Großes Potenzial, triste Realität

Wasserstoffautos sind kaum gefragt

«H2» steht bei der Eröffnung einer Wasserstofftankstelle im Stadtgebiet Hannover auf einer Tankklappe. Foto: Ole Spata/Dpa
«H2» steht bei der Eröffnung einer Wasserstofftankstelle im Stadtgebiet Hannover auf einer Tankklappe. Foto: Ole Spata/Dpa

DÜSSELDORF (dpa) - Auto fahren, ohne sich als Klimasünder zu fühlen? Geht mit einem Elektroauto, also einem Fahrzeug mit großer schwerer Batterie. Moment mal - es gibt noch eine andere Möglichkeit: Wasserstoffautos. Fachleute kommen ins Schwärmen, doch die Realität sieht mickrig aus.

Es klingt nach einer Art Schlaraffenland in Sachen Mobilität. Man sei sauber und ohne Ausstoß von CO2-Emissionen oder Schadstoffen unterwegs, «bei gewohnt hoher Reichweite und einer Betankungszeit von wenigen Minuten» - so bewirbt der Gashersteller Air Liquide die Wasserstoffautos. An diesem Dienstag eröffnen die Franzosen mal wieder eine Tankstelle, an der Brennstoffzellen-Fahrzeuge Wasserstoff (H2) als Sprit bekommen. Doch Umweltexperten sind nicht begeistert, zudem gibt es ein großes Problem: Das Tankstationen-Netz in Deutschland hat große Löcher.

Dennoch: Unstrittig ist, dass die Brennstoffzelle Potenzial hat - und dies in gewissen Bereichen bereits abruft, in U-Booten wird sie beispielsweise schon seit Jahrzehnten eingesetzt. Ihre Umweltbilanz ist, wie in der Werbung von Air Liquide beschrieben, positiv - Wasserstoff wird in der Reaktion mit Sauerstoff zu Wasserdampf und Strom gewandelt. Ob H2-Autos auf lange Sicht aber für den Pkw-Massenmarkt taugen, das wird stark bezweifelt.

Im Vergleich zu konventionellen Elektroautos führen die Brennstoffzellen-Pkw eher einen Dornröschenschlaf. Gerade einmal 386 Wasserstofffahrzeuge sind in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen. Bei einem Gesamt-Fahrzeugbestand von 64,8 Millionen hierzulande ist das ein Anteil von 0,0006 Prozent. Beim Ökokonkurrenten E-Auto sind es immerhin 0,2 Prozent.

In dem Nischenmarkt sind vor allem Asiaten präsent. Toyota hat weltweit nach eigenen Angaben knapp 10 000 H2-Fahrzeuge verkauft, in Deutschland knapp 200. Und deutsche Autobauer? Daimler stieg schon in den 90er Jahren ein und produzierte ab 2009 für einige Jahren rund 200 B-Klassen-Autos als H2-Version, 2018 brachten die Stuttgarter einen Geländewagen als Mischung aus Batterie-Stromer und Brennstoffzelle auf den Markt, auch dies in kleiner Stückzahl. Bei BMW und Audi ist die Brennstoffzelle ebenfalls Thema, sie wird aber nur erprobt - kaufen kann man derzeit kein solches Auto von ihnen.

Warum ist der Wasserstoff-Anteil am deutschen Verkehrsmix fast unsichtbar? Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zeigt auf die Geldbörse: Der Preis für so ein Auto sei «inakzeptabel». Grob gesagt kostet ein Wasserstoff-Pkw in Deutschland 70 000 bis 80 000 Euro, auch Leasingverträge sind nicht billig. Immerhin gibt es staatliche Förderung. Dennoch - das sei viel zu teuer, meint der Professor: «Das reine Wasserstoffauto ist für den Privatkunden derzeit außer Reichweite.» Grund für die hohen Preise: Die Entwicklung ist teuer und die verkauften Stückzahlen sind gering - erst bei hohen Stückzahlen würden die Kosten pro Fahrzeug sinken und der Preis käme etwas herunter.

Wenig Begeisterung ruft das Thema in Wolfsburg hervor. Die Brennstoffzelle werde bis Mitte der 20er Jahre nicht «zu vertretbaren Preisen oder im industriellen Maßstab mit der nötigen Energieeffizienz verfügbar sein», sagte VW-Boss Herbert Diess im Mai auf der Hauptversammlung - Volkswagen setzt auf das rein mit Batteriestrom betriebene E-Auto.

