Grenzstreit zwischen China und Indien aufgeflammt

Das abgelegene Dorf Chitkul, das letzte bewohnte Dorf nahe der indochinesischen Grenze in Himachal Pradesh. Foto: epa/Sanjay Baid
Das abgelegene Dorf Chitkul, das letzte bewohnte Dorf nahe der indochinesischen Grenze in Himachal Pradesh. Foto: epa/Sanjay Baid

MALDO: Mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem Grenzkrieg 1962 streiten China und Indien im Himalaya weiter um Gebietsansprüche. Es gibt neue Zwischenfälle, Truppen wurden verstärkt. Droht eine Eskalation?

Im neu entflammten Grenzkonflikt zwischen China und Indien sind am Samstag erstmals ranghohe Militärs beider Seiten zusammengetroffen, um die Spannungen abzubauen. Die Gespräche der Kommandeure fanden in der Garnison in Maldo auf der chinesischen Seite der seit Jahrzehnten umstrittenen Grenzlinie in der Himalaya-Region Ladakh im Bereich Chushul statt. Bei Zusammenstößen zwischen Soldaten beider Seiten hatte es mehrere Verletzte gegeben.

Die beiden benachbarten Nuklearmächte mit den größten Bevölkerungen weltweit hatten 1962 einen kurzen Krieg um ihre Grenze im Himalaya geführt, den China gewann. Seither gibt es immer wieder Zwischenfälle. Der Grenzverlauf ist nach wie vor nicht geklärt. Auch US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich angeboten, in dem Konflikt zu vermitteln, was beide Länder ablehnten.

Im Anschluss an die Gespräche sagte ein Sprecher der indischen Armee lediglich, dass beide Seiten weiter über ihre militärischen und diplomatischen Kanäle in Kontakt blieben, «um die gegenwärtige Lage in den Grenzgebieten zwischen Indien und China anzusprechen».

Während es häufiger Treffen gibt, unterstreicht die Tatsache, dass es diesmal auf Generalleutnants-Ebene stattfand, die Ernsthaftigkeit des jüngsten Konflikts. Indische Beobachter sprechen von einer neuen Qualität in den Vorstößen und der Stationierung chinesischer Truppen. Beide Seiten haben ihre Streitkräfte in dem Gebiet verstärkt.

Die Lage an der Grenze beschrieb Chinas Außenamtssprecher Geng Shuang am Vortag als «stabil und kontrollierbar». In einer Videokonferenz am Freitag waren sich führende Vertreter der Außenministerien beider Länder einig, friedlich und unter Respekt für die Besorgnisse der anderen Seite mit ihren Differenzen umzugehen, um diese nicht in Streitigkeiten münden zu lassen, wie Indiens Außenamt mitteilte.

Hintergrund der jüngsten Spannungen könnte die Entscheidung Indiens vom vergangnen Jahr sein, das vor allem von Buddhisten bewohnte Ladakh von dem übrigen, mehrheitlich muslimischen Jammu und Kaschmir abzutrennen und zu einem eigenen Bundesgebiet zu erklären, um seine Kontrolle zu verstärken. China hat dagegen scharf protestiert und von einer «Untergrabung» seiner territorialen Integrität gesprochen.

Mit Misstrauen beobachtet Peking ferner, wie sein Rivale Indien stärker an die Seite der USA rückt, während Trump seine antichinesische Politik verschärft. Auch wird Anstoß an dem laufenden Bau von Straßen und Brücken in dem umstrittenen Grenzgebiet auf indischer Seite genommen. Umgekehrt hat aber auch China seine Bautätigkeiten ausgeweitet, was Indien wiederum kritisiert.

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