Umstrittene Anwältin der Verschwundenen

​Hebe de Bonafini  

In Buenos Aires versammeln sich Dutzende von Menschen auf der Plaza de Mayo, um der kürzlich verstorbenen Aktivistin Hebe de Bonafini zu gedenken. Foto: epa/Nrique Garcia Medina
In Buenos Aires versammeln sich Dutzende von Menschen auf der Plaza de Mayo, um der kürzlich verstorbenen Aktivistin Hebe de Bonafini zu gedenken. Foto: epa/Nrique Garcia Medina

BUENOS AIRES: Hebe de Bonafini wollte eigentlich immer nur Hausfrau und Mutter sein, doch die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur machten sie zu einer der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen der Welt. Nachdem ihre beiden Söhne und ihre Schwiegertochter von den Militärs verschleppt worden waren, gründete sie 1977 mit anderen Frauen die Organisation Madres de Plaza de Mayo (Mütter des Platzes der Mairevolution).

Jeden Donnerstag demonstrierten sie mit weißen Kopftüchern auf dem Platz vor dem Regierungspalast im Zentrum von Buenos Aires und forderten Aufklärung über das Schicksal ihrer Kinder. Nun ist Bonafini im Alter von 93 Jahren gestorben.

Die Regierung ordnete drei Tage Staatstrauer an. «Wir schätzen sie als internationales Symbol für Erinnerung, Wahrheit und Gerechtigkeit für die 30.000 Verschwundenen. Als Gründerin der Mütter der Plaza de Mayo hat sie in der Dunkelheit der Militärdiktatur Licht gespendet und vor 40 Jahren den Weg für die Rückkehr zur Demokratie geebnet», hieß es in einer Mitteilung von Präsident Alberto Fernández.

Bonafini stammte aus einfachen Verhältnissen und interessierte sich eigenen Angaben nach nie für Politik. Ihre Söhne hingegen schlossen sich in den 1970er Jahren der Studentenbewegung an und gerieten nach dem Putsch ins Visier der neuen Machthaber. Bonafinis ältester Sohn wurde auf einer Polizeiwache gefoltert und ermordet. Ihr jüngerer Sohn verhungerte und verdurstete im Geheimgefängnis «La Cacha». Ihre Schwiegertochter wurde erschossen. Bonafini sagte mehrfach, dass sie den Tätern niemals verzeihen werde.

Während der Militärdiktatur (1976-1983) verschwanden nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen bis zu 30.000 Regierungsgegner, linke Aktivisten, Gewerkschafter und Studenten. Viele politische Häftlinge wurde bei den sogenannten Todesflügen von Marineflugzeugen aus, lebend in den Rio de la Plata geworfen. Andere wurden getötet und ohne Kennzeichnung auf normalen Friedhöfen bestattet oder auf den Geländen von Polizei- und Militärkasernen verscharrt. In vielen Fällen ist das Schicksal der Diktaturopfer noch immer unklar. Aktivisten gehen zudem davon aus, dass rund 500 Kleinkinder ihren Eltern weggenommen und unter falscher Identität an Zieheltern übergeben wurden.

Nach dem Ende der Militärdiktatur setzten sich die Madres de Plaza de Mayo zunächst vor allem für die strafrechtliche Aufarbeitung der verübten Verbrechen und das Gedenken an die Opfer ein. Später bezogen sie auch zu anderen gesellschaftspolitischen Themen Stellung. Das führte zur Abspaltung der Línea Fundadora (Gründerinnen-Linie), die diese politische Positionierung ablehnt und sich als reine Menschenrechtsgruppe versteht.

Wegen ihres autoritären Führungsstils und umstrittener Aussagen geriet Bonafini auch immer wieder in Kritik. So rechtfertigte sie die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001, unterstützte die Diktatur auf Kuba und galt als Sympathisantin der linken kolumbianischen Guerillaorganisation FARC.

Während der Amtszeit von Néstor Kirchner (2003-2007) und Cristina Fernández de Kirchner (2007-2015) unterhielt Bonafini enge Beziehungen zur Regierung. Später wurde gegen sie wegen mutmaßlicher Veruntreuung von Millionen-Beträgen beim Bau von Sozialwohnungen ermittelt.

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