Gute Taten, schmutzige Hände?

Die schwierige Arbeit der Wildhüter

Foto: epa/Kim Ludbrook
Foto: epa/Kim Ludbrook

NAIROBI/BERLIN (dpa) - Touristen lieben Safaris in Afrikas Nationalparks. Doch was wie ein Wildtier-Paradies wirkt, ist nur ein Teil der Wahrheit. Warum sich abseits der Jeep-Routen fast ein Guerilla-Krieg abspielt - auch jenseits der Vorwürfe gegen den WWF.

Es geht um Misshandlung, Folter, Mord. Schwere Vorwürfe gegen den WWF erschüttern Tierschützer, Politik und Spender weltweit. Auch die Umweltstiftung selbst zeigt sich schockiert von den Verbrechen, die dem Online-Magazin «Buzzfeed» zufolge Wildhüter in mehreren Ländern begangen haben sollen - Wildhüter, die der WWF unterstützt haben soll. Die Organisation hat Aufklärung versprochen.

Unabhängig vom Ergebnis der Untersuchung lenken die von «Buzzfeed» beschriebenen Grausamkeiten den Blick auf ein Problem, das Tier- und Naturfreunden weltweit oft nicht bewusst ist: Was Touristen von den traumhaft schönen Nationalparks und Wildreservaten in Südafrika, Nepal oder Kenia mitbekommen, ist meist nur ein kleiner Teil der Realität. Denn entfernt von den Safari-Lodges, den Aussichtsplattformen und den von Jeeps befahrenen Straßen herrscht Wildnis. Und für Wildhüter und Wilderer spielt sich hier oftmals fast ein Guerilla-Krieg ab.

Einige der Parks und Wildreservate Afrikas sind riesig. Im Selous-Wildreservat in Tansania etwa hätte die Schweiz Platz. Das macht es schier unmöglich, die Grenzen der Parks abzusichern. Sie erstrecken sich über unterschiedlichstes Terrain, Seen und Flüsse, Vulkane und Wüsten - viele Teile sind nur schwer zugänglich. Oft liegen sie in Gebieten, in denen staatliche Organe wenig Einfluss haben. Und viele der Parks befinden sich inmitten instabiler politischer Lagen oder Konflikte, etwa im Ost-Kongo.

«Lange hatten unsere Ranger Waffen nur, um sich vor den wilden Tieren zu schützen», sagt Ike Phaahla, der Sprecher der südafrikanischen Nationalparkverwaltung. «Jetzt haben sie Waffen, um sich vor Menschen zu schützen, vor den Wilderern.» Im berühmten Krüger-Nationalpark im Nordosten Südafrikas etwa ist vor allem die Wilderei von Nashörnern ein großes Problem. Der Park habe eine rund 350 Kilometer lange Grenze mit Mosambik, von wo die meisten Wilderer kämen, so Phaahla.

Die Wilderer kennen das Terrain bestens und sind oftmals durch den 16 Jahre langen Bürgerkrieg in Mosambik top militärisch ausgebildet und ausgerüstet, wie Phaahla erklärt. Dazu gehörten inzwischen oft Sturmgewehre, «um auf Wildhüter zu schießen», sagt er. Daher müssen sich die Ranger verteidigen können. Wenn sie auf Wilderer stoßen, können sie demnach auch Helikopter und Hunde zur Unterstützung rufen. Werden Wilderer tatsächlich geschnappt, werden sie festgehalten, bis die Polizei kommt, wie Phaahla erklärt.

Dass die Wilderei kaum aufzuhalten ist, liegt am Geld: Auf dem Schwarzmarkt zahlen Kunden Berichten zufolge bis zu 30.000 Euro pro Kilogramm Nashorn-Horn. Die Käufer kommen vor allem aus China und Vietnam und schreiben den Hörnern aphrodisierende und heilende Kräfte zu. Von dem Profit landet aber nur sehr wenig bei den Wilderern: Sie kommen meist aus den Gemeinden nahe der Parks und leben in Armut; die Wilderei ist oft die einzige Einkommensquelle. Der illegale Handel ist in den Händen internationaler krimineller Netzwerke.

Trotz aller Schwierigkeiten: Eine Rechtfertigung für Hilfsorganisationen, Recht zu brechen oder Rechtsbrecher zu unterstützen, sei das nicht, findet Burkhard Wilke, wissenschaftlicher Leiter beim Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI). Das DZI schaut gemeinnützigen Organisationen auf die Finger und vergibt nach gründlicher Prüfung ein Spendensiegel, um Vertrauen zu schaffen. «Natürlich ist gerade für eine weltweit operierende Organisation eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Gesetzeslagen in den jeweiligen Ländern relevant», sagt er. Die grundlegenden Menschenrechte müssten immer respektiert werden.

Und wenn es doch mal Situationen gibt, die nicht klar zu beurteilen sind? Dann ist Offenheit aus Wilkes Sicht oberstes Gebot. «Je komplexer und schwieriger die Arbeit ist, umso wichtiger ist, dass die Schwierigkeiten, die Hemmnisse transparent dargestellt werden», erklärt er. «Damit Menschen, die eine solche Organisation unterstützen, wissen, worauf sie sich einlassen.»

Rund 5,3 Milliarden Euro haben laut Deutschem Spendenrat die Deutschen im vergangenen Jahr gespendet, mehr als 600.000 Unterstützer schenkten dem WWF Deutschland ihr Vertrauen. Aber nicht nur Privatpersonen und Prominente unterstützen die Organisation, auch die Bundesregierung arbeitet in Projekten mit ihr zusammen - das Umweltministerium arbeitet gerade an einer vollständigen Liste.

Entsprechend alarmiert zeigt sich die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Bärbel Kofler. «Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass mit Wissen oder gar Unterstützung des WWF Menschen von Wildhütern massiv Gewalt angetan wurde, müsste die Bundesregierung hieraus unverzüglich Konsequenzen für ihre Zusammenarbeit mit der Organisation ziehen», sagt sie. Nun brauche es eine unabhängige und seriöse Prüfung.

Vor allem hat der WWF-Skandal gezeigt: Trotz aller guter Absichten der Organisationen, vor Ort kann dennoch vieles schief gehen. Die Lage in vielen Ländern ist oftmals komplex. Viele Probleme sind unvorhersehbar. Die Zentralen der NGOs (Nichtregierungsorganisationen) liegen oft weit entfernt, wirkliche Aufsicht der Projekte ist teuer und schwierig. Auch bei kleineren Projekten können Dinge schief gehen: Vor kurzem starben in Kenia zum Beispiel acht vom Aussterben bedrohte Nashörner ganz plötzlich, nachdem sie von der kenianischen Wildtierbehörde (KWS) mit Unterstützung des WWFs umgesiedelt worden waren.

So gibt es bei Hilfsorganisationen immer mal wieder Skandale. Diese können ihr Image schwer beschädigen. Ein Beispiel sind sexuelle Übergriffe und Ausbeutung durch Oxfam-Mitarbeiter nach dem Erdbeben in Haiti im Jahr 2010. Der Fall führte zu Entlassungen. Damals sei schnell klar gewesen, dass es sich um Verfehlungen einzelner gehandelt habe, sagt Wilke. «Beim WWF steht zumindest nach bisherigen Berichten die Frage im Raum, inwieweit diese Methode möglicherweise System hat.»

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