Proteste in Kuba werfen langen Schatten

Haft, Exil und Flucht

Die kubanische Sängerin Osmani Garcia 'La Voz' (L), steht neben einer Toilette aus Pappe mit dem Bild des kubanischen Präsidenten Miguel Diaz Canel. Foto: epa/Cristobal Herrera-ulashkevich
Die kubanische Sängerin Osmani Garcia 'La Voz' (L), steht neben einer Toilette aus Pappe mit dem Bild des kubanischen Präsidenten Miguel Diaz Canel. Foto: epa/Cristobal Herrera-ulashkevich

HAVANNA: Das hatte es wohl so seit Castros Revolution nicht gegeben: Vor einem Jahr gingen die Kubaner in Dutzenden Städten gegen Misswirtschaft und Repression auf die Straße. Die Regierung schickte Hunderte ins Gefängnis und andere ins Exil - einer von ihnen landete in Berlin.

So wichtig sei er sich noch nie vorgekommen, erzählt Hamlet Lavastida. Als er vergangenen September aus seiner Heimat Kuba nach Polen abgeschoben worden sei, habe man ihn und seine damalige Freundin mit Polizeieskorte zum Flughafen von Havanna gefahren und in den VIP-Bereich geführt. Um die 20 Geheimdienstagenten hätten sie zur Tür eines Linienfliegers gebracht, ihnen die Koffer ins Flugzeug getragen und Telefon, Reisepass und Bordkarte in die Hand gedrückt.

So war der bildende Künstler nach 93 Tagen Haft plötzlich frei, wie er der Deutschen Presse-Agentur aus dem Exil in Berlin erzählt - von Polen, wo er Familie hat, ist er inzwischen dorthin gezogen. Wie genau es zu der Abschiebung kam, ist dem 38-Jährigen bis heute nicht ganz klar. Wohl wegen der politischen Inhalte seiner Kunst und seiner Mitgliedschaft in regierungskritischen Gruppen war Lavastida im berüchtigten Gefängnis Villa Marista in Havanna gelandet. Kurz darauf erlebte er, wie sich der Knast nach einem für Kuba außergewöhnlichen Ereignis füllte: den Demonstrationen vom 11. Juli vor einem Jahr.

Ein wichtiger Auslöser der Proteste war die schwere wirtschaftliche Situation - die Knappheit an Lebensmitteln und Medikamenten, die häufigen Stromausfälle. Dazu trugen unter anderem der Einbruch des Tourismus in der Pandemie und das US-Embargo bei.

Die Tausenden Menschen, die anscheinend spontan im ganzen Land auf die Straßen gingen, forderten aber auch Freiheit und riefen «nieder mit der Diktatur». Bilder zeigten überwiegend friedliche Proteste, vereinzelt auch Randale. Nach einem Bericht der Aktivistengruppen Justicia 11J und Cubalex waren die Demos beispiellos in der Zeit seit der Revolution von 1959. In rund 60 Orten sei protestiert worden.

Lavastida war schon davor ins Visier der Regierung geraten. Im Staatsfernsehen war angeprangert worden, dass er in einer privaten Messenger-Gruppe eine Aktion vorgeschlagen hatte, bei der das Logo der Künstlergruppe 27N auf kubanische Geldscheine gestempelt werden sollte. So wurde er im Juni 2021 nach seiner Rückkehr von einem einjährigen Stipendium im Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg festgenommen. Ihm sei Anstiftung zu einer Straftat vorgeworfen und mit langer Haft gedroht worden, sagt er.

Um freizukommen, musste Lavastida nach eigenen Angaben Reue äußern und sich zur Zusammenarbeit mit dem «Staatssicherheit» genannten Geheimdienst des Innenministeriums bereit erklären. Er habe niemandem davon erzählen dürfen und sofort das Land verlassen müssen - wohin, habe man ihm nicht gesagt. «Das war reines Theater; ich habe das nur gemacht, um aus der Situation rauszukommen», sagt Lavastida.

Zum Abschied vom Gefängnis habe es auch eine Warnung gegeben: Sollte er sich wieder feindselig gegenüber der Regierung verhalten und nach Kuba zurückkehren, werde er direkt wieder nach Villa Marista kommen. «Ich hole dich persönlich vom Flughafen ab», habe ihm ein Agent dort mit auf den Weg gegeben. In dem Gefängnis gab es laut dem Künstler enge Zellen, psychische Folter und häufige Verhöre. Noch immer leide er unter Träumen, Klaustrophobie und Platzangst, meide Menschen.

Die Regierung stellte die Demos als Destabilisierungsversuch der USA dar. «Der Kampfbefehl ist erteilt, Revolutionäre auf die Straße», sagte Staatspräsident Miguel Díaz-Canel. Auf Videos war zu sehen, wie teils in zivil gekleidete Sicherheitskräfte Demonstranten mit Fäusten und Stöcken schlugen, sie in Autos zerrten und auch Schüsse abgaben. Der Tod eines Demonstranten wurde offiziell bestätigt. Das mobile Internet wurde abgeschaltet. Später wurde das Strafrecht verschärft. Die Generalstaatsanwaltschaft teilte am 13. Juni mit, wegen der «Unruhen» seien 381 Menschen verurteilt worden, 297 zu Haftstrafen.

Dem Aktivistenbericht zufolge wurden mehr als 1400 Menschen festgenommen, etwa die Hälfte sei noch in Haft. Mindestens 584 von ihnen seien, teils in Schnellverfahren, zu bis zu 30 Jahre Haft oder anderen Strafen verurteilt worden - darunter mindestens 27 Minderjährige. Die Anklagepunkte lauteten etwa öffentliche Unruhe, Ungehorsam, Aufruhr und Beleidigung der Symbole des Vaterlandes.

Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte erhielt auch ein seit 1985 in Deutschland lebender Deutsch-Kubaner, Luis Frómeta, 25 Jahre Haft. Der Dresdner war demnach zu Besuch auf Kuba gewesen und hatte die Proteste privat mit dem Handy gefilmt. Es gehe ihm gesundheitlich schlecht. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, eine konsularische Betreuung Frómetas sei nur eingeschränkt möglich.

Nach Lavastida wurden weitere Dissidenten nach eigener Darstellung ins Exil verbannt. Andere sitzen im Gefängnis. Die Probleme bleiben. Zuletzt machten Videos in sozialen Medien die Runde, in denen kubanische Mütter klagten, sie hätten Schwierigkeiten, ihre Kinder zu ernähren. Kuba erlebt eine wohl noch größere Fluchtwelle als die Mariel-Bootskrise von 1980, als 125.000 Menschen das Land verließen.

Lavastida meint, wenn es die letzten Symbole der Revolution wie den 91-jährigen Raúl Castro nicht mehr gebe, werde die Kommunistische Partei zerbröckeln. Die Regierung habe den Respekt der Menschen verloren. Ihr bleibe nur noch, Angst zu verbreiten. Er habe aber schon bei seiner Abschiebung gemerkt: «Sie haben selbst Angst.»

