Hohe Ziele, wenig Taten

Was bringt die Klimakonferenz in Polen?

Foto: epa/Andrzej Grygiel
Foto: epa/Andrzej Grygiel

BERLIN/KATTOWITZ (dpa) - Die Erhitzung der Erde ist voll im Gang, die Folgen sind spürbar. Weitere extreme Sommer mit Gluthitze und Dürre gehören in Europa ebenso dazu wie Starkregen und Stürme.

Kann die UN-Klimakonferenz in Polen das Ruder herumreißen?

Es ist eine Konferenz der Superlative: Vertreter von fast 200 Staaten beraten zwei Wochen im polnischen Kattowitz über eine Schicksalsfrage der Menschheit. Gelingt es, die Erderwärmung auf erträgliches Maß zu begrenzen? Fragen und Antworten dazu:

Wie schlimm ist die Lage?

Schon jetzt hat sich die Erde um rund ein Grad aufgeheizt seit der vorindustriellen Zeit um 1750. Weltweit fliehen mehr Menschen vor Naturkatastrophen und Klimaereignissen als vor Krieg und Gewalt. Doch auch in diesem Jahr steigt der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid erneut an, statt zu sinken. Noch immer werden in vielen Staaten massiv neue Kohlekraftwerke gebaut, noch immer fahren die meisten Autos nicht elektrisch, noch immer sind viele Wirtschaftssektoren auf Öl, Kohle und Gas ausgerichtet. Warnsignale gibt es reichlich: Die Jahre 2015 bis 2018 waren nach ersten Analysen der Weltwetterorganisation die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert. Und die 20 wärmsten lagen in den vergangenen 22 Jahren. Macht die Welt weiter wie bisher, leben wir Ende dieses Jahrhunderts wohl in einer drei bis vier Grad wärmeren Welt.

Und in Deutschland?

Hierzulande hat sich die Durchschnittstemperatur sogar stärker erhöht als weltweit, nämlich um mehr als ein Grad. Diese zusätzliche Energie im Wettersystem ist Ursache für mehr Extremlagen. Je nach Region kann das mehr Hitze, mehr Starkregen oder auch mehr Hochwasser bedeuten. Die Leidtragenden sind etwa alte und kranke Menschen, die mit extremer Hitze nur schwer zurechtkommen. Oder Bauern, die von Jahr zu Jahr wechselweise mit massig Niederschlag oder langen Dürreperioden zu kämpfen haben.

Was tut die Welt gegen die Erderhitzung?

Auf der UN-Klimakonferenz in Paris vor drei Jahren haben sich die gut 190 vertretenen Staaten darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Viele Länder haben sich seither nationale Reduktionsziele gesetzt. Alle Experten sagen jedoch, dass diese zusammen bei weitem nicht ausreichen. Der Weltklimarat (IPCC) hat es in einem Sonderbericht vorgerechnet: Die globalen CO2-Emissionen müssen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels bis 2030 gegenüber 2010 um 45 Prozent sinken, und bis 2050 sogar auf netto null. Dies erfordert einen nie da gewesenen, radikalen Umbau unseres Wirtschafts- und Verkehrssystems - weg von Kohle, Öl und Gas, und zwar ab sofort. Fraglich ist, ob große Staaten mitziehen: US-Präsident Donald Trump hat sich aus dem Pariser Abkommen verabschiedet, in Brasilien ist ein rechtsradikaler Präsident dabei, die Abholzung des so wichtigen Regenwalds zu erleichtern. Und China versucht zwar angesichts der Luftverpestung in seinen Mega-Städten den Ausstieg aus der Kohle anzuschieben. Die Volksrepublik investiert aber gleichzeitig unter anderem in Afrika und Asien massiv in Kohlekraft.

Welche Rolle spielt Deutschland?

Das Image der Bundesrepublik als Vorreiter beim Klimaschutz hat viele Kratzer bekommen: So hat die Regierung ihre selbst gesteckten Klimaziele für 2020 verpasst. Auch fährt sie ohne eine feste Zusage nach Polen, wann genau der Ausstieg aus der Kohleverstromung hierzulande vollzogen wird. Wie schleppend es in vielen Bereichen beim Umbau in Richtung Klimaschutz läuft, zeigt der Verkehrssektor: Hier haben sich die Emissionen von Kohlendioxid seit 1990 überhaupt nicht verringert, sondern erhöht. Immerhin: Seine Finanzzusage an den Grünen Klimafonds, einen wichtigen UN-Geldtopf für arme Staaten, hat Deutschland jüngst auf 1,5 Milliarden Euro jährlich verdoppelt.

Was soll das Treffen in Polen bringen?

Verabschiedet werden soll ein Regelbuch, um die Beiträge der einzelnen Staaten zum Klimaschutz und auch die Finanzzusagen messbar, nachvollziehbar und vergleichbar zu machen. Für die deutsche Regierung und auch die Wirtschaft hierzulande ist das auch eine Frage der Fairness: Denn wenn andere Staaten laxer kontrollieren, seien Wettbewerbsnachteile zu befürchten, heißt es. Und auch die ärmeren Länder wollen nachhalten können, dass die zugesagte Finanzhilfen und Investitionen tatsächlich fließen. Das Ziel: Keiner soll mogeln können.

Erhofft wird von Umweltschützern auch, dass weitere Länder ihre nationalen Klimaziele nachbessern. Die EU-Kommission etwa, die für Deutschland mit verhandelt, fordert für Europa eine Wirtschaft ohne Treibhausgase binnen 30 Jahren. Gemeint ist eine völlige Abkehr von Öl, Kohle und Gas in der Wirtschaft, der Energieversorgung und im Verkehr. Andere Staaten sind weit weniger ehrgeizig.

Schließlich geht es wie immer auch ums Geld: Abgemacht ist, dass die ärmsten Länder für die Bewältigung des Klimawandels ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bekommen sollen. Doch fühlen sich etwa die USA daran nicht mehr gebunden. Der wichtigste Geldtopf, der grüne Klimafonds, braucht nun frisches Geld. Deutschland hat bereits zugesagt, seinen jährlichen Beitrag auf 1,5 Milliarden Euro zu verdoppeln.

Alles in allem geht es in Kattowitz (Katowice) aus Sicht von Umweltschützern aber um nichts weniger als das große Ganze. So mahnt etwa der Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals: «Diese Generation entscheidet, ob der Vertrag mit den künftigen Generationen aufgekündigt wird, der diesen ein Leben in Würde sichern soll.»

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