Halbzeit für Trump

Chaos-Jahre in Washington

Foto: epa/Chris Kleponis
Foto: epa/Chris Kleponis

WASHINGTON (dpa) - Dass Donald Trump kein gewöhnlicher US-Präsident werden würde, war absehbar. Wie sehr er Washington, die USA und die alte Weltordnung durcheinanderwirbeln würde, war kaum zu ahnen. Nun steht die zweite Hälfte der Trump-Show an - bitte anschnallen!

Donald Trump steht vor wenigen Tagen auf dem verschneiten Hubschrauberlandeplatz am Weißen Haus vor Journalisten, eine Reporterin fragt den Präsidenten der USA: «Haben Sie jemals für Russland gearbeitet?» Dass eine solche Frage überhaupt gestellt wird, dass Trump sich zu einem empörten Dementi genötigt sieht, das alles sagt viel über die ersten zwei Jahre dieser Präsidentschaft aus. Am Sonntag ist Halbzeit für Trumps Amtsperiode, die von Chaos, Skandalen und einer Außenpolitik der Abrissbirne gezeichnet ist. In der zweiten Halbzeit könnte der Ritt erst so richtig losgehen.

Trump schlägt umso mehr um sich, je stärker er sich in die Ecke gedrängt fühlt - und der Druck auf ihn wird noch zunehmen. Bei den Russland-Untersuchungen wühlt FBI-Sonderermittler Robert Mueller weiter in Trumps womöglich nicht ganz lupenreiner Vergangenheit. Wie ein Damoklesschwert schwebt ein drohendes Amtsenthebungsverfahren über Trump. Das Verfahren hätte nach derzeitigem Stand zwar keinen Aussicht auf Erfolg - aber wer weiß, was Mueller zu Tage fördert.

Und nicht nur von Muellers Seite aus droht Trump Ungemach. Die Mehrheitsverhältnisse in Washington haben sich geändert, seit Jahresbeginn kontrollieren die oppositionellen Demokraten das Repräsentantenhaus. Sie laufen sich schon warm dafür, Trump in seiner zweiten Halbzeit mit eigenen Untersuchungen zu überziehen.

Vor der zweiten Halbzeit wird allerdings erst einmal Bilanz gezogen, und ein Urteil fällt auf jeden Fall rundum positiv aus: das von Trump über Trump. «Keine Regierung hat in den ersten zwei Jahren mehr getan als die Trump-Regierung», hat er im vergangenen Monat gesagt und in ähnlicher Form dutzendfach behauptet. Dieses Eigenlob gehört zu den 7645 falschen oder irreführenden Behauptungen Trumps, die die «Fact Checker» der «Washington Post» zwischen der Amtseinführung des Präsidenten und dem Ende des vergangenen Jahres gezählt haben.

Dass Trumps Eigenlob einer Überprüfung nicht standhält, bedeutet nicht, dass seine Regierung keines seiner Ziele erreicht hätte. Der Präsident hat eine Steuer- und eine Strafrechtsreform durchgebracht. Trotz des Handelskriegs, den Trump mit China vom Zaun gebrochen hat, brummt die US-Wirtschaft. Trump hat nicht nur zwei Richter am Supreme Court ernannt, sondern auch mehr als 80 weitere Bundesrichter - auf Lebenszeit. Das könnte die Justiz auf Jahrzehnte konservativ prägen.

Trumps erstaunlichster Erfolg als Politiker dürfte aber ein anderer sein: Dass der Milliardär vor allem weißen Angehörigen der unteren Mittelschicht weismachen konnte, einer der ihren zu sein. Der Sender CNN nennt das «den größten Trick, den Donald Trump jemals abgezogen hat». Als Trump kürzlich beim längsten «Shutdown» der Geschichte auf die Lage der vielen Bundesangestellten angesprochen wurde, deren Gehalt wegen des teilweisen Regierungsstillstands nicht bezahlt wurde, sagte er allen Ernstes: «Ich kann das nachvollziehen.»

Trumps Anhänger sind oft christlich, puritanisch und konservativ. Dennoch vergeben sie Trump Dinge, bei denen sich ihnen eigentlich die Nackenhaare aufstellen müssten: zum Beispiel Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels sowie an das ehemalige Playmate Karen McDougal im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Beide Frauen behaupten, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, er dementiert.

Auch Trumps befremdliches Anbiedern an den russischen Präsidenten Wladimir Putin und an den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un prallt an vielen seiner Anhänger ab. Das gilt ebenso für den Verdacht, dass es geheime Absprachen zwischen dem Trump-Lager und Vertretern Russlands im Wahlkampf 2016 gegeben haben könnte, was Mueller bei seinen Ermittlungen prüft - und was Trump dementiert.

Dass Russland sich in den Wahlkampf eingemischt hat, davon sind US-Sicherheitsbehörden überzeugt. Trump äußerte daran im Sommer vergangenen Jahres Zweifel - ausgerechnet bei einer Pressekonferenz mit Putin, der sich ins Fäustchen gelacht haben dürfte.

Während Putin die Präsidentschaft Trumps zupass kommt, gilt das weniger für traditionelle Verbündete der USA. Trump hat die alte Weltordnung auf den Kopf gestellt. Regelmäßig brüskiert er seine Nato-Partner. Die «New York Times» berichtete vor wenigen Tagen unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, im vergangenen Jahr habe Trump mehrfach sogar einen Austritt der USA aus der Nato ins Spiel gebracht - ein Schritt, der das 70 Jahre alte Bündnis zerstören könnte.

Trumps Amtszeit wird auch von seinen Versuchen geprägt, Regeln und Gepflogenheiten auszuhebeln. Ex-Außenminister Rex Tillerson, der im März entlassen wurde, sagte vor kurzem, er habe auf Trumps Vorhaben oft antworten müssen: «Herr Präsident, ich verstehe, was Sie tun wollen, aber Sie können das so nicht tun. Das verstößt gegen das Gesetz, das verstößt gegen Abkommen.»

Tillerson nannte Trump «einen Mann, der ziemlich undiszipliniert ist, nicht gerne liest, keine Berichte liest, bei vielen Dingen nicht ins Detail gehen will, sondern gewissermaßen eher sagt: «Das ist, was ich glaube».» Ähnlich klingen Beschreibungen in Enthüllungsbüchern wie dem von Star-Reporter Bob Woodward. Dort wird ein Bild von Trump als ahnungslosem Regierungschef gezeichnet, das Weiße Haus wird als «Crazytown» beschrieben - als ein Hort des Chaos.

Das Chaos wird sich womöglich weiter verschärfen, wenn die Trump-Show am Sonntag in die zweite Hälfte geht. Und vielleicht steht danach noch eine Verlängerung an: Wenn das Publikum - der amerikanische Wähler - das so entscheidet. Showmaster Trump hat jedenfalls schon angekündigt, dass er sich 2020 zur Wiederwahl stellen will - und am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zweifelt bislang niemand.

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