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David Ender 16.07.22 18:46
Sehr geehrter Herr Sylten ...
... Sie koennen noch so intensiv versuchen mich von den Vorzuegen der Diktatur Kuba zu ueberzeugen - mich erreichen Sie dabei nicht. Grundvoraussetzung in derartigen Entwicklungslaendern ueberhaupt Verbesserungen zu erzielen ist nicht noch mehr Zensur, Geheimpolizei, Gulag und Schauprozesse, sondern eine offene Gesellschaft die ihre Management alle paar Jahre mal frei waehlen darf. Scheint Sie keineswegs zu stoeren, Problem sehen Sie bloss rundherum um Ihr "sozialistisches Paradies". Etwas schraeg - Ihre Behauptung man koenne ueber Gesellschaft und Politik bloss eine Meinung entwickeln, wenn man auch tatsaechlich vor Ort gewesen war. Sie implizieren damit, dass Nordkorea erstmal per se von uns nicht zu kommentieren ist, da es ja praktisch unmoeglich ist dorthin zu reisen. Mein Statement dazu als Oekonom: Wenn ein statistischer Suedkoreaner das 20-fache Einkommen eines Nordkoreaners hat, dann darf man schon eine Meinung zu autokratischen Zwangssystemen aeussern, meinen Sie nicht? Und nein, ich lebe nicht auf den Philippines sondern in Thailand. Besuche Freunde da regelmaessig. Zu Ihrer Information - von den Freiheiten in den Philippines koennen die Kubaner bloss traeumen. Lesen Sie mal den The Philippine Star oder andere Medien, die kritisch ueber die Regierung in Manila herziehen. Wo bitte gibts denn sowas auf Kuba? Kuba Platz 184 bei Freedom House, Philippines Platz 110. Jetzt kommen sicherlich Zweifel an Freedom House or Amnesty International, oder Hr Sylten? Dann los.
Thomas Sylten 14.07.22 19:10
@Ender
Da Herr Pohl mich ganz zwanglos völlig korrekt verstanden hat, wäre dies - entsprechend "open minded" vorausgesetzt - ja wohl auch Ihnen möglich gewesen, gelle?

Auch ich habe zwar meine Beobachtungen, die auffällig häufig dem westlichen Cuba-Narrativ entgegenstehen, nur beschrieben -
und da sie mir begründet besser gefallen als ähnliche Situationen in den lateinamerikanischen Nachbarländern (z.B. dort das schreiende Elend der armen Anteile der Bevölkerung bei gleichzeitigem obszönen Luxus der schmalen reichen Oberschicht sowie Waisenkinder-Straßengangs, die sich nur mit Kriminalität am Leben halten können und gern nachts von Todesschwadronen dezimiert werden - vs. geradezu bürgerliche Familienverhältnisse in Cuba) auch durchaus wohlwollend, ja erleichtert aufgenommen.

Damit habe ich weder die fehlende Mehrparteiendemokratie in Cuba gutgeheißen noch überhaupt mich zum russischen, chinesischen oder gar nordkoreanischen System geäußert, da ich dort noch nie war und gar nichts Sinnvolles dazu beitragen könnte.

Dies unterscheidet mich tatsächlich von Ihnen, der offenbar meint, sich zu jedem Thema und Staat eine Meinung erlauben zu können, ohne diese Gesellschaften auch nur im Geringsten zu kennen.

Und gänzlich ironisch wird es wenn ich höre dass Sie offenbar auf den Phillipinen leben und damit - nach Ihren Maßstäben zu urteilen - ja wohl das dortige Regime voll gutheißen mit seinen massenhaften außergerichtlichen Tötungen, die es z.B. in Cuba so keineswegs gibt.
David Ender 14.07.22 18:01
Ach wissen Sie Herr Sylten ...
... in einem Punkt gehen wir hier ja sogar d'accord: Sie wollen so wie auch ich den (Ihr Zitat) "Horizont zwanglos erweitern". Warum dann jeder Ihrer Beitraege hier fuer allerlei Zwangsherrschaften wirbt, mit strengen aber guetigen Fuehrern auf Lebzeit - das kann man durchaus als "spannenden Widerspruch" im Sinne von "VIELFALT" verbuchen. Oder als Rationalist schlichtweg unglaubwuerdig finden. Wie waere es mal auch den Buergern Kubas, Russlands oder Chinas ein "zwangsloses Leben" frei von Zensur, Gulags und Einparteienherrschaften zu goennen? Und sehen Sie - genau da trennen sich in unserem Diskurs hier unsere Wege. Mir ist jede noch so Flawed Democracy eben meilenweit lieber als Ihre noch so bunten Diktaturen.
David Ender 14.07.22 17:40
Hmm, verstanden.
Offenkundig stehen wir beim Thema "Ablehnung von Gewaltherrschaft" nun doch zusammen. Gut so. Freut mich. Keine Selbstverstaendlichkeit in deutschsprachigen Foren - auch und gerade auch hier. Schoenen Abend noch.
David Ender 14.07.22 16:30
@ Martin Pohl ...
... habe ich mich unklar ausgedrueckt? Ich habe nichts gegen die Kubaner, so wie ich auch nichts gegen Chinesen oder Russen habe. Im Gegenteil: Ich wuensche all diesen Buergern das Recht ihre Regierungen frei waehlen zu duerfen, ihre Gesellschaft undogmatisch gestalten zu duerfen. Mit alljenen Freiheiten wie diese laut Allg. Erklaerung der Menschenrechte von 1948 eigentlich Weltstandard sein sollte. Eigentlich. Meine Verachtung richtet sich gegen alljene, die eben genau diesen Freiheiten entgegenstehen: Unantastbare Einheitsparteien in Havanna, unkritisierbare Fuehrer auf Lebzeit in Beijing oder amoklaufende KGB-Oberste in Moskau. Es ist diese Verachtung totalitaerer Unterdrueckungsapparate, welche uns Diskutanten hier unterscheidet. In kaum einem Beitrag kann ich Ablehnung gegen autoritaere Gewaltherrschaft herauslesen, dafuer endlose Prosa der Relativierung (auch aus BRD "fliehen" die Menschen), Verniedlichungen (die Untertanen sind ja "gluecklich" in ihrer Unfreiheit) oder regelmaessige Prophezeiungen, dass der boese Westen bald untergehen werde (Hoffnung?), um einem wunderbaren chinesischem "Harmoniesystem" Platz zu machen. Dagegen schreibe ich an, in vielen Publikationen - wie etwa dem FARANG. Und das macht mir Spass. Mit Spass am Schreiben bin ich hier wohl nicht der einzige. (aha, doch noch eine Gemeinsamkeit)
Derk Mielig 14.07.22 12:40
Oh oh, Herr Ender
dass war lediglich kumpelhaft gemeint. Aber nicht jeder hier will mein Kumpel sein, verstehe ich gut. I.d.F. interessiert mich auch nicht, was Sie an meiner Antwort "schon bezeichnend genug" fanden.
Um so mehr freue ich mich, in Ihnen jemanden gefunden zu haben, der sich scheinbar für das Maß der Dinge hält und deswegen für uns die Geschehnisse der Geschichte korrekt einordnet.
Vielen Dank dafür!
Thomas Sylten 14.07.22 11:10
@Ender
Ach wissen Sie, Herr Ender -
jemand der wie Sie in diesem maßlos überheblichen und weißgott oberleererhaften (absichtlich mit ee) Ton weniger argumentiert als vielmehr maßregelt, der hat das mit der doch von MeinungsVIELFALT lebenden Demokratie wohl selber nicht so richtig verstanden.

