BERLIN: Sie haben Bundeskanzler Olaf Scholz und auch US-Präsident Joe Biden inmitten des Krieges unversehrt nach Kiew gebracht – die Züge der ukrainischen Eisenbahn. Trotz russischer Angriffe fahren sie nach Fahrplan und sind seit Kriegsbeginn vor rund 15 Monaten wichtiger denn je geworden. Wenn die Fernsehkameras an den Bahnhöfen auf die prominenten Fahrgäste gerichtet sind, dann gehen zugleich die Bilder von den Zugbegleiterinnen um die Welt.
Arte widmet nun den Bahn-Mitarbeiterinnen eine eigene Reportage. «Die Eisenbahnladys der Ukraine» wird am Donnerstag um 19.40 Uhr ausgestrahlt. In der Mediathek ist der 30-minütige Film bis 2028 zu sehen. Er erzählt von der Rolle der Frauen in dem Unternehmen. Ohne deren Arbeit könnten die Züge nicht wie gewünscht durch das osteuropäische Land rollen. Sie sind mittlerweile zu Helden geworden.
Die 38-jährige Tetjana ist Zugbegleiterin. Sie zeigt vor der Kamera stolz einen Schlafwagen. Vier Plätze bietet das kleine Abteil. Zwei Fahrgäste schlafen unten, die anderen oben. Mancher findet beim monotonen Rattern über die Weichen in den Schlaf. Bei vielen fährt wohl die Angst mit, dass eine Rakete einen Waggon treffen könnte.
«Jetzt in Kriegszeiten sind die Passagiere sehr verbittert», erzählt die Zugbegleiterin in dem Film. «Wenn einer der Passagiere anfängt zu streiten oder etwas anderes passiert, dann muss ich die Dinge regeln.» Millionen Ukrainer haben sich mit der Eisenbahn vor den Angriffen in Sicherheit gebracht. In den Zügen sitzen aber auch Männer, die zum Kriegsdienst im Kampf gegen Russland müssen.
In der Ukraine ist wegen des Krieges der Luftraum gesperrt. Für die Menschen ist die Bahn deshalb zum wichtigsten Transportmittel geworden. Über die Schiene werden auch Güter transportiert. Mehr als 24.000 Kilometer lang ist dem Unternehmen zufolge das Schienennetz. Zwei Drittel der Strecken seien stark ausgelastet. Etwa 9000 Frauen sorgen der Doku zufolge für einen reibungslosen Zugbetrieb.
Die «Eisenbahnladys» zeigt eine weitere Facette des Krieges und seiner Folgen. In der Reportage schildert eine Fahrkarten-Verkäuferin ihre Erfahrungen. Die Kamera nimmt die Zuschauer zudem mit in eine zum Teil zerstörte Werkstatt und in eine Gießerei, wo Ersatzteile hergestellt werden. Überall arbeiten Frauen.
Ein Bahnübergang nahe Borodjanka nordwestlich der Hauptstadt Kiew ist der Arbeitsplatz von Olena. Sie sorgt dafür, dass keine Unfälle passieren. Sie kontrolliert auch vorbeifahrende Züge auf Schäden. «Die Eisenbahn ist die Lebensader des Landes», sagt sie. «In Kriegszeiten lastet alles auf uns Eisenbahnern.»
Der Film hat neben dem Krieg aber auch eine zweite Erzählebene: Er zeigt, dass es Frauen zum Beispiel in dem von Männern dominierten Beruf des Lokführers noch immer schwer haben. Viktoria ist Assistenzlokführerin. Der Traum der 24-Jährigen ist es, selbst einmal den Regionalzug in Kiew zu steuern. Noch darf sie ihrem männlichen Kollegen nur assistieren. Die Kamera begleitet sie bei ihren Kontrollgängen durch den Zug. Die junge Frau wirkt hoch motiviert.
Zugleich wird deutlich, was es bedeutet, während des Krieges in einer Lokführerkabine zu stehen. «Wir können im Gegensatz zu unseren Kollegen und anderen Leuten nirgends Schutz suchen», sagt Viktoria. «Wir können während eines Luftangriffs nicht einfach aufhören, mitten auf der Strecke stehenbleiben und weglaufen.»