Hoffnungsschimmer für Sozialdemokraten

​Bei Niedersachsenwahl

CDU-Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl in Niedersachsen Bernd Althusmann spricht während des 35. Parteitages der Christlich Demokratischen Union in Hannover. Foto: epa/Clemens Bilan
CDU-Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl in Niedersachsen Bernd Althusmann spricht während des 35. Parteitages der Christlich Demokratischen Union in Hannover. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN/HANNOVER: Bei Landtagswahlen in Deutschland geht es auch immer um die Kräfteverhältnisse im ganzen Land. In Hannover kämpft ein populärer SPD-Mann um eine dritte Amtszeit.

Ein Jahr nach ihrem Sieg bei der Bundestagswahl 2021 steht es nicht gut um Deutschlands Sozialdemokraten. In Umfragen ist die Partei von Kanzler Olaf Scholz unter die 20-Prozent-Marke gerutscht, auf nationaler Ebene ist sie laut Meinungsforschern meist nur drittstärkste Kraft hinter Christdemokraten und Grünen.

Wenn am nächsten Sonntag in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt wird, steht für die SPD also viel auf dem Spiel. Im flächenmäßig zweitgrößten deutschen Bundesland stellt sie seit 2013 den Ministerpräsidenten, und Landesvater Stephan Weil (63) kämpft um eine dritte Amtszeit. In den Umfragen auf Landesebene haben die Sozialdemokraten die Nase vorn. Der Amtsbonus könnte dem populären früheren Oberbürgermeister von Hannover, der seit 2017 in einer großen Koalition mit den Christdemokraten regiert, Rückenwind geben.

Weils schärfster Rivale ist sein eigener Wirtschaftsminister, Bernd Althussmann (55). Als CDU-Spitzenkandidat will er seinen Chef in den Ruhestand schicken. Bleibt die SPD stärkste Partei zwischen Nordsee und Harz, müsste Althussmann aber wohl auf den Oppositionsbänken Platz nehmen. Denn nach den Umfragen würde es für eine rot-grüne Mehrheit reichen. Die Ökopartei steht der SPD ideologisch näher als ihr konservativer aktueller Koalitionspartner.

Gegenwärtig stellt die SPD acht Länderregierungschefs - die Hälfte von ihnen Frauen -, die CDU fünf. Bei Landtagswahlen geht es in Deutschland immer auch um die Kräfteverhältnisse im Gesamtstaat. Im Bundesrat, der Länderkammer, die über gut die Hälfte der Bundesgesetze mitentscheidet, hat Niedersachsen 5 von 69 Stimmen. Von der Wahl werden auch bundespolitische Signale erwartet.

«Diese Wahl am 9. Oktober ist auch eine Wahl, die über das weitere Schicksal der Ampel in Berlin entscheiden wird», sagte Althussmann kürzlich beim CDU-Bundesparteitag in Hannover. Die «Ampel», das ist das Bündnis aus SPD (Rot), FDP (Gelb) und Grünen, mit dem Scholz im vorigen Dezember Kanzler wurde.

In Zeiten explodierender Gaspreise und verbreiteter sozialer Abstiegsängste steht es nicht gut um seine Regierung. In einer Umfrage des Ipsos-Instituts gaben Mitte September nur noch 15 Prozent der Befragten an, dass sie die Arbeit der Bundesregierung zuletzt überzeugt habe. Die Zustimmungswerte für Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) purzeln.

Aus dieser Stimmung will Althussmann in Niedersachsen Kapital schlagen. Wie stark jedoch der Amtsbonus eines Landesvaters wirkt, zeigte sich im Mai bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Die CDU legte mit den Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst im Vergleich zu den Wahlen 2017 deutlich zu. Andererseits schaffte es die SPD bei der Wahl im Saarland im März, als Juniorpartner einer großen Koalition die CDU zu überflügeln. Die damalige Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger holte für die SPD die absolute Mehrheit und führt nun die einzige Alleinregierung in Deutschland.

Das Thema Energieversorgung spielte auch im Wahlkampf eine Rolle. Althussmann will das Atomkraftwerk in Lingen im Emsland, das Ende des Jahres abgeschaltet werden soll, länger laufen lassen. «Mit mir wird es keine fahrlässige Abschaltung mitten in der Krise geben. Auch darüber stimmt Niedersachsen ab», sagte er dem Nachrichtenportal «The Pioneer». Allerdings müsste dann das Atomgesetz geändert werden, und dem würden die in Berlin mitregierenden Grünen nie zustimmen. Lingen ist eines der drei letzten deutschen AKWs. Die beiden anderen - Isar 2 und Neckarwestheim 2 - sollen noch bis April 2023 in einer Reserve bereitgehalten und dann ebenfalls stillgelegt werden.

Außer für SPD, CDU und Grüne dürfte der Wahlsonntag in Niedersachsen auch für die Liberalen aufregend werden. Die Partei von Finanzminister Lindner hat auf nationaler Ebene seit der Bundestagswahl deutlich Punkte verloren, in Niedersachsen notierte sie zuletzt zwischen fünf und sieben Prozent. Rutscht sie unter 5,0 Prozent, fliegt sie aus dem Landtag.

Für die rechtspopulistische AfD geht es darum, den Fraktionsstatus wiederzuerlangen, den sie 2020 wegen des Austritts mehrerer Mitglieder verloren hatte. Mit einem Wahlwerbegeschenk handelten sich die Rechten aber viel Spott im Internet ein: einem roten Weingummi, der vermutlich an den Pfeil im AfD-Logo erinnern sollte, in den Augen vieler Betrachter aber eher einem Penis glich.

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