Sie lassen ja wirklich überhaupt nichts gelten -
und kippen ihren triefenden Zynismus und sonderbaren Hass auf alles was Sie nicht verstehen über friedlich sich über eigene Beobachtungen und Erlebnisse austauschende Menschen aus. Vielleicht gelingt es Ihnen ja mal, sich etwas zu entspannen und andere Menschen mit ihren Erfahrungen einfach ernstzunehmen -
Sie werden erstaunt feststellen dass man damit seinen eigenen Horizont zwanglos erweitern und auch in fortgeschrittenem Alter noch ne Menge interessanter Dinge dazulernen kann: Versuchen Sie's doch einfach mal..
David Ender 14.07.22 08:50
Oh oh Herr Mielig ...
... das mit dem "Oberlehrerton" wird hier nicht klappen. Dass Sie mir eine "deutsche Revolution" aus 1989 (!) als Beweis fuer den Freiheitsdrang des Kulturkreises verkaufen wollen ist schon bezeichnend genug. Flockige 200 Jahre nach den demokratiepolitischen Fruehaufstehern. Konkret - die "Wende" war, wie der Name schon sagt, keine Revolution sondern ein Bankrott, der Zusammenbruch von oben. Im geradezu realsatirisch anmutendem, “Arbeiter und Bauernstaates“ im Osten Deutschlands, spielten nicht heldenhafte Aufständische, sondern der zeitenlupenhafte Kollaps des sowjetischen Imperiums die Hauptrolle. Mit Parolen wie „Gorbi hilf uns!“, versuchte man 1989 das, geradezu clownesk anmutende, Staatsratsvorsitzenden-Duo Erich und Margot loszuwerden, praktisch mit einem Bittgesuch an den Chef-Chef im Kreml. Nicht falsch verstehen: all jenen die 1989 unter Einsatz von Leib und Leben, unter den Drohgebärden von NVA und Stasi gegen den Honecker-Marionettenstaat auf die Straße gingen, gebührt der höchste Respekt. Doch dass ohne den zeitlupenhaften Zusammenbruch, dem Bankrott der Imperialmacht Sowjetunion, diese Proteste wohl nie stattgefunden hätten ist klar. Erst als der scheinbare Verbündete in Sachen Öffnung und Demokratisierung – ebendieser Gorbi – im Kreml an der Macht war, wagten all jene Unzufriedenen, die in einer Flucht über Ungarn keine Lösung sahen, den Gang auf die Strasse. Ergo - der traurige Fakt bleibt: Mir hamms mit der Demokratie traditionell eben nicht so.
Ling Uaan 13.07.22 13:10
Ich habe lange in Boca Raton, Fl. gelebt und gearbeitet. Dabei habe ich auch Exil Kubaner kennengelernt, die wollten alle zurück auf die Insel aber erst wenn dort demokratische Verhältnisse herrschen, oder was sie dafür halten. Denn die waren alle ziemlich rechts angehaucht, vorsichtig ausgedrückt. In etwa so wie im Deutschen Club z.B. in Lake Worth Fl., Lantana Rd. – da wurde man schon mal mit Heil H.. begrüßt.
Derk Mielig 13.07.22 13:00
Ohoh, Herr Ender
Ich lese ja gerne mal bei Ihnen mit. Sie scheinen noch sehr jung zu sein, aber ich kann mich an eine Revolution auf dt. Boden gegen seine totalitäre Herrscher erinnern.
Ansonsten, weiter so!
David Ender 13.07.22 12:35
Das wahre Glueck in wunderbaren Diktaturen ...
Je mehr Kommunismus-verherrlichende Beitraege hier hochpoppen umso mehr bin auch ich vom Leben in Glueck und Harmonie in Diktaturen ueberzeugt (hallo Sarkasmus!). Speziell wenn der Wohlstand wunderbar gleichverteilt ist - konkret alle gleich arm sind auf Kuba und von weniger als 40 Dollar in der Woche leben duerfen. Wunderbar! Und je mehr derartig seltsam realitaetsentrueckte Beitraege ich hier lese umso weniger wundere ich mich darueber, dass der deutsche Kulturkreis niemals in seiner Geschichte eine Revolution gegen seine totalitaeren Herrscher zustande gebracht. Viele wuenschen sich eben einen Fuehrer auf Lebzeit und einen Volkskoerper der unter der Zuchtrute eines "maechtigen" Staatsapparates strammsteht. Wer sich selbst (oder womoeglich doch lieber bloss den Kubanern, Russen, Chinesen, Syrern, usw) solch ein Leben wuenscht - nunja, der hat im Leben womoeglich was verpasst. Den Frust ueber das eigene erlebte sollte man jedoch besser nicht an anderen auslassen, die wohl eher doch nicht unter einem Regime mit Zensur, Schauprozessen und Geheimgefaengnissen agieren. Das ist eigentlich Commons Sense in der Mitte der Gesellschaft. Und die haelt auch die Propagandisten vom extremen linken und rechten Rand fuer allerlei Diktatoren da draussen ganz locker aus.
Thomas Sylten 12.07.22 22:30
@Derk
Interessant -
dann sind wir in der Umbruchzeit vor 33 Jahren ja quasi Seite an Seite gesegelt: In die kurzzeitige hoffnungsfrohe "Runde-Tisch-DDR" wäre ich fast aus- bzw. eingewandert. Erst als am 18.März'90 die Weichen auf "Anschluss" gestellt wurden bin ich alternativ auf die Kanarischen Inseln geflohen und dann weiter in die Welt, und komme nach D nur noch zu Besuch.

Ich stoße gern mit Ihnen - und allen anderen hier am Thema so interessierten Mitfloristen - mit einem HC an: Und zwar mit einem 7años pur. :)
Thomas Sylten 12.07.22 22:10
@HtL
oh wie schön -
das ist ja ungefähr das, was ich ausdrücken möchte,
nur hatte diese Dame die Gabe, es mit einem einzigen Satz zu umschreiben: Toll..!! :))

Mit 5x Cuba sind Sie aber auch schon recht erfahren - und können das Gehörte sicher gut einordnen.

