Haustiere sindfür Forscher kein Grund zur Sorge

Kein Grund zur Sorge! Haustieren wie Katzen und Hunden scheint der Coronavirus wenig oder gar nichts auszumachen. Auch ein chinesisches Experiment bestätigt dies. Foto: Nicolas Armer/dpa
Kein Grund zur Sorge! Haustieren wie Katzen und Hunden scheint der Coronavirus wenig oder gar nichts auszumachen. Auch ein chinesisches Experiment bestätigt dies. Foto: Nicolas Armer/dpa

BERLIN: Für den Menschen bedeutet das neue Coronavirus eine der größten Krisen seit langem. Haustieren wie Katzen und Hunden scheint der Erreger dagegen wenig oder gar nichts auszumachen. Auch ein chinesisches Experiment ändert daran für deutsche Forscher nichts.

Können Katzen und Hunde das neue Coronavirus bekommen? Bei Achim Gruber steht zu dieser Frage das Telefon kaum noch still. Der Chef der Tierpathologie an der Freien Universität Berlin gilt in Deutschland als ausgewiesener Kenner von Tierkrankheiten. Für Hunde gibt er sofort Entwarnung. Bei Katzen sei die Forschungslage deutlich unklarer, aber generell sieht Gruber auch bei ihnen keinen Grund zur Sorge - geschweige denn zur Panik.

Allein schon, weil es zwar weltweit viele Hunderttausend nachweislich infizierte Menschen gibt. Doch selbst bei dieser großen Zahl seien bisher keine alarmierenden Folgen für ihre Haustiere aufgefallen - oder ein Zusammenhang mit ihnen als mögliche Überträger des neuen Virus auf den Menschen, sagt Gruber.

Er bekommt viele Anfragen von Tierbesitzern: Ob sie ihre Lieblinge nun isolieren sollen? Oder testen lassen? «Wir sagen: Für Hunde nein. Bei Katzen können wir uns noch nicht ganz sicher sein», sagt der Experte. Für Katzen gebe es eine erste, aber schwache Studie, die eine Rolle bei der Übertragung nicht komplett ausschließen lässt. «Aber das heißt noch lange nicht, dass Katzen erkranken - oder gar Menschen infizieren könnten.» Und Tests? «Die sollten im Moment für Menschen eingesetzt werden», betont Gruber.

Die erste Unruhe begann, als am vergangenen Wochenende bei einer Katze im belgischen Lüttich das Coronavirus nachgewiesen wurde. Ihr Halter war nach einer Italienreise nachweislich mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert. Auch die Katze bekam laut dem Bericht der Behörden Durchfall und leichte Atemnot - und das neue Virus wurde auch bei ihr in Magenflüssigkeit und Kot nachgewiesen.

Obwohl es der Mieze schnell besser ging, veröffentlichten die belgischen Behörden seitenlange Verhaltensregeln für Haustierhalter wie: mehr Abstand zum Tier, besser nicht raus lassen - aber bitte nicht das Fell mit Desinfektionsmitteln abschrubben!

Achim Gruber geht das alles zu weit. «Ich sehe diesen Fall in Lüttich extrem kritisch. Das ist sehr spekulativ», urteilt er. «Ich bin nicht überzeugt davon, dass die Katze in Belgien an dieser menschlichen Coronavirus-Infektion erkrankt ist.» Denn es gebe lediglich einen Nachweis des genetischen Materials des Virus im Kot und in einer Magenprobe der Katze. «Ohne jeglichen Beweis, dass dieser Erreger an den klinischen Symptomen dieses Tiers ursächlich beteiligt war», ergänzt er.

Viele Coronaviren könnten die Darm-Passage relativ gut überstehen, ohne Schaden zu nehmen oder anzurichten. Die Katze könnte also auch an etwas ganz anderem erkrankt gewesen sein, schränkt der Tierarzt ein. Sie könne sogar Stresssymptome oder einen Asthma-Anfall gehabt haben. Zum Beispiel, falls ihr erkrankter Halter Angstgefühle zeigte. «Manche Katzen können sehr empfindsame Wesen sein.»

Am Mittwoch machte dann eine chinesische Studie die Runde, nach der Katzen das neue Virus angeblich nachweislich bekommen und sogar an Artgenossen weitergeben könnten. Für die Studie, die vor der Veröffentlichung nicht wie sonst bei seriöser Forschung üblich von anderen Wissenschaftlern kritisch gegengelesen wurde, entfährt Gruber nach der Lektüre spontan das Urteil «schlecht gemacht».

