Grüne Woche steht bevor

«Größter Bauernhof» in Berlin

Besucher auf der Grünen Woche in Berlin. Foto: epa/Clemens Bilan
Besucher auf der Grünen Woche in Berlin. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN (dpa) - Für die einen ist sie ein riesiges Probier-Buffet, für andere die Schau einer zweifelhaften Scheinwelt: Auf der Grünen Woche kommen Agrarier, Kunden und Kritiker ins Gespräch - nicht nur freundlich.

Schuhplattler, Kuhställe und Bierhumpen - damit rechnet mancher in Deutschlands Hauptstadt ebenso wenig wie mit einem fertigen Flughafen. Doch einmal im Jahr treffen in Berlin zwei Welten aufeinander: Diejenigen, die Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Brot für Millionen herstellen - und diejenigen, die es essen. Zur weltgrößten Agrar- und Ernährungsmesse Grüne Woche, die an diesem Freitag beginnt, wollen die Veranstalter 400.000 Besucher anlocken.

Sie kommen zum Schlemmen und Staunen, manche auch zum Streiten: über Essgewohnheiten und die Folgen für Tiere, Menschen und Umwelt. Und über die Frage, wie es gelingen kann, die weiter wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Für alles zusammen will Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) den Blick auf die Chancen der Digitalisierung lenken - auch als Gastgeberin für zahlreiche Amtskollegen aus aller Welt.

«Der Run auf die Grüne Woche ist ungebrochen», wirbt ein Sprecher vorab. Die Messefläche ist gewachsen, ebenso die Zahl der Aussteller, die 1.700 übertreffen wird. Aus mehr als 60 Ländern werden sie kommen. Daneben gibt es Konferenzen, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich angekündigt.

Dabei wollen sich nicht nur auf dem Messegelände Menschen sammeln - um zu protestieren gegen das, was sie Massentierhaltung und Agrarindustrie nennen. «Wir haben es satt!» Mit dieser Losung ziehen jedes Jahr zur Grünen Woche Tausende durch Berlin, aufgerufen von rund 100 Organisationen, darunter auch Verbände sowohl ökologisch als auch konventionell wirtschaftender Bauern.

Die Landwirte signalisieren Bereitschaft zum Dialog. «Wir wollen transparent sein, wir wollen zeigen, wie nachhaltig wir Lebensmittel erzeugen», sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied. «Der größte Bauernhof ist dann in der Hauptstadt auf dem Erlebnisbauernhof.»

Das ist jener Teil der Hallen, wo Besucher auf Trecker klettern, Schweinen über die Borsten streicheln und sich per 360-Grad-Video auf echten Betrieben umsehen können. «Da kann man sehen, fühlen, riechen, wie Landwirtschaft funktioniert - vom Produkt auf dem Acker bis zum Endprodukt», meint Rukwied.

Dies soll ein direktes Bild moderner Landwirtschaft rüberbringen. Und ein anderes als Videos mit toten oder verstümmelten Tieren, die Tierschutz-Aktivisten zuweilen mitbringen, nachdem sie sich Zutritt zu Ställen verschafft haben. «Stellen Sie sich der Auseinandersetzung bei Tage und schleichen Sie nicht nachts auf unseren Höfen herum», fordert Brandenburgs Bauernverband vor dem Beginn der Messe. Nötig sei eine ehrliche Debatte auch darüber, wie Verbraucher einkaufen, über die Macht des Handels und wirtschaftlichen Druck auf die Bauern.

Geschäftlich blicken viele Landwirte lieber vorsichtig ins neue Jahr. Denn die lange Dürre 2018 hat vor allem im Norden und Osten der Republik die Ernte vermiest und Grasfutter fürs Vieh knapp werden lassen. Höfe in akuter Finanznot reichten mehr als 8.500 Anträge für ein Millionen-Hilfsprogramm von Bund und Ländern ein. Dabei ist die Lage aktuell durchaus unterschiedlich: Während Milchbauern recht stabile Preise erzielen können, stehen viele Tierhalter unter Druck.

Lamentieren will die Branche aber nicht. «Wir Landwirte sind es gewohnt, mit der Witterung zu arbeiten - da gibt es trockene Jahre, da gibt es feuchte Jahre», formuliert es Rukwied. «Wir sind im neuen Jahr, und da starten wir neu mit Elan.» Generell sei es aber schon so, dass angesichts steigender Kosten höhere Preise gebraucht würden.

Für viele Bauern ist die Messe der traditionelle Jahresauftakt-Treff, wenn Äcker teils unter Schnee liegen und auf dem Hof nicht so viel zu tun ist. Allein 2.000 Busse aus ganz Deutschland werden erwartet. Es gibt in Berlin eine Landjugendfete mit der Band Krachleder, Züchter präsentieren in den Hallen unter dem Funkturm ihre Pferde bei Hengstparaden. Die Bauern informieren sich aber auch über neue Technik wie Drohnen, die längst über manchem Acker schwirren.

Das diesjährige Messe-Partnerland Finnland ködert Gäste mit Flammlachs, Dinkel-Lakritze, Rentier-Chips und Roggen-Gin. Die Ernährungsindustrie bringt alkoholfreies Proteinbier unters Volk. Und Informationen dazu, welche Rolle Algen in der Küche spielen können. Es gibt 65 Aussteller, die sich nur Veganern zuwenden - vor fünf Jahren waren es ganze drei. Dabei ist die Messe immer auch Testmarkt. Letztes Jahr probierten Grüne-Woche-Besucher Insekten-Burger aus Maden. Heute kann man sie bei einer großen Supermarktkette kaufen.

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