Klimagipfel geht in entscheidende Phase

Hoffen und Bangen

Foto: epa/ Rodrigo Jiménez
Foto: epa/ Rodrigo Jiménez

MADRID (dpa) - Appelle, Proteste und Hiobsbotschaften gab es in der ersten Woche der Weltklimakonferenz genug. Jetzt geht es ans Eingemachte - aber werden die Verantwortlichen auch konkrete Maßnahmen vorlegen? Während die Minister in Madrid anreisen, gibt es neuen Alarm für die Ozeane.

Begleitet von Protestaktionen und Appellen zahlreicher Umweltschützer aus allen Erdteilen geht der Weltklimagipfel in Madrid in die entscheidende Phase. Von Montag an wird in der spanischen Hauptstadt auf Ministerebene verhandelt - dann wird sich zeigen, ob die einzelnen Staaten auf die Warnungen von Wissenschaftlern und Aktivisten reagieren und ehrgeizigere Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung formulieren. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) reist zu dem Klimagipfel (COP25) an.

Die Politiker wollen vor allem über ambitioniertere Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung beraten. Allerdings müssen diese dem Pariser Klimaabkommen zufolge eigentlich erst bei der COP26 im nächsten Jahr vorgestellt werden. Deshalb ist es fraglich, ob schon jetzt konkrete Pläne vorgelegt werden. Der Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Tijjani Muhammad-Bande, werde die Teilnehmer zum Auftakt der Verhandlungsrunde am Montag noch einmal eindringlich zur Umsetzung des Pariser Klimavertrages aufrufen, teilten die UN mit.

Auch der Handel mit Emissionen und die Unterstützung für vom Klimawandel besonders hart getroffene Staaten stehen auf der Agenda. Speziell arme Länder, die am wenigsten zur Krise beitragen, leiden unter den Folgen von Dürren und Wetterkatastrophen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Samstag bei einem Besuch bei der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, beim Thema Klimaschutz habe gerade Afrika ganz eigene Erfahrungen mit wachsenden Wüsten, häufigeren Überschwemmungen und heftigeren Stürmen.

Am Freitagabend hatten Zehntausende Demonstranten aus aller Welt bei einem großen Klimamarsch in Madrid gemeinsam mit der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg und dem spanischen Filmstar Javier Bardem ein rasches Handeln verlangt. Bardem («Eat, Pray, Love») betonte bei der Abschlusskundgebung: «Die Entscheidungen, die in diesen Tagen getroffen werden, werden die Zukunft aller und auch die Eurer Söhne, Töchter und Enkelkinder und die des gesamten Planeten betreffen. Wir brauchen Verpflichtungen!»

Auch Thunberg appellierte in Madrid mehrmals an die Politiker, konkrete Ziele vorzulegen. Am Samstag twitterte sie zu der Großdemonstration: «Die Welt wacht langsam auf, was die Klima- und Umweltkrise betrifft, und bald kommen die Mächtigen nicht mehr damit durch, die Wissenschaft zu ignorieren.»

Aktivisten der Bewegung «Extinction Rebellion» setzten am Wochenende ihre Proteste gegen die Textilindustrie fort, die als einer der größten Umweltsünder gilt. Nachdem Mitglieder der Gruppe vor wenigen Tagen bereits im Schaufenster eines bekannten Bekleidungsgeschäftes in Madrid protestiert hatten, gingen sie am Wochenende auf der berühmten Einkaufsmeile Gran Vía auf die Straße.

Am Sonntag protestierten Dutzende Indigene aus Brasilien zusammen mit der Klimaschutzbewegung 350.org vor dem Hauptsitz des spanischen Ölkonzerns Repsol, um auf eine massive Ölpest aufmerksam zu machen, die seit Monaten Tausende Kilometer Küste in dem südamerikanischen Land verseucht. Umweltschützer werfen dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro vor, viel zu lange untätig gewesen zu sein und kaum Mittel für die Bekämpfung der Öspest zur Verfügung gestellt zu haben. Die Demonstranten, die eine Menschenkette bildeten, trugen traditionelle Kleidung und hatten teilweise Hände und Gesicht schwarz angemalt, um auf das Öl-Leck hinzuweisen. «Unsere gesamte Natur wird gerade zerstört», sagte einer der Demonstranten.

Überhaupt stehen viele Aktionen im Zeichen der Probleme indigener Völker aus Lateinamerika, die ganz massiv von der Umweltzerstörung betroffen sind. Die zweiwöchige Weltklimakonferenz sollte eigentlich in Santiago de Chile stattfinden. Wegen der dortigen Unruhen wurde sie aber kurzfristig nach Madrid verlegt.

Von der Leyen hatte zum Auftakt des zweiwöchigen Gipfels am vergangenen Montag einen «European Green Deal» angekündigt. Ziel sei es, Emissionen zu senken, Jobs zu schaffen und die Lebensqualität zu erhöhen. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, in der Europäischen Union müssten nun alle an einem Strang ziehen, wenn der Kontinent im Klimaschutz eine Vorreiterrolle übernehmen solle. Deutschland wolle dazu beitragen, dass Europa der erste klimaneutrale Kontinent werde, sagte die CDU-Politikerin in ihrem wöchentlichen Podcast.

Dänemarks sozialdemokratische Minderheitsregierung und sieben weitere Parteien einigten sich auf verbindliche Ziele zur Reduzierung klimaschädlicher Gase. Mit einem entsprechenden Gesetz wolle das 5,6 Millionen Einwohner zählende Land bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein. Auf dem Weg dahin will Dänemark zunächst bis 2030 seine klimaschädlichen Emissionen um 70 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren.

Die Hiobsbotschaften zur Lage des Planeten reißen allerdings nicht ab. Der sinkende Sauerstoffgehalt in den Ozeanen werde zu einer wachsenden Bedrohung für die Fischbestände, hieß es in einem neuen Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN), der am Samstag in Madrid vorgestellt wurde. Betroffen seien etwa 700 Meeresregionen in aller Welt. Der Sauerstoffverlust werde nicht nur durch die Klimaerwärmung, sondern auch durch die Verschmutzung der Gewässer und ein daraus resultierendes Algenwachstum ausgelöst, warnten die Experten.

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