Großbritannien steuert auf Neuwahl im Dezember zu

LONDON (dpa) - Es sieht danach aus, als würde Boris Johnson nun doch noch seine Neuwahl vor Weihnachten bekommen. Die größte Oppositionspartei Labour will den Weg dafür freimachen.

Großbritannien wird im Zuge des Brexit-Streits voraussichtlich im Dezember ein neues Parlament wählen. Die größte Oppositionspartei Labour gab ihren Widerstand gegen eine Neuwahl auf. Sie wollte noch am Dienstag dem von Premier Boris Johnson eingebrachten Wahlgesetz zustimmen, wie Labour-Chef Jeremy Corbyn mitteilte. Damit scheint eine vorgezogene Parlamentswahl so gut wie sicher.

«Ein No Deal ist vom Tisch, daher wird Labour heute Abend einer Parlamentswahl zustimmen», schrieb Corbyn auf Twitter. In einem BBC-Interview gab er sich demonstrativ kämpferisch. Er könne es gar nicht erwarten, sich in den Wahlkampf zu stürzen, sagte der 70-Jährige.

Unklar war zunächst jedoch, ob die Opposition den von Johnson vorgeschlagenen Wahltermin am 12. Dezember beibehalten will. Auch weitere Bedingungen sind nicht auszuschließen. Eine Absenkung des Wahlalters forderte beispielsweise Londons Bürgermeister Sadiq Khan. «Diejenigen, deren Zukunft am meisten betroffen ist, müssen auch das Sagen haben - inklusive der 16- und 17-Jährigen und der EU-Bürger, die in Großbritannien leben», schrieb der Labour-Politiker auf Twitter. Junge Briten gelten als sehr viel proeuropäischer als ihre Eltern und Großeltern.

Zuvor hatten bereits die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei SNP signalisiert, dass sie eine Neuwahl im Dezember unterstützen könnten. Sie hatten sich allerdings zunächst für den 9. Dezember als Wahltermin ausgesprochen. Sie wollten damit die Zeit, die Johnson für die Ratifizierung seines Brexit-Deals bleibt, möglichst verkürzen. Außerdem erhoffen sie sich von einer Wahl vor Beginn der vorlesungsfreien Zeit an der Universität mehr Stimmen. Beide Parteien wollen den Brexit verhindern. Sie befürchten, dass es Johnson doch noch gelingen könnte, sein Brexit-Abkommen vor einer Neuwahl durchs Parlament zu bringen und das Land aus der EU führen.

Johnson, der über keine Mehrheit im Parlament verfügt, will mit der Wahl eines neuen Parlaments eine eigene Mehrheit erringen und einen Brexit nach seinen Vorstellungen durchsetzen. Dafür wollte er noch am Dienstag ein Gesetz für eine vorgezogene Abstimmung durch das Unterhaus bringen. Mit dem Kniff möchte der Premier die eigentlich für eine solche Wahl notwendige Zustimmung von zwei Dritteln aller Abgeordneten umgehen. An der Hürde war Johnson am Montag bereits zum dritten Mal gescheitert, weil sich Labour weigerte zuzustimmen.

Mit der Unterstützung der kleineren Parteien für das Wahlgesetz hatte Labour sein Veto verloren, weil schon eine einfache Mehrheit zur Verabschiedung ausreicht. Die Sozialdemokraten stehen derzeit in den Umfragen relativ schlecht da. Die Traditionspartei versprach sich von einer Neuwahl im kommenden Jahr bessere Chancen.

Die Brexit-Frist war zuvor erneut um bis zu drei Monate verlängert worden. Eigentlich hätte Großbritannien am 31. Oktober die EU verlassen sollen. Es war bereits die dritte Verschiebung.

Ursprünglich war der Brexit schon für den 29. März vorgesehen. Johnsons Vorgängerin Theresa May kam mit ihrem mit Brüssel vereinbarten Brexit-Deal im Parlament aber nicht durch. Und auch Johnson scheiterte mit einem nachverhandelten Deal.

Die Europäische Union hatte sich daher am Montag auf eine flexible Brexit-Fristverlängerung («Flextension») um bis zu drei Monate geeinigt. Demnach soll der EU-Austritt spätestens am 31. Januar erfolgen. Er ist aber auch eher möglich, wenn eine Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingt.

Die Briten hatten vor über drei Jahren - im Sommer 2016 - in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt.

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