Übrigens glaube ich, dass ich den meisten Spaß auf reisen genau in Cuba hatte -
Thailand ist ja auch nicht schlecht, aber dort beschränkt sich viel vom Spaß auf das engere "Bar-Umfeld".

Herr Ender: Sie tun mir leid - denn wg. Ihrer eingefleischten Vorurteile haben Sie wirklich was verpasst..
Derk Mielig 12.07.22 21:50
@Sylten
Ich sah den "freien Westen" damals als tatsächlich unerreichbares Sehnsuchtsziel der Reise- und Meinungsfreiheit, nicht des Konsums. Das halte ich auch bis heute so. Ich bin übrigens Gründungsmitglied des neuen Forums und Teilnehmer diverser sog. runder Tische von Nov.89 - Jan.90.
nochmal zur Erinnerung, der Mauerfall ist fast 33 Jahre her, wir "Ostler" hatten also jede Menge Zeit, uns mit den real existierenden Auswirkungen der Steigerung der Wertschaftsleistung auseinander zu setzen. Ich glaube nicht, dass ich hier in den letzten Jahren den Eindruck hinterlassen habe, dass ich damit besonders erfolglos gewesen wäre.
So, darauf einen HC 3anjos mit Coke. Das einzige Joint Venture, was bei diesem Thema hier zählt.
Thomas Sylten 12.07.22 21:10
@HtL 3
D.h., ein abgewiesener Bettler wird in Cuba zumindest nicht verhungern. Arm ist er - aber er lebt nicht im Elend, wie so Viele in manchen Nachbarländern.

Das Problem ist u.A., dass es keine Arbeitspflicht gibt: Ob man erscheint oder nicht bleibt jedem selbst überlassen. Denn "versklaven" - das saugen die Cubis mit der Muttermilch ein - lässt man sich niemals mehr, der "Revolution sei Dank".

Harte Arbeit ist daher allgemein verpönt - bei dem geringen Gehalt geht man eh zur Arbeit eher zum Schwatzen als zum Arbeiten.

Oder halt gar nicht, und versucht sein Glück bei den Touristen: Neuankömmlingen kann man immer erzählen dass man beinahe am Sterben ist - die sehen sich dabei in ihrem "Wissen" bestätigt und helfen gern. Und verbreiten später zuhause weiter die Idee von den Qualen des Kommunismus - haben sie ja von echten Cubanern bestätigt bekommen. Daher warne ich meine Gäste immer vorab, sich allzu leicht abziehen zu lassen.

Übel nehmen muss man das aber nicht: Viele Cubis haben gar keine andere Möglichkeit an die begehrten Dollars (bis vor Kurzem: CUCs) zu kommen - und reich sind sie eh nicht. Also jeder versucht halt sich durchzuschlagen.

Das ist es, was mir in Kürze - und entsprechend verkürzt, man möge mir verzeihen - dazu einfällt. Ich betone, dass ich die vielfältigen Probleme der Cubis nicht kleinreden will -
aber sie sind nicht prinzipiell schlimmer, eher anders, als in anderen Staaten der Region.
Traumziel daher - wie dort überall - USA/EU.
Thomas Sylten 12.07.22 20:50
@HtL 2 - Bettler
Als ich 2002 das erste Mal nach Cuba kam, war dies am Ende einer längeren Erkundungsreise durch verschiedene Länder Lateinamerikas (die ich seither - vor Corona- auch immer wieder besucht habe, da ich im Tourismus arbeite) -
und war dort sofort beeidruckt davon, dass es kaum (!) Bettler und gar keine (!) Kinder-Straßengangs gab, wie sonst in diesen Ländern üblich. ALLE Kinder leben bei den Eltern zuhause und gehen morgens zur Schule, die zudem gleich um die Ecke liegt - ein sehr viel "bürgerlicheres" Bild als in den vergleichsweise chaotischen Nachbarländern.

Freilich kam ich auch schnell mit dem sogn. "jineterismo" in Kontakt, der sich aber weitgehend auf touristennahe Einrichtungen in den größeren Städten konzentriert. Damit sind Cubaner gemeint, die sich - ja nach Alter und Geschlecht - den Touristen als Guide, Nutte oder halt als Bettler nähern:Jede/r mit der Idee, ein paar flotte Dollar zu machen, die ein reguläres Peso-Monatsgehalt schnell übertreffen können.

Man muss dazu wissen, dass in anderen Ländern wie DomRep oder gar Haiti ein abgewiesener Bettler evtl. wirklich hungern kann -
genau DAS passiert in Cuba nicht: JEDER Cubaner hat ein RECHT auf Lebensmittelversorgung (Libreta - nicht gerade üppig, aber besser als das NICHTS bei den Nachbarn), und eine Wohnung (und sei sie zugewiesen). Miete fällt nicht an (entsprechend sehen viele Häuser halt auch aus.

Hinzu kommen ein (bis vor Kurzem) garantierter Arbeitsplatz mit (geringem) Gehalt
Fortsetzung folgt..
Thomas Sylten 12.07.22 20:30
@HtL 1
Ich war seit 2002 bis 2019 jedes Jahr mindestens 1x dort, kenne also die Entwicklung seit der zuende gehenden Sonderperiode über Obamas Öffnung bis Trumps Rollback, und das Land vom Cabo San Antonio im äußersten Westen bis zum Faro (Leuchtturm) de Maisí im äußersten Osten - und damit wohl besser als mancher Cubaner. Dabei lebe ich immer unter meinen cubanischen Freunden und habe keinerlei Regierungskontakte - und kenne wohl jede kritische Äußerung der Einheimischen. Weshalb ich aber auch weiß, dass diese gemacht werden - unabhängig davon ob das verboten oder erlaubt ist. Und wie Sie sehen macht es mir Spaß, bei uns so etwas wie Verständnis für die cubanische Lage zu vermitteln - die meist wenig mit der uns offiziell erzählten zu tun hat: Die Cubis warten weniger auf Demokratie (mit der sie wenig mehr als die komplett korrupten Präsidentschaftskandidaten ihrer Nachbarn verbinden), als vielmehr auf wirtschaftliche Öffnung, weil sie damit mehr Konsum assoziieren. Freilich zumeist ohne zu bedenken, dass es auch bei uns limitierende Faktoren im freien Konsum gibt - auch wenn erst mal alles im Schaufenster angeboten wird.

