Harte Sprache, weicher Kern?

«I fucking love my Life» von Faber

Foto: epa/Anthony Anex
Foto: epa/Anthony Anex

BERLIN (dpa) - Alle bekommen ihr Fett weg auf Fabers zweitem Album - rechte Wutbürger wie linke Bioladen-Kunden. Der Schweizer Musiker beobachtet eine Welt voller Widersprüche.

Man muss sich als großer Zyniker nicht wundern, wenn man falsch verstanden wird. Und so heißt das zweite Album des Schweizer Musikers Faber auch «I fucking love my Life». Es ist ein mitunter provokanter Abgesang auf die Widersprüche und Zustände unserer Zeit. Auf die Ratlosigkeit als Beobachter des digitalen Jahrmarkts der Eitelkeiten.

Schon nach der Veröffentlichung seines ersten Albums «Sei ein Faber im Wind» (2017) dürfte sich Julian Pollina, wie Faber eigentlich heißt, die wuscheligen Haare gerauft haben. Die Urteile pendelten zwischen höchstem Lob und vernichtender Kritik. Der Züricher sei entweder die Rettung der deutschsprachigen Musik oder ein notgeiler Sexist, hieß es frei übersetzt. Musikalisch bewegte er sich hier noch weitgehend zwischen schmissigen Polka-Rythmen und Chanson, es wurde viel getanzt auf Faber-Konzerten.

«I fucking love my Life» ist getragener, diverser, erfahrener und feiner arrangiert als der Vorgänger. Mehr Streicher prägen die Stimmung des Albums, Synthesizer wie aus den 80ern legen Flächen für federnde Bassläufe, ein Saxofon blitzt auf. Und Leonard Cohen könnte seinen Segen gegeben haben.

Pollina beherrscht den Einsatz des literarischen Stilmittels der Rollenprosa so gekonnt, dass er dank seiner Texte konfrontiert ist mit Anfeindungen aus allen Lagern. Und so gilt auch für das neue Album: «Jede Bevölkerungsgruppe, jede Schicht, alle bekommen was ab, und es sind auch alle beleidigt», wie Faber im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagt.

Das klingt erstmal danach, als schere den Musiker jegliche Kritik kaum. Gleichzeitig bleibt Provokation selten folgenlos - und so auch an Faber haften: «Ich bin da auch sehr in einem Zwiespalt, in einem Dilemma, weil ich finde, dass Kunst dir echt ins Gesicht schlagen soll, polarisieren sollte. Aber es macht halt überhaupt keinen Spaß, eine polarisierende Person zu sein.»

Gleich die erste Single-Auskopplung «Das Boot ist voll» spaltet dann auch nicht nur die Meinungen von Kritikern und Fans. Pollina meint direkt nach der Veröffentlichung, er sei zu weit gegangen. Er will nach eigener Aussage das zu wichtige und heikle Thema nicht durch explizite Wortwahl in den Hintergrund gerückt sehen und ändert eine Textzeile im Refrain. «Falsche Worte, am falschen Ort» seien es gewesen. Doch die Entscheidung werde in den Medien auch als Marketing-Gag verstanden - oder von Fans als Duckmäusertum.

Vor einer bedrohlichen Kulisse aus Streichern und Piano knallt Faber mit dem Lied seine Rechnung auf den Stammtisch «besorgter Bürger» rechter Gesinnung - wo der Holocaust geleugnet und den Medien misstraut wird: «Früher war auch nicht alles schlecht. Das sieht man an der Autobahn. Ihr wärt auch traurig, gäbe es keinen Volkswagen. Wolfsburg, Geniestreich. Logisch denkt man dann manchmal zurück ans Dritte», singt er.

Doch das neue Album feuert nicht nur gegen den «braunen Rand». Es behandelt auch die Konsequenzen des Erfolgs - der einsam machen kann nach einem ersten Album, das Faber in ausverkaufte Hallen und auf große Festivalbühnen stellte. Und es geht natürlich um die Liebe.

In «Highlight» werden alte gegen falsche Freunde ausgetauscht und mehrere Gramm Koks auf dem Smartphone-Bildschirm verteilt - nur um später auf dem Album der gefährlichen Droge natürlich für immer den Rücken kehren zu wollen («Nie wieder»). Und dann sind da die Widersprüche einer Generation zwischen Facebook und Instagram. Im groovenden «Das Leben sei nur eine Zahl» beobachtet Faber die Jagd nach Herzen unter Fotos: Da «wachst du jeden Morgen auf mit deinem Lächeln auf dein' aufgespritzten Lippen - filmst dich beim Pizza-Essen, doch kein Gramm Fett auf deinen Rippen.»

Die «Generation YouPorn» würde gerne Liebe machen, doch sie weiß nicht, wie das geht. Da wird im Auto zum Einkauf gefahren, nach Lima in den Urlaub geflogen oder nach China zu einer Klimakonferenz. Diese Gegensätze im alltäglichen Verhalten sieht Faber im Gespräch auch bei sich selbst, weil man auch «bei sich merkt, dass man Sachen anstrebt aber sich ganz anders verhält. Ich denke schon, dass in mir sehr viele Widersprüche sind, auf die ich nicht klarkomme.»

«Komm her» spielt dann verführerisch deutlich mit dem bekannten Thema eines frühen Radiohead-Songs und wirkt mit seinem mehrminütigen Saxofonsolo wie das flehende Ende der Platte eines sezierend genauen Beobachters. Dieses Ende gibt aber erst «Heiligabig ich bin bsoffe». Es ist Fabers erstes Lied auf Schweizerdeutsch über die einsamen Momente am traurigsten Feiertag des Jahres und über die Konsequenzen der Liebe: «Ich geb' mir die Kugel wie am Weihnachtsbaum».

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