Harsche Kritik an Aktivisten nach Flughafen-Aktion

Fahrgäste bewegen sich vor einer elektronischen Anzeige am Flughafen Berlin-Brandenburg BER in Schönefeld bei Berlin. Foto: epa/Clemens Bilan
Fahrgäste bewegen sich vor einer elektronischen Anzeige am Flughafen Berlin-Brandenburg BER in Schönefeld bei Berlin. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN: Die Kritik an der jüngsten Aktion der Klima-Protestgruppe «Letzte Generation» ist groß. Völlig inakzeptabel, hochriskant, skrupellos, heißt es - der Ruf nach härteren Konsequenzen wird lauter. Mit Folgen: Die Aktivisten ändern plötzlich ihren Ton.

Aktivisten in orangen Warnwesten durchknipsen einen Zaun am Hauptstadtflughafen und marschieren auf das Gelände. Einige von ihnen kleben sich am Boden fest - und legen den Betrieb am BER in Schönefeld lahm. Die jüngste Aktion der Klima-Protestgruppe «Letzte Generation» hat aus Sicht vieler Politiker endgültig eine Stufe erreicht, die nicht mehr hinzunehmen ist. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will bei der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche in München ein länderübergreifendes Vorgehen ansprechen, quer durch die politische Landschaft wird die Aktion scharf verurteilt. Am Freitagabend kündigen die Aktivisten dann an, erstmal auf Proteste in Berlin und München zu verzichten. Eine Verschnaufpause, «um die erhitzten Gemüter etwas zu beruhigen».

Zuvor warnte Spranger davor, «diesen Weg der Eskalation weiterzugehen». Ihre Behörde werde «weiter sämtliche rechtsstaatlichen Mittel zur Verhinderung dieser Gefahren und im Kampf gegen diese Straftaten ausschöpfen», kündigte sie an. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) warb für harte Strafen.

Wenn Leben gefährdet würden und Menschen nicht in den Urlaub könnten, sei das nicht akzeptabel, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dem Fernsehsender Welt. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nannte die Aktion «vollkommen inakzeptabel».

Die CSU im Bundestag forderte eine Änderung des Bundespolizeigesetzes. «Für Straftaten wie die jüngste Störung des Flugbetriebs am BER durch sogenannte Klimaaktivisten muss auch der Präventivgewahrsam im Bundespolizeigesetz ausgeweitet werden», sagte Andrea Lindholz den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Nach Verkehrsblockaden in München befinden sich dort noch 19 Aktivisten in längerem Polizeigewahrsam. Das ist aufgrund des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes möglich. Danach können Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern.

Berlins Innensenatorin nannte noch keine Details zu ihren Plänen. Von einem Sprecher des Innenressorts hieß es, durch ein gemeinsames Vorgehen der Länder sollten Klimademonstranten nach Möglichkeit vorab an Aktionen gehindert werden.

Bis Ende kommender Woche wollen die Aktivisten nun von sich aus in Berlin und München keine Aktionen starten. Man hoffe auf Taten in der Sitzungswoche des Bundestags, teilte die Gruppe am Freitagabend mit. Gleichzeitig warnte sie vor einem Neustart der Proteste mit mehr Schlagkraft. Man werde die Zeit nutzen, um «die vielen Menschen, die sich der Bewegung aktuell anschließen, ordentlich zu trainieren und einzubinden, um mit noch mehr Menschen wiederzukommen».

Eskalation, «immer skrupellosere» Aktionen (Bundesverkehrsminister Volker Wissing, FDP), vollkommen inakzeptabel - die Verurteilung der Aktivisten kann drastischer kaum mehr formuliert werden. «Eine Radikalisierung sehe ich nicht, gerade im Vergleich auch zu anderen Protesten wie die Anti-Atomkraft-Bewegung oder die Friedensbewegung in den 70ern», sagte dagegen die Soziologin Lena Herbers von der Universität Freiburg der Deutschen Presse-Agentur. Sie bezeichnete die Proteste als «überschaubare Gesetzesübertritte, bewusste punktuelle Rechtsbrüche». Die Gruppe bewege sich in einem demokratischen Rahmen, akzeptiere im Kern das System und letztlich auch die Strafen gegen sie.

Zuletzt war die Protestgruppe schon nach dem Tod einer Radfahrerin in Berlin scharf kritisiert worden. Die 44-jährige Frau war am 31. Oktober von einem Betonmischer überrollt worden und später gestorben. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr, das helfen sollte, die eingeklemmte Frau zu befreien, steckte in einem Stau nach einem Klima-Protest. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt auch gegen zwei Aktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen.

Nach der Störaktion am BER ermittelt das Landeskriminalamt Brandenburg gegen sechs Aktivisten unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, Störung öffentlicher Betriebe sowie Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung. Fünf Männer und eine Frau im Alter von 20 bis 32 Jahren seien am Donnerstag bei der Aktion auf dem Flughafengelände in Schönefeld festgenommen und in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Polizeisprecher. Einer der Männer sei auf richterlichen Beschluss weiterhin dort. Die anderen Beschuldigten sind nach seinen Angaben wieder auf freiem Fuß.

In Folge der Aktion wurde der Betrieb auf Start- und Landebahnen für etwa eineinhalb Stunden gestoppt. Fünf Starts mussten nach Angaben des Flughafens gestrichen werden. 15 geplante Landungen wurden demnach etwa nach Leipzig und Dresden umgeleitet.

Am Freitagmorgen lief der Betrieb nach Angaben des Flughafens wieder normal. Die Flughafengesellschaft kündigte an, das Sicherheitskonzept des Hauptstadtflughafens zu überprüfen. Bundesverkehrsminister Wissing rief die Polizei dazu auf, den Vorfall genau aufzuarbeiten. Für die Zukunft müsse die Frage gestellt werden, was genau zu tun wäre, um derartige Vorfälle zu vermeiden. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, forderte eine Sicherheitsüberprüfung aller Flughäfen.

Flughafensprecher Jan-Peter Haak betonte, der knapp 30 Kilometer lange Sicherheitszaun entlang des Flughafengeländes entspreche gesetzlichen Vorgaben nach dem Luftsicherheitsgesetz. Er sei mit einer Alarmanlage ausgestattet und es gebe eine Videoüberwachung für das Flughafengelände, das etwa 2000 Fußballfeldern entspreche.

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