Ihre Frage zu den Bettlern gehört direkt zu diesem Themenkomplex - aber mir geht der Platz aus: Ich mache dafür gleich noch ein neues Kästchen voll ;)
Thomas Sylten 12.07.22 20:10
@Derk
Dass Sie als ex-DDR-Kind den "real existierenden Sozialismus" mit anderen Augen sehen als ich westberliner Mauerkind, ist ganz klar: Sie sind quasi von Haus aus sozialismusgeschädigt und sahen den "freien Westen" damals als scheinbar unerreichbares Sehnsuchtsziel -
während mir schon als Jugendlichem bewusst wurde, dass unser wirtschaftlicher "Erfolg" hauptsächlich daher rührte, dass unsere Welt die dritte aufs Unfairste ausbeutete. Was mir als Gerechtigkeitsfanatiker, der sich ständig mit den zur Verfügung stehenden "Obrigkeiten" (hier: Lehrer, Eltern), schon damals äußerst sauer aufstieß und mich (rein philosophisch, versteht sich) nach möglichen Alternativen Ausschau halten ließ. Dabei hätte ich den Sozialismus - recht verstanden - durchaus als Möglichkeit sehen wollen - allein das reale Beispiel vor der Haustür vermieste mir diese Idee. So wurde ich Gründungsmitglied der Grünen -
und sehe heute, vierzig Jahre später und nur aus der Ferne, mit Entsetzen, was aus unseren damaligen Idealen geworden ist: Real existierender Umweltschutz sozusagen, mit mehr und mehr Fragezeichen verbunden. Wirklich urteilen werde ich darüber aber erst nach dieser Legislaturperiode: Jeder soll die Chance haben, seine Politik zu entwickeln, denke ich.

Aber wer Cuba heute mit seinen lateinamerikanischen Nachbarstaaten vergleicht, wird feststellen müssen, was Sie gerade formuliert haben: Es geht ihnen dort sicher nicht schlechter - in manchem Detail sogar besser. Und man wird älter..!!
Derk Mielig 12.07.22 13:50
@Sylten - Danke für diese Klarstellung
Ich bin davon überzeugt, dass es den meisten Lateinamerikanern im Endeffekt nicht besser geht, als den Kubanern. Ob der Mangel nun am politischen System und den damit einhergehenden Wirtschaftssanktionen durch den Westen hervorgerufen werden oder durch die Ausbeutung USA-freundlicher Politiker, wie z.B. bisher in Kolumbien, spielt für die Menschen keine Rolle. Unterdrückung bleibt Unterdrückung. Und man sollte sich da nicht von der Lebensfreude, die ich immer als echt empfand, täuschen lassen. Schon gar nicht von den Umständen, unter denen Parteiniks (Cuba) oder Oberschicht (z.B. Kolumbien) ein schönes Leben machen.

Über die Beobachtungen im kubanischen Alltag, die hier, nicht nur von Ihnen, wiedergegeben werden, und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen, kann ich jedenfalls nur schmunzeln. Aber sie seien Ihnen allen gegönnt. Als ex-ddr-Kind weiß ich auch von tollen Wandertagen, Sportunterricht im Wald, fröhliches Eisessen am berliner Neptunbrunnen usw. zu berichten. Und auch als junger erwachsener mussten wir keine materielle Not leiden. Wir haben unsere Geschäfte im Privaten gemacht, waren sozusagen Profiteure der Mangelwirtschaft. Das funktioniert in allen Mangelwirtschaften, auch auf Kuba. das sagt jedoch nichts über den Mehrheitsanteil der Bevölkerung aus, dem das nicht gegeben ist. Mit gesellschaftspolitischen Beschränkungen will ich hier gar nicht anfangen,

Insgesamt kann man wenigstens sagen, dass es auch in Kuba seit 20 Jahren wirtschaftlich bergauf geht,
Thomas Sylten 12.07.22 13:05
@Derk
Guten Morgen - ja, erwischt: ich geb mir durchaus ernsthaft Mühe, meine Eindrücke (ob von Cuba oder anderes) rüberzubringen - obwohl ich dabei auch immer etwas grinsen muss: So ein Forum ist ja kein wissenschaftlucher Vortrag - eher freier kurzer Gedankenaustausch.

In diesem Fall hatte ich zwar zunächst einfach Ihre Frage nach Hinweis auf einen möglichen direkten Vergleich beantworten wollen -
meine eigene Frage nach dem reflexhaft auftauchenden "platten Spruch" meinte ich dann jedoch wieder allgemein, also keineswegs speziell auf Sie gemünzt: Diese Reaktion fällt mir halt häufig auf sobald Cuba das Thema ist. Manche Leute (nicht Sie - aber schauen Sie sich mal ein paar der Antworten an) scheint das ja unmittelbar zu triggern.

Cubas aus der Rolle fallendes System bringt für seine Bewohner sicher manch spezifisches Problem mit sich, das ist uns wohl allen klar -
nur ist es ja nicht so dass man in anderen Ländern keine Probleme hätte. Daher finde ich den oben beschriebenen Reflex so sonderbar schlagseitig. Denn Cubas "andere" Problemlösungsversuche finde ich zumindest interessant - ob sie wirklich zielführend sind, kann und will ich gar nicht abschließend beurteilen.
David Ender 12.07.22 13:04
Autokratenpropaganda
Wenn ich mir die Lobeshymnen ueber eine der bettelaermsten und glashaertesten Diktaturen der Welt (Cuba gemaess NGO Freedom House auf Platz 184 von 210) so durchlese, muss ich schon etwas schmunzeln. Die Hoffnung auf die unverrueckbare Wahrheit der Einheits-Partei stirbt ja immer am Schluss. Umso komischer als selbst die Pekinger KP ihr Ueberleben im autoritaeren Turbokapitalismus (Hauptkunde USA und EU) sucht, der Sowjetnostalgiker Oberst Putin im rohstoffbasierendem Oligarchenkapitalismus (Hauptkunde EU) und der Operettenkommunist Kim Jong Un im Agrarsozialsmus (keine Kunden mangels Output) sucht. Diese ganze Kommunistennummer ist nach 100 Pleitejahren an Peinlichkeit kaum zu ueberbieten. Je weiter das Wasser Oberkante Unterlippe steht, umso trotziger werden offenkundig die Durchhalteparolen. Wie gesagt - fuer mich zum Schmunzeln. Fuer die Opfer kommunistischer Repression, Zensur, Haft oder gar Totschlag ist diese idiotische Ideologie natuerlich weit weniger komisch, oder?
Derk Mielig 12.07.22 13:00
zu Martin Pohl 12.07.22 01:50
Da hat einer, im Rahmen einer/mehrerer von einem guten, alten Freund, nur für dessen Freunde, organisierten Tour, jedes mal Kontakte mit dessen Freunden und Bekannten vor Ort, lernt dabei jede Menge Einheimische kennen und alles, was er bei diesen Freunden/Bekannten/Einheimischen empfindet (?), bzw., was da bei ihm ankam, ist die pure Lebensfreude, gemischt mit Null Depression. Echtes Lachen und Lebensfreude pur, wie er sie allerdings an vielen Orten in der Karibik erleben durfte. Und Tristesse ist ihm, wo er doch nun schon mal die Freunden/Bekannten/Einheimischen kennenlernen durfte, auch nicht aufgefallen.
Das erinnert mich an Jagdausflüge in den 80ern in der Brandenburger Schorfheide.

