I love I

Ich habe eben in der Presse von Limiquela gelesen, einer Kunstfigur, einer virtuellen Avatarin, die als Influencer in den sozialen Medien Furore macht und schon über eine Million Follower haben soll. Selbstverständlich gibt sie Ratschläge in allen Lebenslagen, verbunden mit dem entsprechenden Gadget, das die Werbeindustrie dafür anbietet.

Da stellt sich natürlich die Frage, inwiefern der Leser dieser Zeilen sicher sein kann, dass sie nicht von einem Avatar stammen? Die Gewissheiten kommen immer mehr ins Wanken. Bin ich etwa selbst schon zu einem Avatar mutiert, ohne es zu wissen? Muss ich mir in den Finger schneiden, bevor ich mich ans Laptop setze und schauen, ob es blutet? Wenn ja, war die Avatarprobe negativ.

Es gibt allerdings noch einen zweiten Beweis: Ich will niemand irgendwelche Gadgets andrehen, obwohl ich da so eine Idee hätte: Sand vom Strand für das Beach-Feeling zuhause, das Sandkorn zu einem Baht, verpackt im Beutel zu 100.000 Stück. Bitte Bestellung via Leserbrief aufgeben. Danke im Voraus.

Avatare? Gott bewahre!

Aber ich mache hier vor Ort in Hua Hin auch Erfahrungen mit Quasi-Avataren, wenn ich aus dem weiblichen Bekanntenkreis um Hilfe bei Sprachproblemen angegangen werde. Es geht dabei um Männer, die Kontakt via Internet zu den Thaidamen suchen, kein Englisch sprechen und sich gerne unterhalten möchten, was aber nur in sehr reduzierter Form möglich ist, weil auch die Frauen kaum Englisch sprechen.

Meine erste Aufgabe besteht darin, abzuklären, ob der Kandidat ein Avatar, ein echter Mensch, ein krimineller Mensch oder eine Fata Morgana ist. Um der Form Genüge zu tun, stelle ich dann über das Handy der Hilfesuchenden ein paar präzise Fragen zum professionellen und privaten Background. Wenn das Quiz ohne gröbere Ungereimtheiten vonstattengeht, empfehle ich die Weiterführung des Dialogs mittels Sprachcomputer.

Beim jüngsten Hilfegesuch war diese Vorarbeit aber nicht nötig, weil sich das Paar schon „analog“ kennengelernt hatte: Ein Franzose hatte sich in eine Thai verliebt, als sie seine Ferienwohnung putzte. Vielleicht hat ihn die Art und Weise wie sie den Mop schwang angetörnt, aber das ist Privatsache.

Die Konversation des Paares erfolgte via Internet. In der Praxis sah das so aus: Er stand mit dem iPhone in der Hand neben ihr und tippte etwas auf Französisch ein. Sie sah sich die Übersetzung auf Thai an und tippte entsprechend zurück. So lange sie sich gleichzeitig mit der Mimik und Handzeichen verständigen konnten, hielten sich die Missverständnisse in Grenzen. Als er aber zurück in Frankreich war, ging es drunter und drüber. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass man in Thailand zeitlich um fünf bis sechs Stunden voraus ist und rief sie mitten in der Nacht an.

Rief sie später zurück, schlief er seinerseits oder war bei seiner Arbeit bei den Staatsbahnen und der Zug schon abgefahren. Es konnte auch vorkommen, dass er sie etwas fragte und als er nach Stunden eine Antwort bekam, vergessen hatte, worum es ging. Als die Missverständnisse vollends ausuferten, wandte sich die Dame hilfesuchend an Lin und mich.

Ich war nicht abgeneigt in dieser Sache zu vermitteln, fürchtete aber, später einmal als Komplize dazustehen, der ein Desaster „zumindest nicht verhindert“ habe, wie es ein imaginärer Ankläger formulieren würde. Als das Paar eines Abends vor der Türe stand, gab es sowieso kein Zurück mehr. Nur eine Frage bedrängte mich: Kann man seine Hände vorauseilend in Unschuld waschen?

Ein gallischer Galan in Hua Hin

Die Schwester des Schaffners war „zufällig“ auch mit dabei, aber nicht als Protokollführerin, sondern in der Rolle als „große Schwester“, die vor Ort prüfen wollte, in welchen exotischen Fettnapf der „kleine Bruder“ getreten war und ob es noch etwas zu retten gab.

Da saßen sie also beim Tom jung khun: Marie mit ihrem schweren französischen Parfum, Georges, der gallische Galan und leicht verschüchtert Pan, die Dame seines Herzens.

Nun ging es um die Wurst. Das Paar war sich einig, dass man sich etwas zu sagen hatte und bat mich, es an seiner Stelle zu sagen, mal auf Englisch, mal auf Französisch mit Präzisierungen in Thai von Lin. Das Thema, das ihm unter den Nägeln brannte, war das Visa für Pan, weil Georges sie nach Frankreich einladen wollte. Ich beriet sie nach bestem Wissen und Gewissen, das Schicksal nahm seinen Lauf und Pan machte sich Wochen später auf nach Old Europe.

Eine Liebe nach Noten

Nach ihrer Ankunft sandte sie Lin ein Foto. Man sah da einen Küchentisch, der mit Eurobanknoten dekoriert war - das Gastgeschenk von Georges. Es war augenscheinlich: Das Bild strahlte auf meine Frau eine gewisse Magie aus.

„Das ist eben noch echte Liebe,“ sagte ich tief beeindruckt, „eine Liebe nach Noten.“

Inzwischen schien Georges auch Fortschritte bei den Englischkenntnissen gemacht zu haben.

Aus dem Geldsegen ragte eine große Karte, die mit vielen kleinen Herzchen dekoriert

war und darauf war in großen Lettern zu lesen: I LOVE I.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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