Auch Umweltexperten sehen Wasserstoff-Autos skeptisch. Florian Hacker vom Öko-Institut verweist auf den niedrigen Wirkungsgrad - man brauche Strom, um aus Wasser Wasserstoff herzustellen, der in Gastanks gelagert und nach dem Tanken im Auto in Strom gewandelt wird - bei diesen Schritten verliere man Energie. «Nur 25 Prozent der ursprünglichen Energie führt in einem Brennstoffzellen-Fahrzeug zu Fortbewegung, der Rest geht verloren - bei batteriebetriebenen Elektroautos liegt der Wert etwa bei 70 Prozent.» Entsprechend höher sei der Strombedarf bei Brennstoffzellen-Autos, sagt er. «Man sollte die Brennstoffzelle weiter im Blick behalten, aber im Massenmarkt ist der Einsatz batteriebetriebener E-Autos sinnvoller.»

Ein Henne-Ei-Problem sieht der Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft: «Solange es nicht genug Nachfrage gibt, lohnt sich der Aufbau dieser Infrastruktur nicht richtig - und umgekehrt kaufen die Leute kein Brennstoffzellen-Fahrzeug, wenn die Infrastruktur nicht breit verfügbar ist.»

Dennoch, betont Peter Fuß von der Beratung Ernst & Young, könnte die Brennstoffzelle Zukunft haben im Verkehr. «Um emissionsfrei unterwegs zu sein, ist die Brennstoffzelle eine wichtige Schlüsseltechnologie.» Denn sie habe große Vorteile: Anders als klassische Elektroautos haben Brennstoffzellenautos eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Zudem gehe die Betankung viel schneller als das Laden einer Batterie - es dauere nur wenige Minuten.

Voraussetzung fürs schnelle Tanken ist aber, dass man überhaupt eine H2-Station findet. «Ungefähr 1000 H2-Tankstellen bundesweit sind nötig, damit Brennstoffzellenautos richtig interessant werden für den Verbraucher», sagt Fuß. Bislang sind es 66 bundesweit, 15 davon in Nordrhein-Westfalen. Nach der Eröffnung der Düsseldorfer Station werden es 67 und bis Jahresende sollen es 100 sein.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 19.06.19 14:29
Herr Kesselheim, die Problematik des
E-Autos besteht in der Herstellung des Akkus für das Auto, nicht in der Nutzung des Fahrzeuges. Nur auf die besonderen ökologischen Gefahren, die mit diesem Herstellungsprozess zusammenhängen, hat Prof. Resch hingewiesen und aus diesem Grund die Brennstoffzelle favorisiert. Mit beiden Fahrzeugantriebsquellen werden wir demnächst unterwegs sein, sofern die erforderliche Infrastruktur vorhanden ist. Nicht jede Steckdose in der Garage wird ausreichen, um den leeren Akku laden zu können. Aber auch der Strom für die Steckdose muß erst einmal dort hin kommen.
Jürgen Kesselheim 19.06.19 13:51
Brennstoffzelle
Prof. Dr. Lesch hat nicht den Stecker für das E-Auto gezogen! Denn das Brennstoffauto ist, einfach gesagt, ein E-Auto mit Brennstoffzelle! Begründung: Die Brennstoffzelle zieht den Strom aus dem Wasserstoff mit Zuhilfenahme von Platin (übrigens ein sehr teueres Stück Blech) und gibt den Strom an die Batterien im Fahrzeug. Welche die Energie weiterleiten an den Motor! Durch diesen Umweg des Stroms über die Brennstoffzelle kommt dieser hohe Verlust an Effizienz zustande! Der mir einzig ersichtliche Vorteil der Brennstoffzelle ist das schnellere Tanken! Aber für das Tanken fehlt die Infrastuktur! Die Reichweite der E-Auto wird auf mittelfristige Sicht angepasst. Und das Brennstoffauto wird immer teuerer sein als das E-Auto, denn es benötigt die zusätzliche Brennstoffzelle mit den dazugehörigen Wasserstofftanks! Die letzten 3 Sätze sind natürlich meine Ansicht der Dinge!
Jürgen Franke 19.06.19 10:21
Offensichtlich reicht der Druck, den die Kinder
freitags auf der Straße machen, nicht bis ins Elternhaus, denn die Nachfrage nach dem Klimaretter E-Auto erreicht nicht die Wunschvorstellung der Politiker. Denn die Menschen werden mitbekommen haben, dass der deutsche hauptamtliche Klima Papst Lesch den Stecker des E-Autos bereits gezogen hat und die Brennstoffzelle favorisiert. Zukünftig werden wir sicherlich zweigleisig fahren.