Größtes religiöses Fest der Welt: «Keiner hier hat Angst vor Corona»

Indische heilige Männer, oder Naga Sadhu, nehmen zusammen mit den anderen Pilgern das heilige Bad im Fluss Ganges während der Kumbh Mela in Haridwar, Uttarakhand. Foto: epa/Idrees Mohammed
Indische heilige Männer, oder Naga Sadhu, nehmen zusammen mit den anderen Pilgern das heilige Bad im Fluss Ganges während der Kumbh Mela in Haridwar, Uttarakhand. Foto: epa/Idrees Mohammed

NEU DELHI: In Indien nehmen die Corona-Infektionen so schnell zu wie nie zuvor. Trotzdem pilgern in diesen Tagen Hunderttausende Menschen zum Ganges. Ihnen geht es um mehr als um menschliches Leiden.

Hinduistische Pilgerinnen, Pilger und mit Asche eingeriebene Gurus baden dicht gedrängt im heiligen Fluss Ganges. An besonders wichtigen Tagen wie an diesem Mittwoch sind es Millionen. Masken tragen die wenigsten, wie Fernsehbilder zeigen. Sie sind alle da, um das größte religiöse Fest der Welt zu feiern, das mehrere Wochen dauert. Sie hoffen, sich mit dem Waschritual von ihren Sünden zu reinigen und einem Zustand der Befreiung näherzukommen, bei dem der endlose Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt endet, alles Leiden aufhört und alle Wünsche unwichtig werden.

Das Fest basiert auf einem Mythos, wonach Götter und Dämonen um einen Krug (Kumbh) stritten, der mit Unsterblichkeitsnektar gefüllt war. Bei dem Streit fielen einige Tropfen an vier Orten auf die Erde. An diesen findet abwechselnd das Fest statt, gerade in der nordindischen Stadt Haridwar.

Angesichts der großen religiösen Bedeutung scheint die Pandemie viele Anwesende kaum zu stören. «Wenn du bei Mutter Ganges bist, was kannst du dann auch nur fürchten? Sie ist unsere Mutter», sagte ein Pilger kürzlich dem Fernsehsender NDTV. Und ein anderer betonte: «Keiner hier hat Angst vor Corona. Corona gibt es nicht. Das ist alles nur Drama.» Ein dritter sagte: «Viele Menschen nehmen ihre Masken beim Baden ab, aber was kann man machen? Wie kann man sie stoppen?»

Religion ist wichtig in Indien, wo die überwiegende Mehrheit der Menschen hinduistisch ist. Auch deutet die Sorglosigkeit der Pilgerinnen und Pilger auf ein größeres Phänomen in Indien hin, wo inzwischen viele Menschen kaum noch Corona-Regeln einhalten - und das obwohl die Infektionen gerade so schnell zunehmen wie nie zuvor. In absoluten Zahlen ist Indien nach den USA am zweitmeisten von der Corona-Pandemie betroffen. Insgesamt gibt es in dem Land mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern über 13,6 Millionen registrierte Infektionen. Allein seit Anfang des Monats kamen mehr als eine Million dazu.

Dieses Jahr sind weniger zum Fest am Ganges gekommen als sonst. Bei einem wichtigen Badetag am vergangenen Montag waren nach Polizeiangaben rund 3 Millionen Menschen dort, während es 2019 gut 20 Millionen waren. Aber die Polizei hatte nach eigenen Angaben Mühe, sie zu kontrollieren. Auch hielten sich viele nicht an die Regeln. Dafür Bußgelder zu verteilen sei nicht möglich, hieß es.

Ein Mitarbeiter der örtlichen Gesundheitsbehörde sagte, dass Pilgerinnen und Pilger negative PCR-Testnachweise mitnehmen müssten. Einige von ihnen hinterfragten die Regeln aber, auch weil in letzter Zeit etliche Politiker große Veranstaltungen für Regionalwahlen organisiert haben - ohne Masken und Abstand. Mediziner wiederum kritisieren, dass die Regierung eine solche Massenveranstaltung zuließ, während es in anderen Teilen des Landes Teillockdowns gibt.

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