FPÖ-will Österreichs stärkste Kraft werden

Norbert Hofer neuer Parteichef der FPÖ. Foto: epa/Christian Bruna
Norbert Hofer neuer Parteichef der FPÖ. Foto: epa/Christian Bruna

GRAZ (dpa) - Das «Ibiza-Video» hat der Ära Strache in der FPÖ vorerst ein Ende gesetzt. Mit Norbert Hofer übernimmt nun ein bedachterer Redner die Partei - und der will mit den Rechtspopulisten hoch hinaus.

Zwei Wochen vor der Nationalratswahl in Österreich hat die rechte FPÖ mit großer Mehrheit Norbert Hofer zu ihrem neuen Parteichef gewählt. Der 48 Jahre alte Politiker ist damit nun auch offiziell Nachfolger von Heinz-Christian Strache, der im Mai nach der Veröffentlichung des «Ibiza-Videos» als Vizekanzler und Parteichef zurückgetreten war. «Es ist unser Ziel, stärkste Kraft in Österreich zu werden - weil wir es können und weil Österreich uns braucht», sagte Hofer am Samstag beim Parteitag in Graz.

Hofer, der kurz nach Straches Rücktritt als neuer Vorsitzender designiert wurde, erhielt in Graz 98,25 Prozent der Stimmen. Mit ihm dürfte die FPÖ zumindest im Ton künftig moderater auftreten. Offen ist, ob das letztlich auch für die Inhalte der Partei gelten wird.

Das Ergebnis dürfte Hofer jedenfalls den Rücken stärken, der neue Vorsitzende galt in der Partei als nicht so gut verankert wie sein Vorgänger. Die Kommentatoren in Österreich gehen davon aus, dass Hofer in einer Art Führungsduo mit Ex-Innenminister Herbert Kickl durchaus erfolgreich sein könnte.

Der 48 Jahre alte Hofer kündigte an, nach der Parlamentswahl am 29. September an einer inhaltlichen Vertiefung und einer Verbreiterung der Themen der Partei arbeiten zu wollen. Konkret nannte er den Umweltschutz, die Pflege und eine «vernünftige Wirtschaftspolitik». Außerdem müsse die Partei daran arbeiten, dass die Wahlergebnisse in den Städten besser würden.

Hofer übernimmt die Partei nach 14 Jahren unter Strache, dem auf seiner liebsten Ferieninsel Ibiza eine folgenreiche Falle gestellt worden war. Das von «Spiegel» und «Süddeutscher Zeitung» veröffentlichte «Ibiza-Video», entstanden im Sommer 2017, zeigt Strache im Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte über möglicherweise illegale Formen der politischen Einflussnahme. Das Video war letztlich der Auslöser für den Bruch der ÖVP-FPÖ-Regierung.

Hofer galt bisher als das freundliche Gesicht der Partei, Kritiker vermuteten in ihm aber auch immer wieder den sogenannten Wolf im Schafspelz. Der Burschenschafter Hofer war zunächst in der Regionalpolitik im Burgenland aktiv, ehe er 2006 in das österreichische Parlament gewählt wurde. In der rechtskonservativen Regierung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übernahm der gelernte Flugtechniker 2017 das Amt des Verkehrsministers. Ein Jahr zuvor hatte er nur knapp die Bundespräsidentenwahl gegen den derzeitigen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen verloren.

Der Erfolg Hofers wird grundlegend vom Wahlergebnis in zwei Wochen abhängen. Der 48-Jährige habe durchaus das Potenzial, die FPÖ für ein breiteres Spektrum interessant zu machen, sagt die Politikwissenschaftler Kathrin Stainer-Hämmerle. Die Partei habe derzeit eine Kernwählerschaft von rund 20 Prozent. «Um über diese 20 Prozent zu kommen, braucht es jemanden, der nicht so erschreckt wie etwa Herbert Kickl», meint Stainer-Hämmerle.

Mit Ex-Innenminister Kickl trat Hofer im Wahlkampf als eine Art Doppelspitze auf. Auf der einen Seite der smarte Hofer, auf der anderen Seite der laute und provozierende Kickl - das war zuletzt die Strategie der Rechtspopulisten. Kickl wurde auf dem Parteitag zu einem der sechs Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt.

Die österreichischen Medien thematisierte am Sonntag ebenfalls das neue Spitzenduo Hofer-Kickl und das Potenzial dieser Zusammenarbeit. «Die Stimmung am Parteitag machte jedenfalls deutlich: die Doppelführung Hofer-Kickl funktioniert», stellte die Tageszeitung «Der Standard» fest. Kickl selbst hatte dazu in Graz gesagt: «Ich bin mit Norbert Hofer ein patriotischer Doppelpack. Ich bin der, wenn es Hofer nicht macht, der rechte Haken und Geraden verteilt.» Die Zeitung «Die Presse» schreibt in ihrer Sonntagsausgabe: «Die Taktik ist riskant, aber möglicherweise erfolgreich. Kickl soll die freiheitliche Basis bei Laune halten, (...) Hofer will die Zielgruppe erweitern (...).»

Für die Wochen nach der Wahl hat die FPÖ ihre Pläne bereits ungewöhnlich deutlich festgelegt und öffentlich formuliert. Ziel ist eine Neuauflage der rechtskonservativen Koalition mit der ÖVP. «Oft braucht es nur einen kleinen Schubser, um gemeinsam weiterzumachen», sagt Hofer dazu in einem von vielen Beobachtern belächelten Wahlwerbespot, in dem er mit einem Sebastian-Kurz-Darsteller bei einer Paartherapeutin Platz nimmt. Der Ibiza-Skandal wird da zu einer kleinen Dummheit, die der Regierungsarbeit nicht weiter im Wege stehen sollte. Zurückblicken will die Partei offensichtlich nicht.

Aktuell steht die FPÖ in Umfragen bei rund 20 Prozent. Im Vergleich zur Nationalratswahl 2017 würden die Rechtspopulisten damit zwar rund sechs Prozentpunkte verlieren, im Vergleich zu den Umfragen kurz vor der Veröffentlichung des «Ibiza-Videos» sind es aber gerade einmal zwei bis drei Prozent. Allzu großen Schaden durch den Skandal konnte die Partei also abwenden.

Der Hauptdarsteller des «Ibiza-Videos» ließ sich übrigens die Wahl seines Nachfolgers entgehen. «Leider kann ich beim kommenden FPÖ-Bundesparteitag in Graz nicht bei Euch sein», schrieb Strache bereits am Donnerstag bei Facebook und bedankte sich für die Unterstützung in den vergangenen 14 Jahren an der Spitze der rechten Partei. «Aber ich bin im Herzen bei Euch und das werde ich immer sein. Glaubt mir, Ihr fehlt mir sehr.»

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