Berlin: Ob glatte Beine oder haarlose Achseln: Dass Frauen immer wieder zur Klinge greifen, um für sie lästige Haare loszuwerden, ist nicht neu. Geht es nach einem aktuellen Hautpflege-Trend, soll nun auch das Gesicht von möglichst vielen Härchen befreit werden.
Dermaplaning nennt sich das Phänomen, das auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok die Runde macht. Unter dem Hashtag #dermaplaning lassen sich aktuell allein auf Instagram 2,8 Millionen Beiträge finden. Mehrheitlich junge Frauen entfernen dabei die feinen Härchen auf Stirn, Wangen, Kinn und Nase mithilfe eines Rasierers oder Skalpells. Viele verwenden für die Rasur weißes Trockenshampoo, sodass auch die kleinsten Haare sichtbar sind. Auch in manchen Kosmetikstudios wird das Dermaplaning als Gesichtsbehandlung angeboten. Ein Faktencheck zeigt, was die Gesichtsrasur tatsächlich kann.
Behauptung
Dermaplaning hat einen dermatologisch nachgewiesenen Nutzen, sorgt für glatte, reine Haut und lässt Pflegeprodukte besser wirken.
Bewertung
Stimmt nur zum Teil. Fachleute raten davon ab.
Fakten
Dermaplaning ist nach Ansicht der Dermatologin Yael Adler «keine wissenschaftlich fundierte oder empfohlene Methode». Gleitet man mit einem Skalpell oder einem Rasierer über das Gesicht, werden nicht nur Flaumhärchen, sondern auch tote Schuppen und damit die oberste Schicht der Hautbarriere entfernt. Dadurch wirke das Gesicht erst einmal glatter, erklärt Adler im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
«Allerdings ist die Hautbarriere etwas, was wir brauchen, was wir eigentlich stabil halten wollen, was wir nicht ausdünnen wollen», sagt die Hautärztin. Denn die natürliche Barriere schützt vor äußeren Einflüssen und versorgt sie mit Fett und Feuchtigkeit. Werde die Barriere geschwächt, könne es zu «Reizungen, zum Eindringen von Allergenen oder Erregern und zum Verlust von Feuchtigkeit» kommen.
Eine robuste Haut stecke eine solche Rasur im Regelfall gut weg, ordnet Dermatologe Ulrich Ohnemus im dpa-Gespräch ein. In solchen Fällen könne das Dermaplaning einen verschönernden Effekt haben. «Nach Entfernung der Härchen ist die Haut glatter und dadurch die Lichtreflexion besser, was letztendlich zu einer strahlenderen Haut verhelfen kann.»
Bei kleinen, harmlosen Mitessern wirke die Rasur mitunter wie ein Peeling. «Dadurch kann sich der Talg besser entleeren, es kommt eventuell zu weniger Mitessern oder kleinen Pickelchen.» Jedoch bestehe «bei empfindlicher Haut und bei Menschen, die das nicht richtig anwenden» das Risiko, dass man sich verletze und Entzündungen bekomme.
Bei Hautkrankheiten ist der Griff zum Rasierer Ohnemus und Adler zufolge keine gute Idee. «Bei Akne sollte man das nicht machen, da man die Pickel aufrasieren und damit die Entzündung schlimmer machen könnte. Dadurch steigt das Narben- und Infektionsrisiko. Eiterbakterien, Herpes- und Warzenviren können verteilt werden», erklärt Adler. «Bei Problemhaut würde ich von der Behandlung abraten», sagt auch Ohnemus.
Glatte Haut, aber keine schnelle Regeneration
Kosmetik-Influencer versprechen auch, dass die Gesichtsrasur die Regeneration der Haut ankurbelt und sich die Zellen rasch erneuern. Wie Adler erläutert, hat die Entfernung der Härchen diesen Effekt aber nicht. «Wenn man die tote Hornschicht oben abträgt, merken die Zellen der lebendigen Schicht überhaupt nicht, dass das da oben passiert ist, und deshalb gibt es auch keinen Einfluss auf die Regeneration der Haut.» Auch die Haarwurzeln seien nicht betroffen, «wenn draußen der tote Hornfaden gekappt wird. Sie wachsen dann nicht schneller nach.»
Die Regenerationszeit der Oberhaut, während der die Zellen von der Basalzellschicht bis in die obere Hornschicht wanderten, liege bei etwa vier bis sechs Wochen, erklärt Ohnemus. Trage man die obere Hornschicht ab, werde der Prozess «nicht unbedingt beschleunigt, aber man hat die oberen Hornzellen abgelöst, was zu einer gewissen Glättung führt».
Pflegeprodukte wirken stärker ein
Dass Pflegeprodukte nach einer Rasur besser wirken könnten, sei richtig, sind sich Adler und Ohnemus einig. «Wenn man die obere Hautschicht ausdünnt, ist es in der Tat so, dass Wirkstoffe aus Pflegeprodukten näher an die tieferen Zelllagen der Oberhaut herankommen», sagt Adler. Die «Penetration von bestimmten Stoffen wird durch die Schädigung der Barrierefunktion beschleunigt», erklärt auch Ohnemus.
Allerdings bestehe die Gefahr, dass Pflegeprodukte Reizungen hervorriefen. Vor allem dann, wenn bereits Unverträglichkeiten vorhanden sind oder das Gesicht trocken oder sensibel ist. «Diese Substanzen können plötzlich die Immunzellen in der Oberhaut erreichen, diese sensibilisieren. Diese Zellen gehen dann zu den Lymphknotenstationen und aktivieren das Immunsystem.» Mitunter komme es zur Entwicklung von Kontaktallergien mit Rötungen, Entzündungen, Pickelchen, Bläschen und Juckreiz.
Vorsicht vor Hautpflege-Trends
Für die Rasur Trockenshampoo zu verwenden, ist häufig auch Teil des Dermaplaning. Sinnvoll sei das allerdings nicht - im Gegenteil, meint Adler. «Es gibt keinen medizinischen Nutzen, das Trockenshampoo zu verwenden, außer, dass es cool aussieht.» Das Mittel für die Haare «bindet Öl und trocknet aus, enthält Silikone, Konservierungsmittel, Lösungsmittel, Alkohol und Allergene und mitunter krebserregende Duftstoffe», erläutert die Ärztin. Für die zarte Gesichtshaut sei Trockenshampoo «definitiv zu aggressiv und kann sogar auch noch die Poren verstopfen».
Die Dermatologin sieht Trends wie Dermaplaning allgemein skeptisch. «Ganz viele Social-Media-Trends werden nachgemacht, in der Hoffnung, dass sie irgendwas bringen. Man nutzt da viele Produkte, man nutzt Verfahren, man gibt Geld aus und wenn man Glück hat, entsteht kein Schaden.» Mit etwas Pech bekomme man jedoch «eine Kontaktallergie, eine Entzündung oder eine Reizung und man hat Geld verloren.»