Heil will langfristige Rentenreform noch in diesem Jahr angehen

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Empfehlungen der Rentenkommission für eine Reform des Rentensystems. Foto: Michael Kappeler/Dpa
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Empfehlungen der Rentenkommission für eine Reform des Rentensystems. Foto: Michael Kappeler/Dpa

BERLIN: Die Gesellschaft wird älter. Die Zahl der Rentner steigt, aber nicht die der Beitragszahler. Wie die Rentenkasse das stemmen soll, darüber haben Experten beraten und nun der Regierung Empfehlungen vorgelegt. Der Sozialminister plant eine schnelle Umsetzung.

Bundessozialminister Hubertus Heil will noch in diesem Jahr Vorschläge für eine langfristige Rentenreform vorlegen. Das kündigte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin an. Zuvor hatte die Rentenkommission der Bundesregierung in ihrem Abschlussbericht Empfehlungen für die Sicherung der Rente nach 2025 vorgelegt. Bis dahin gilt die Festlegung, dass das Rentenniveau 48 Prozent des Lohnniveaus nicht unter- und der Beitragssatz für die Rente die 20-Prozent-Grenze nicht überschreiten darf. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent.

Die Kommission aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern, Wissenschaftlern und Fachpolitikern war beauftragt, Empfehlungen für Reformen für die Zeit nach 2025 zu erarbeiten, um die Rente zukunftsfest zu machen. Die Rentenkasse steht vor Problemen, weil wegen der Alterung der Gesellschaft immer weniger Beitragszahler auf immer mehr Rentner kommen.

In dem Bericht wird nun vorgeschlagen, dass das Sicherungsniveau - also das Verhältnis einer gesetzlichen Standardrente nach 45 Beitragsjahren zu den Löhnen - in einem Korridor zwischen 44 und 49 Prozent liegen solle. Beim Beitragssatz wird ein Korridor zwischen 20 und 24 Prozent empfohlen. Empfehlungen zu einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters über die derzeit geplanten 67 Jahre hinaus gibt die Kommission nicht. Beschlossen ist bereits, dass die Regelaltersgrenze bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre steigt. Die Experten machen in ihrem Bericht zudem Vorschläge für die Zukunft der privaten und betrieblichen Altersvorsorge.

Heil sagte, er werde die Empfehlungen der Kommission jetzt auswerten und auf deren Basis gesetzgeberische Vorschläge machen. «Man kann damit rechnen, dass das in der zweiten Jahreshälfte der Fall sein wird», sagte Heil. Er persönlich halte auch über 2025 hinaus ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent für sinnvoll, aber das müsse in der großen Koalition diskutiert werden.

Von Verbänden und Parteien wurde das 126-seitige Papier der Rentenkommission unterschiedlich interpretiert und sowohl gelobt als auch kritisiert. Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und selbst Mitglied der Expertenkommission, sagte, den im Bericht festgelegten Korridor zwischen 44 und 49 Prozent könne der DGB nicht unterschreiben. Es müsse ein Rentenniveau von 48 Prozent als definitive Untergrenze festgelegt werden. Buntenbach hatte in dem Papier auch ein entsprechendes Sondervotum abgegeben.

IG Metall und Arbeiterwohlfahrt Awo begrüßten, dass die Kommission keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters empfehle. Das wäre sozialpolitisch unverantwortlich, solange die überwiegende Mehrheit der Versicherten noch nicht einmal die 67 Jahre schaffe, sagte Awo-Chef Wolfgang Stadler.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) versteht den Kommissionsbericht in diesem Punkt ganz anders: Die BDA begrüßte, dass eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze über 67 Jahre hinaus nicht «tabuisiert» werde. Die BDA warnte zudem davor, bei der Zukunft des Rentensystems die Entwicklung der gesamten Belastung der Beitragszahler aus den Augen zu verlieren. Diese drohe von derzeit knapp 40 Prozent der Löhne und Gehälter auf rund 50 Prozent im Jahr 2040 zu steigen.

Die Oppositionsparteien im Bundestag reagierten mit Kritik: Der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Matthias Birkwald, sprach von einem weiteren erwartbaren «Sinkflug des Rentenniveaus». Der rentenpolitische Sprecher der FDP, Johannes Vogel, nannte die Rentenkommission einen «Reinfall» und sprach von «sang und klanglosen Empfehlungen», statt konkreten Maßnahmen.

Der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe, auch Selbstständige, Politiker und Beamte sollten in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Dazu heißt es im Bericht der Rentenkommission, einer nachhaltigen Finanzierung diene die Einbeziehung von Beamten voraussichtlich eher nicht. Einer Entlastung stünden durch die Aufnahme dann langfristig auch hohe zusätzliche Rentenleistungen gegenüber.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 01.04.20 19:35
Herr Schiffer, es ist schon interessant, wie Sie
die Einkommensverhältnisse und die Lebensumstände Ihres Vaters schildern. Nur mir den Wohnungen habe ich nicht ganz verstanden, denn in der einen leben und der anderen wohnen sie. Beide Wohnungen werden Sie sicherlich auch mal erben. Was die Rentenberechnung anbetrifft, sollten Sie sich an die BfA wenden, die Ihnen genau die Rentenformel erklärt.
Jürgen Franke 29.03.20 20:16
Werter Martin, Ihre Fragen in Ihrem
Kommentar erübrigen sich, denn die monatlichen Beträge unserer Rente, die Sie kennen, sind bis 2025 gesichert. Alles, was Heil machen will, kommt nach diesem Datum, sofern wir den Virus überlebt haben. Haben Sie erst einmal Geduld, wie wir den wirtschaftlichen Rückschlag, der nun zwangläufig zu erwarten ist, übrigens auch ohne Virus, verkraften werden. Bereiten Sie darauf vor, dass der Regierung wieder etwas einfallen wird, um Wählerstimmen zu gewinnen und die Versicherungsunternehmen zu stärken. Immer daran denken, dass wir bestimmen, wer uns die Mogelpackungen verabreicht.
Martin Con carne 29.03.20 14:32
Rettungspakte
Mal wieder werden fette Rettungspakete für Hinz und Kunz beshlossen, aber die Renter bleiben wieder unberücksichtigt.
Wo ist der Sozialstaat wenn es um die Rentner geht?
Alle kann man retten, aber den Rentnern kann man keinen schönen Lebensabend gönnen?
Eine Rente, wie bei vielen unserer Nachbarn, wäre sinnvoll und nicht wieder so eine Mogelpackung wie die Mindestrente für Ostdeutsche Minderheiten
Jürgen Franke 28.03.20 17:09
Eine Forderung, die durchaus sinnvoll ist,
wäre die Einführung, dass auch Beamten, Selbstständige und Beamte in die Rentenversicherung einzuzahlen haben. Die Österreicher machen das schon lange, so dass dort die durchschnittliche Rente unserer Nachbarn deutlich höher ist, als in Deutschland. Eine Forderung der Grünen, die ich bisher immer nur von den Linken kannte.