Derk Mielig 12.07.22 13:00
Martin Pohl 12.07.22 12:30
Varadero kennst Du nur vom dran vorbei fahren. Mit der VEB Yacht, oder wie?
Derk Mielig 12.07.22 11:20
@Sylten
Das ist doch nicht der Beginn einer ernsthaften Diskussion.
Weder habe ich hier "offenbar im Vergleich zu unseren gewohnten europäischen Verhältnissen" ein Resümee gezogen, noch komme ich hier mit platten Sprüchen wie
"Geh doch rüber wenns dir dort so gefällt".
Meine Beweggründe finden Sie in meiner Antwort von 23:50.

Und nun wünsche ich weiterhin viel Spaß mit M.P.
Thomas Sylten 12.07.22 06:30
@HtL - noch'n Nachtrag
Auf dem Land wird einem so etwas kaum passieren: Dort habe ich die Cubaner als grundanständige Leute kennen gelernt, die viel zu stolz zum Betteln wären - und die meist durchaus wissen was sie an ihrem System haben, im Vergleich zu DomRep o.ä., wo sie kaum ein eigenes Häuschen hätten und bei Krankheit aufgeschmissen sind, wenn sie den Arzt nicht bezahlen können (den es auf dem Land nicht mal überall gibt).

In die USA auswandern täten freilich viele gern: Dort kriegt man schließlich massig Geld für wenig Arbeit und kann sich ALLES kaufen - hat man ihnen erzählt.
..und sehen sie ja in den vielen US-Fernsehserien, die sie selbstredend überall ganz offen empfangen - auch wenn das angeblich verboten ist.
Thomas Sylten 12.07.22 06:20
@HtL
Das ist auch fast typisch Havanna: Die Cubis wissen natürlich, welche Vorstellungen bei uns über cubanisches Leben kursieren - und einige (wenige - aber das sind die die einen ansprechen) machen sich diese Vorstellungen zunutze, indem sie Touristen damit nach Kräften füttern: "Du weißt ja: Uns geht's sooo schlecht - wir kriegen nix zu essen und werden gnadenlos überwacht. Kannst du mir vielleicht mit etwas Milchpulver für mein Kind aushelfen?"
Wer will da nicht helfen ??
Im Laden packt der/die arme Mensch dann zusammen was er/sie finden kann und ist verschwunden, während man dir die Rechnung präsentiert. Und dir dämmert, dass für so viel Überwachung dir deine neue Bekanntschaft ja ganz schön viel Regierungskritik bestätigt hat.

Nach Hause kommt man dann immerhin mit der Gewissheit, dass einem "die Cubis" ja selber alle Vorurteile exakt bestätugt haben. Und DIE müssen es ja schließlich wissen.. ;)
Thomas Sylten 12.07.22 05:10
@HtL - Nachtrag
In den letzten Jahren hat man die Politik in Havanna ja auffällig verändert und renoviert zurzeit quasi jeden Straßenzug einzeln durch. Zumindest die Altstadt erstrahlt bereits in großen Teilen in einem nie zuvor gesehenen Glanz, und glücklicherweise ist die Altbausubstanz zwar zunächst reichlich verwahrlost, aber noch vorhanden - so dass die Altstadt wirklich prunkvoll wieder ersteht.

In manchen Straßenzügen schwappt die Renovierung nun auch schon nach Centro Havanna jenseits des Prado, was bislang ja eher wie die Bronx der 40er Jahre wirkt(e). Ich hoffe nur, die Corona-Nachwirkungen bringen diese positiven Entwicklungen nicht zum Erliegen.
Thomas Sylten 12.07.22 05:10
@Martin Pohl
Danke für die Bezeugung dass ich nicht ganz falsch liege -
und wir teilen nun wohl das Schicksal, dass man uns aufgrund unserer BEOBACHTUNGEN umstandslos unterstellt, den Kommunismus schönzureden. Aber das tun nur Leute, die - wie Sie ja sehr klar formuliert haben - ihrerseits weniger eigene Beobachtungen als vielmehr eingefleischte Vorurteile mit sich herum tragen.

Reisen bildet halt -
und in einem Thailandforum werden wir naturgemäß eher Thailand- als Cubakenner antreffen.. ;)
Thomas Sylten 12.07.22 05:00
@Hit the Lights
Tatsächlich kann ich Ihre Beobachtung ganz gut nachvollziehen: Havanna und Cuba sind auch meinem Empfinden nach sehr unterschiedlich, was die Zufriedenheit der Bevölkerung angeht. Was daran liegen kann, dass Havanna als Sammelbecken der Regierungskritiker jahrzehntelang weniger entwickelt wurde als das übrige Land: Während das Umland vor der Revolution gar nicht entwickelt war und am meisten von den Errungenschaften dieser Revolution profitiert hat (plötzlich gab es dort Schulen und Gesundheitsposten, und die Bevölkerung stieg von sklavenähnlich gehaltenen rechtlosen Landarbeitern zu quasi Eigenheimbesitzern auf),
war Havanna vor der Revolution eine blühende (Glücksspiel-) Metropole ähnlich Las Vegas (welches erst durch den Verlust Havannas seinen kometenhaften Aufstieg nahm), die nach der Revolution erst mal arg ins Hintertreffen geriet.

Aber wenn Sie die Klassen fröhlicher Kinder am Prado beobachten, die dort teils ihren Unterricht unter den Bäumen machen, oder die Tanzkurse und Künstlerausstellungen ebenda sehen - wo gibt es mehr Lebensfreude als dort? Bei uns sicher nicht - auch wenn es uns materiell ja um Lichtjahre besser geht.
Thomas Sylten 12.07.22 04:40
@Derk
Nun ja: Sie hatten ganz unten die marode cubanische Krankenhaussituation angeführt -
offenbar im Vergleich zu unseren gewohnten europäischen Verhältnissen. Denn wenn Sie es mit der Situation in anderen lateinamerikanischen Ländern verglichen hätten, wären Sie kaum zu diesem negativen Ergebnis gekommen: Ich lasse mir berufsbedingt immer mal die einheimische Infrastruktur zeigen und kenne daher Gesundheitsposten und Spitäler, aber auch Schulen und Behörden in diesen Läbdern von innen. Übrigens auch in Südostasien, sonstiges Asien und Afrika - und seien Sie versichert: Die cubanischen Installationen sind ecuadorianischen, aber auch thailändischen (solche für Einheimische) durchaus ebenbürtig (oft besser). Und auch in Mexico ist nicht überall sofort jedes Medikament erhältlich.

