha Blandfort versuchen, die Schließung der Kirche gelassen zu sehen. «Ich habe schon gesagt, dass es spannender ist, hier zu sein, wenn sie zu ist, als wenn sie offen ist», sagt Blandfort. Immerhin sei das doch eine echte Seltenheit.

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