Schlechte Aussichten für die Weltwirtschaft

​Handel, Brexit, China

Hafenarbeiter im Containerhafen von Qingdao im Osten von China. Foto: epa/Wu Hong
Hafenarbeiter im Containerhafen von Qingdao im Osten von China. Foto: epa/Wu Hong

DAVOS/PEKING (dpa) - Eine Rezession? Nein, die stehe nicht bevor, sagt IWF-Chefin Lagarde. Doch der Fonds gibt sich durchaus skeptisch mit Blick auf das Wirtschaftswachstum. Denn es gibt Probleme an allen Fronten. Auch in Deutschland.

Handelskonflikte, Brexit und nun auch noch ein langsameres Wachstum des wichtigen Markts China: Die Aussichten für die globale Wirtschaft sind so schlecht wie seit langem nicht mehr. 2019 werde die weltweite Wirtschaftsleistung nur noch um 3,5 Prozent steigen, heißt es in der Fortschreibung des Weltwirtschaftsberichtes des Internationalen Währungsfonds (IWF), die am Montag vor Beginn der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos vorgestellt wurde. Die neue IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath rief mit Nachdruck dazu auf, die Unsicherheit rund um den Brexit zu lösen. «Ein «No Deal»-Brexit ist eines der größten Risiken für unsere Vorhersage.»

Besondere Sorgen bereitet die Entwicklung in China: Wie das Statistikamt in Peking mitteilte, wächst die Wirtschaft so langsam wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Sie erreichte im vergangenen Jahr nur noch ein vergleichsweise schwaches Wachstum von 6,6 Prozent im Vergleich zu 2017. Unter der Konjunkturschwäche in China leidet auch die exportabhängige deutsche Wirtschaft. Die Bundesbank allerdings zeigte sich durchaus optimistisch. Die deutsche Wirtschaft habe vor allem dank eines starken Konsums gegen Jahresende die Trendwende geschafft.

Dafür sprächen die im November stark gestiegenen Umsätze im Einzelhandel. Der Arbeitsmarkt präsentiere sich «weiter in hervorragender Verfassung», viele Beschäftigte hätten unter dem Strich mehr Geld zu Verfügung, schrieben die Volkswirte der Bundesbank in ihrem Monatsbericht Januar. Weiter belaste aber ein deutlicher Rückgang der Industrieerzeugung, zudem normalisiere sich die Produktion in der Automobilbranche nach der Einführung des neuen Abgas- und Verbrauchsstandards WLTP «wohl nur sehr zögerlich». Gerade die Probleme im Autosektor bremsten das Wachstum in Deutschland, betonte auch IWF-Chefvolkswirtin Gopinath.

Das Statistische Bundesamt hatte in der vergangenen Woche in einer ersten Schätzung von einem «leichten Plus» in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres im Vergleich zum Vorquartal gesprochen. Für das Gesamtjahr 2018 hatte die Wiesbadener Behörde vorläufig ein Plus von 1,5 Prozent errechnet - nach jeweils 2,2 Prozent Wirtschaftswachstum in den Jahren 2016 und 2017.

Weltweit sieht es für die nähere Zukunft düsterer aus. Die neue IWF-Prognose liegt um 0,2 Punkte unter der vom vergangenen Oktober - die ohnehin schon zurückgenommen worden war. Für 2020 sagt der IWF nun ein weltweites Wachstum von 3,6 Prozent voraus, 0,1 Punkte weniger als noch im Oktober prognostiziert. «Steht eine globale Rezession bevor? Nein. Aber das Risiko einer stärkeren Abnahme des Weltwirtschaftswachstums ist sicherlich gestiegen», sagte IWF-Chefin Christine Lagarde. Sie forderte, Spitzenpolitiker müssten die Gefahren ansprechen und bereit sein, wenn sich das Wachstum ernsthaft verlangsame.

Die Situation könnte sogar noch etwas schlechter sein, sollte sich herausstellen, dass es einen Vorzieheffekt bei internationalen Bestellungen aus Furcht vor der Einführung von Zöllen gegeben haben sollte. Eine Eskalation der Handelskonflikte sei ein wesentliches Risiko für die Wirtschaftsentwicklung, stellte der IWF fest.

China leidet auch unter hausgemachten Problemen wie einem ausufernden Kreditwachstum. Das Wachstumstempo verlangsamte sich zum Jahresende. Es fiel im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf nur noch 6,4 Prozent - ähnlich niedrig wie zuletzt 2009 nach Ausbruch der globalen Finanzkrise. Ohne konkret auf neue Unsicherheiten oder den Handelsstreit mit den USA einzugehen, rief Staats- und Parteichef Xi Jinping alle Mitglieder der Führung auf, «größere Risiken zu vermeiden und zu entschärfen, um eine anhaltende und gesunde wirtschaftliche Entwicklung und soziale Stabilität sicherzustellen», zitierte ihn Chinas Staatsagentur Xinhua.

Sorgen bereitet vor allem der Handelskrieg mit den USA. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat China eine Frist bis 1. März gesetzt und droht bei mangelndem Entgegenkommen mit neuen Strafzöllen auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden US-Dollar. Trump will das Handelsdefizit der USA mit China verringern, fordert mehr Marktöffnung und einen wirksamen Kampf gegen den Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungenen Technologietransfer.

Die Aussichten für die chinesische Wirtschaft für das angelaufene Jahr sind ungünstig. Die Weltbank und Experten rechnen damit, dass das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft unter 6,5 Prozent fallen wird. IWF-Chefvolkswirtin Gopinath gab sich allerdings gelassen: Das letztjährige Wachstum von 6,6 Prozent entspreche exakt den Voraussagen. «Derzeit passiert nichts Dramatisches.»

Deutsche Unternehmen dürften sich in China künftig mehr zurückhalten. Autobauer, die stark vom Reich der Mitte abhängig sind, bekommen bereits die Abkühlung zu spüren. Der größte Fahrzeugmarkt der Welt hatte 2018 zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten einen Rückgang der Verkäufe hinnehmen müssen.

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