Eine Sache interessiert mich wirklich brennend:
Woher kommt dieser Reflex, jede noch so harmlose positive BEOBACHTUNG in Cuba als castrofreundliche Kommunismusbefürwortung zu interpretieren, die man am Besten mit "Geh doch rüber wenns dir dort so gefällt" kommentiert? Das passiert schließlich nie, wenn man dieselbe Beobachtung z.B. in Thailand oder Peru macht.
Derk Mielig 11.07.22 23:50
@Sylten
Ich habe ganz sicher nichts in Kuba mit in den Zuständen in USA/EU verglichen, sondern versucht auf die Verklärungen des kubanischen Systems aufmerksam zu machen.
Sollte ich Ihrer Meinung nach doch einen solchen Vergleich angestellt haben, machen Sie mich bitte auf diesen direkt aufmerksam. Ich werde dann versuchen, ihn näher zu erläutern.
Thomas Sylten 11.07.22 23:30
@Derk, Ender etc
Ihr macht leider alle denselben Fehler, den zugegebenermaßen auch viele Cubaner begehen: Ihr vergleicht Cuba mit USA/EU -
und das ist nicht ganz fair, ein seit über 60 Jahren krass blockiertes Land mit den entwickeltsten Ländern der Welt zu vergleichen. Macht das mal mit Mexico, Guatemala, Kolumbien etc..

Geht doch mal in der DomRep oder gar Haiti, aber auch Peru oder Mexico in ein Krankenhaus für Einheimische oder besucht dort die Wohnung einer Landfamilie - dann wisst ihr die hübschen sauberen Häuschen in Viñales oder Trinidad etc. zu schätzen. Wie ich ganz zu Anfang sagte: Wenn schon arm geboren - dann hoffentlich in Cuba. Das macht sich ein Ender natürlich nicht zu eigen - aber der wurde auch nicht arm in einem Entwicklungsland geboren.

Und zur "Abstimmung mit den Füßen":
Herr Ender, haben Sie eine Vorstellung davon wie viele sonstige Lateinamerikaner sich auf den Weg nach Norden begeben? Die laufen vor keiner kommunistischen Regierung davon, aber sie laufen auch davon. Sie werden allerdings - im Gegensatz zu den Cubanern - mit "Mauer und Schießbefehl" von der Einreise nach USA abgehalten: Am Rio Grande kommen jährlich mehr Menschen ums Leben als an der innerdeutschen Grenze während der gesamten Zeit ihres Bestehens. Und damit will ich weiß Gott nicht die damalige Berliner Mauer relativieren - sondern auf das unbeachtete und anhaltende Drama an der US-Südgrenze aufmerksam machen.

Aus Cuba wie aus Honduras läuft man weg wg. besserer Verdienstmöglichkeiten in USA
Derk Mielig 11.07.22 23:30
@Martin
Du hast ja richtig korrektes Stasivokabular auf Tasche. Da erklärt sich einiges.
Upps, war dass eine strafbewehrte Verleumdung?!
Derk Mielig 11.07.22 22:00
@Martin
Wenn das Dein Niveau ist, hier auf Rechtschreibfehler aufmerksam zu machen, dann nur zu.
Wenn ich zitiere, dann zitiere ich mittels copy&past. Wenn da Rechtschreibfehler bei sein sollten, ist mir das vollkommen egal und nichts, wozu sich jemand rechtfertigen oder gar entschuldigen müsste.

Zum Wohnraum, als weitgereister Castroversteher hast Du Dir den sicherlich angesehen. Da muss man nichts weiter zu sagen. Ich habe im Osten 17 Mark für meine Wohnung bezahlt, dass war praktisch auch nichts, und so sah die Bude auch aus, abgesehen von meiner Eigenleistung. Und ähnlich funktioniert es auch in Kuba.

Aber nun fahre ruhig fort mit Deiner karibischen Revoluzzerromantik.
Derk Mielig 11.07.22 14:40
Korrektur
in LebensmittelGESCHÄFTEn
Derk Mielig 11.07.22 14:30
@Martin - mit Verlaub
"Versorgungsorobleme hab ich sogar im Ländlichen nicht entdecken können,"
Das kann nur Zynismus sein.

Ich war mal privat für 4 Wochen in Colón, dass ist ein kleines Nest mitten in Kuba. Dort gab es in Lebensmitteln noch nicht einmal vernünftige Lebensmittel, dafür Gummistiefel, Kittelschürzen und Arbeitsanzüge. Und Rum in kleinen 0,25l-Tetrapacks, welche die Jugendlichen im Park beim Feiern konsumierten. Natürlich nicht von Havanna Club und ohne Cola, denn die gab es auch nicht. Und HC kann sich niemand leisten.
Das einzige Fleisch, was es in den 4 Wochen gab, war Hähnchen, und auch nur dann, wenn wir in US$ bezahlten. Ansonsten Bohnen mit Maisbrot oder Maisbrot mit Bohnen, ggf. Reis dazu. Alles weitere aus Eigenanbau, oder, wenn überhaupt, für US$.
Glaubst Du, dass das, was Du da im Rahmen einer Westtouritour zu sehen bekommst, ist das wahre Kuba? Wo war denn das Krankenhaus, in dem das Ehepaar medizinisch gut versorgt wurde, in dem Medikamente ausreichend vorhanden waren?
Das die Menschen dort sehr freundlich sind, hat übrigens nichts mit einer fantastischen Lebenslage zu tun. Das findet man z.B. auch in Kolumbien und Ecuador, gerade bei den Ärmsten der Armen.

Und das galt übrigens auch für uns ex-ddr-Bürger:
"Die meisten kommen jedoch danit zurecht, manche hauen ab." Ich weiß, sooo schlecht ging es uns ja nun wieder auch nicht.

David Ender 11.07.22 13:31
Eine Frage Herr Sylten,
... wenn die Lage im kubanischen Kommunstenparadies so toll ist, warum fluechten eigentlich seit Jahrzehnten Millionen Kubaner Richtung USA und "Westen"? Wissen Sie Herr Sylten, die Stimmbaender erzaehlen oft das Blaue vom Himmel herunter, speziell jene der tapferen Salonsozialisten. Doch die Fuesse sind immer ehrlich. Sie gehen seit jeher dahin wo es besser ist. Und sie hauen ab von Repression, Zensur, staatlicher Willkuer, endlosen "Revolutionen des Proletariats" und Ein-Parteien Diktatur. Und eine ganz grundsaetzliche Zusatzfrage von mir aus dazu: Wieviele Jahrtausende nach den ersten Hochkulturen in Babylon soll das eigentlich auf unserem blauen Planeten noch so gehen - mit totalitaeren Herrschern auf Lebzeit, mit Erbfolge (Castros), mit Gleichschaltung und Herrschaft basierend auf Gewalt anstelle freier Wahlen, Gewaltenteilung und Buergerrechten? Mir reichts diesbezueglich schon lange. Viele in unserem Kulturkreis liegen jedoch nach wie vor Fuehrer auf Lebzeit in China, Russland, Syrien oder Nordkorea naeher als frei gewaehlte Regierungen des Westens. Ist ein ganz spezieller Defekt in unserem Kulturkreis und kenne ich so nicht in meinem Freundeskreis in AUS, CAN, USA, GB oder DK. Was fasziniert den deutschen Kulturkreis derart an totalitaeren Systemen? Was fasziniert Sie daran Herr Sylten?
Derk Mielig 11.07.22 11:50
@Sylten & Martin - Na dann
Viva la Revolućion y Cuba Libré!
Thomas Sylten 11.07.22 05:10
@Derk/2
Ihre cubanische Bekanntschaft lebt in Berlin - d.h. es handelt sich um Exilcubaner. Die lassen meiner Erfahrung nach tatsächlich kein gutes Haar an ihrer Regierung - verständlich, denn sie befinden sich sicher mit gutem Grund im Exil.