Denn den fünf Versuchskatzen wurde das neue Virus in hohen Dosen in die Nase gespritzt. Das ist schon einmal eine ganz andere Situation, als wenn Mieze auf dem heimischen Sofa liegt. Nach sechs Tagen wurden in China zwei der Versuchskatzen eingeschläfert, um zu sehen, ob sich das Virus in ihren Organen vermehrt hatte. Virus-RNA fand sich dann in ihren oberen Atemwegen, nicht aber in den Lungen. Andere der absichtlich infizierten Tiere wurden in Käfigen neben drei andere Katzen gesetzt - dabei beobachteten die chinesischen Wissenschaftler einen einzigen Fall der Übertragung des Virus.

«Keine der Katzen zeigte Krankheitssymptome», kommentiert Linda Saif von der US-amerikanischen Ohio State University für das Fachmagazin «Nature» das Experiment. Es zeige auch nicht, dass das Virus unter Katzen leicht übertragbar sei. Die Mieze könnte sich auch über Kot oder Urin an ihren Artgenossen angesteckt haben - und nicht über Tröpfchen.

Weitere Studien seien nötig, betont auch Dirk Pfeiffer von der City University in Hongkong in dem Magazin. Sicher sei aber jetzt schon: Katzen seien kein treibender Faktor bei der Ausbreitung der Pandemie. «Das ist und bleibt der Mensch.» Das sieht das deutsche Friedrich-Loeffler-Institut als Bundesforschungsinstitut für Tierseuchen ganz genauso. «Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass Hunde oder Katzen eine Rolle bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 spielen», heißt es.

In Deutschland hätte für einen Versuch wie in China erst einmal eine Ethikkommission zustimmen müssen, sagt Achim Gruber in Berlin. Für ihn gibt es in der chinesischen Studie lediglich lückenhafte Hinweise, dass Katzen durch das Virus infiziert werden und es womöglich auch ausscheiden könnten. «Eine Bedeutung als Überträger für den Menschen ist aber noch völlig unklar.»

Gruber hat andere Quellen. Im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, der am Anfang extrem stark von der Pandemie betroffen war, hätten Forscher auch viele Katzen von infizierten Menschen beprobt. «Sie haben das Virus auf Türklinken gefunden und auf Klodeckeln - aber nicht in einer einzigen Katze», sagt Gruber. «Wir brauchen noch mehr solcher Studien.»

Im Tierheim Berlin, einem der größten in Deutschland, ist Sprecherin Annette Rost bisher zufrieden mit dem besonnenen Verhalten von Haustierbesitzern. «Bei uns werden im Moment sogar weniger Tiere abgegeben als im Vergleichszeitraum», sagt sie. Halter seien über die bekannten Übertragungswege gut informiert. «Nur ein Mann wollte seinen Hund wegen der Coronagefahr abgeben», berichtet Rost. «Ausgerechnet sein Arzt hatte ihm dazu geraten. Da waren wir fassungslos.» Der Besitzer habe sein Tier nach einer Beratung beglückt wieder mitgenommen.

Auch für den Berliner Zoo gilt bisher, dass eine Übertragungswahrscheinlichkeit von Menschen auf Tiere wissenschaftlich nicht erwiesen ist. «Wir sind trotzdem vorsichtig», sagt Sprecherin Philine Hachmeister. Das gelte besonders für die Menschenaffen. Zu ihnen gingen die Pfleger zur Zeit nur mit Schutzmasken. Bei den kleinen Pandas gelten diese Schutzmaßnahmen von ihrer Geburt an.

Schutzmasken bei der Betreuung von Mieze oder Bello zu Hause hält Tierpathologe Gruber dagegen für unnötig. «Der Mensch ist oft ganz schlecht in seiner Risikoabschätzung», sagt er. «Wir können nicht gut reelle Risiken von akut empfundenen Risiken trennen.» Es gebe für Tiere sehr viel gefährlichere Infektionskrankheiten als das neue Virus - eine FIP-Bauchfellentzündung bei Katzen oder den Fuchsbandwurm bei Hunden zum Beispiel.

Auch Abstandsregeln für Haustiere hält Gruber bei der bisherigen Forschungslage für übertrieben. «Für Hunde finde ich das sogar völlig kontraproduktiv und unbegründet.» Und Katzen? Die seien nun mal in jeder Hinsicht geheimnisvoller, sagt Gruber. «Den Kontakt zu tierischen Lieblingen zu vermeiden, das wäre aber gerade jetzt keine gute Lösung.» Denn sie spielten für gestresste Menschen in Quarantäne und bei Ausgehbeschränkungen eine große Rolle. «Sie sind oft Sozialpartner und sie bringen Lebensfreude.»

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