Aber ich berichte aus dem Land und erlaube mir, die Maßnahmen quasi als Nichtbetroffener von "außen" zu beobachten. Und stelle fest: Auch in Cuba sind die Menschen vor allem - Menschen.
Thomas Sylten 11.07.22 05:10
@Derk - Nachtrag
Das ging zu schnell raus -
denn auch diese Feststellung ist mir wichtig:

Damit bestreite ich natürlich nicht, dass die Verhältnisse im Land (Cuba) außerordentlich schwierig sind und Ihre Bekanntschaft sicher dankbar ist, in einem entwickelten Land leben zu dürfen. Aber glauben Sie mir: Das geht auch Immigranten aus der DomRep oder Peru oder Mexiko so - wohl JEDER lebt lieber in einem entwickelten Land. Sie und ich ja auch.. ;)
Thomas Sylten 11.07.22 05:00
@Derk
Ja und Nein: Auch ich hatte so etwas vorher vom cubanischen Gesundheitssystem gehört - wurde aber positiv enttäuscht als ich bei einem Besuch in einem für Cubaner bestimmten Krankenhaus die dortigen Realitäten kennen lernen musste/durfte: Die rein menschliche Zuwendung von Ärzten und Personal war geradezu verstörend herzlich und ernstlich bemüht (das hat mich wirklich beschämt, wenn ich an die unsägliche Kurzangebundenheit im deutschen medizinischen Sektor denke).

Dass für manche Erkrankungen die Medikamente fehlen, soweit man sie auf dem internationalen Markt besorgen muss, liegt leider an der absichtlich hinderlichen Blockade -
dafür hat Cuba sich aber auf eigene Stärke besonnen und neben einigen medizinischen Innovationen (z.B. bei der Bekämpfung von Malaria und verschiedenen, im Westen unlukrativen Rinderkrankheiten) auch beeindruckende Resultate in der überall gleichberechtigt vorkommenden "farmacia verde" (grüne Medizin) vorzuweisen.

Beispielhaft insbesondere für ein Land der sogn. 3.Welt ist auch, dass noch im allerletzten Urwaldkaff zumindest ein medizinischer Posten (Arzt und Schwester) anzutreffen ist - jeder (!) angehende Arzt/Ärztin MUSS nach Abschluss der vom Staat bezahlten Ausbildung seine ersten 3 Jahre der Berufstätigkeit dem staatlichen Ruf zu einer dieserart benötigten Stelle folgen.

Tatsächlich bildet Cuba medizinisches Personal weit über den eigenen Bedarf aus und sendet Mediziner in viele Länder dritten Welt - was ich sehr sympathisch finde.
Derk Mielig 10.07.22 23:20
@Sylten - Gesundheitswesen
Durch meine latainamerikanische Verwandtschaft habe ich auch einige Kontakte zu Kubanern, die in Berlin leben und in den letzten 30 Jahren von dort abhauen konnten.
Die berichten, dass in Kuba so viele Ärzte ausgebildet werden, dass diese sogar gegen die bösen Dollars nach Mexico, Kolumbien ... vermietet werden.
Und in Kuba verrottet das Gesundheitssystem, es gibt Krankenhäuser und Ärzte en masse, aber weder Verbandszeug noch Medikamente. Auch keine sichere Stromversorgung oder Diesel für die Aggregate. Krankenhäuser sind Verwahranstalten, dass nützt einem schwer Kranken oft genauso wenig, wie gar kein Krankenhaus.
Das ist leider die kubanische Realität. Bleiben Sie auf der nächsten Kubareise bitte besser gesund, denn auch gegen Dollars sieht es außerhalb der großen Städte oder Varaderos nicht besser aus.
Thomas Sylten 10.07.22 20:30
Herr Ender - offensichtlich waren Sie noch nie in Cuba. Oder noch nie in seinen Nachbarstaaten.

Nachdem ich nämlich Cuba UND die DomRep, aber auch Haiti und die zentralamerikanischen Staaten besucht habe, war mir klar: Wer ARM ist hat 6 Richtige im Lotto wenn er wenigstens auf Cuba geboren wurde. Denn dort hat er Ausbildung und Gesundheitswesen gratis (und international anerkannt sogar gute, ja weit bessere Systeme als in den "freien" Nachbarstaaten), eine monatliche Mindestversorgung ("Libreta": nicht wirklich ausreichend, aber sehr viel besser als das Nichts der Nachbarn), und eine Rente. Mit dem Erfolg dass die Lebenserwartung dort höher ist als im ganzen restlichen Amerika (USA eingeschlossen). Und was hilft es mir, wenn ich in der DomRep zwar zwischen 29 verschiedenen Telefontarifen und 5 verschiedenen (aber gleich korrupten) Präsidentschaftskandidaten wählen kann, aber mit 60 schon seit 20 Jahren tot bin.

Es stimmt schon: In Cuba ist die Armut relativ gleich verteilt. Aber es fehlt das abgrundtiefe Elend der Nachbarstaaten - freilich auch die dortige schnale reiche Oberschicht, die das Elend der Mehrheit zu verantworten hat. Aber als Tourist hat man halt mehr mit der Oberschicht zu tun und will vom Elend der anderen lieber nix wissen - weil man sich ja den schwer verdienten Urlaub nicht verderben will.

Die Sanktionspolitik seit 60 Jahren hat übrigens keinen politischen Erfolg (für USA) gehabt - soviel zu deren Wirksamkeit auch in anderen Fällen..
David Ender 10.07.22 10:50
Sarah Wagenknechts Genossen ...
Im sozialistischen Paradies laeufts wohl nicht so recht nach 30-Jahresplan, doch die Gysis und Wagenknechts haben sicherlich die stets passende Ausrede parat: Der Yankee ist schuld, der verdammte Kapitalismus usw usw. Schade um die Kubaner die von Battista ueber die Castros von Diktator zu Diktator torkeln und in einem der aermsten Gammelstaaten Amerikas hausen. Wenigstens vom europ. Salonsozialismus gibts regelmaessig ein paar aufmunternde Worte der "Soldaritaet" unter Genossen. Davon kann man bloss leider nix essen.