BANGKOK: Die Verhaftung von 14 jungen Studenten am Freitag und ihr Überstellen vor ein Militärgericht hat Thailands Regierung weltweite Empörung eingetragen. Weshalb werden Demonstranten wie Schwerverbrecher behandelt während jugendliche Gewalttäter oft ungeschoren davonkommen?
Die Studenten gehören der „Neuen Demokratie Bewegung“ (New Democracy Movement) an. Vergangene Woche hatten sie öffentlich gegen die Militärregierung demonstriert und am Friedensmonument in Bangkok ein Banner mit der Aufschrift „No Coup“ entrollt. Dies in Kenntnis der Tatsache, dass die amtierende Regierung jegliche politische Demonstration im Land strengstens untersagt hat – auch angesichts der zuvor gewaltsamen Proteste von Gelb- und Rothemden.
Dass hinter den Protesten ein professionelles Kalkül steckt und den Studenten ihr Risiko bekannt war, ist die eine Seite der Medaille. Sie haben mit dem Feuer gespielt und sich verbrannt. Alle 14 sitzen in Bangkok im Gefängnis und müssen sich in absehbarer Zeit vor einem Militärgericht verantworten. Das Echo in der Welt und die lautstarke Kritik an Thailands Regierung waren gewollt. Ziel erreicht, Freiheit verwirkt.
Asiens „Human Rights Watch“-Direktor Brad Adams fordert nun im Namen aller Friedensaktivisten die umgehende Freilassung von Studenten, die „friedlich für eine friedliche Sache demonstriert hätten“. Thailands Militärregierung am Pranger und alle skandieren einstimmig, wie undemokratisch es in diesem Land seit dem Putsch im Mai 2014 zugeht. Kein Wort darüber, dass trotz der Einschränkung der Demonstrations- und Pressefreiheit immer noch eine Mehrheit hinter den Militärmachthabern und ihrer Arbeit steht.
Die Weltanschauungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Westlich geprägtes Demokratieverständnis lässt sich mit den realen Verhältnissen Thailands im Jahr 2015 nicht vereinbaren. Bittere Armut bei den Bauern im Norden des Landes, eine im Nationenvergleich blamable Schulausbildung, Korruption und Brutalität wie ein Krebsgeschwür, keine der vorhergehenden ‚demokratischen‘ Regierungen konnte (wollte) hier auch nur ansatzweise etwas verändern.
Wo waren die Friedensaktivisten die Jahre zuvor, als sich Thailands Mittel- und Oberschicht mit den Bauern aus Zentral- und Nordthailand schlug? Weshalb gab es Demonstrationen nur von Gelb- oder Rothemdenbewegungen, die landesüblich mit den Geldern ihrer wirtschaftlich potenten Antreiber finanziert worden waren? Auch damals hätte es Anlass für Friedensappelle und das Einfordern echter Demokratie gegeben.
Thailands Militärjunta hat 2014 ein zerrüttetes, dem Bürgerkrieg nahes Land übernommen. Allen vorhergehenden Regierungen war es in Jahrzehnten nicht gelungen, Thailands Strukturen zu festigen. Kompetenz und Transparenz hatten keine Chance gegen die Korruption und Großmannssucht einschlägiger Kreise. Milliardäre unterschiedlichster Couleur zogen im Hintergrund die Strippen und verteilten das Land und seinen Reichtum hemmungslos an ihre Günstlinge.
Der Putsch war eine Folge und wie jeder Putsch hinterlässt er ein ungutes Gefühl. Militärs kennen keine Glace‘-Handschuhe. Thailands amtierender Premier Prayuth Chan-o-cha organisiert seine Regierung eher militärisch als demokratisch. Er hat seinen Weg und ein Ziel. Davon will er sich nicht abbringen lassen, auch nicht von Studenten im eigenen Land. Ihre Anti-Coup-Proteste schreibt er ausländischen Agitatoren zu.
Weshalb 14 Studenten, die ein Banner ausrollten und ihre Meinung in die Welt posaunten, von einem Militärgericht abgeurteilt werden müssen, das hinterlässt dennoch einen bitteren Beigeschmack. Eine Verwarnung, eine Bestrafung durch ein Zivilgericht – alles könnte man nachvollziehen. Aber: Junge Menschen aus einem intellektuellen, bürgerlichen Umfeld gehören nicht wegen Protesten hinter Gitter und in eine Zelle mit Mördern, Vergewaltigern und Drogenhändlern.
In Trat haben bewaffnete Jugendbanden jüngst bei einer militant anmutenden Streiterei das Provinzkrankenhaus gestürmt. Ärzte und Pfleger flohen in Todesangst. Die Vandalen zerschlugen Mobiliar und wertvolles medizinisches Gerät. Sie entkamen unerkannt. In Bangkoks Straßen tobt seit vielen Jahren der Krieg verfeindeter Universitäten und Fachhochschulen. Erst vergangene Woche gab es wieder Tote. Die in Gruppen organisierten Studenten hauen sich mit Messern und Macheten die Köpf ein oder schießen mit Revolvern und Sturmgewehren auf den Feind der anderen Fakultät.
Auf Koh Samui läuft der im August 2014 geständige Mörder des Düsseldorfers Volker Schwartges frei herum. Die Polizei und die Justiz haben es – aus welchen Gründen auch immer – nicht vollbracht, fristgerecht eine Anklage vor dem Provinzgericht Koh Samui zu erheben. Der heute 17 jährige Thai-Al Capone stolziert wie ein Hahn genau dort herum, wo er mit einer Jugendbande den Deutschen niedergeschlagen und erstochen hat. Er verbrachte keine einzige Nacht hinter Gittern.
Die 14 Friedensaktivisten sitzen im Gefängnis. Sie kamen nicht auf Kaution frei. Irgendwie, und das lässt sich ungeachtet der politischen Diskussion nicht wegleugnen, hört sich das empörend an. Es kreist zwangsläufig die Frage der Priorität. Wer ist in Thailand wirklich kriminell und wer nicht so ganz? Nicht nur die Mutter von Volker Schwartges in Düsseldorf, die seit der Ermordung ihres Sohnes die Entwicklungen genau verfolgt, versteht diese Welt nicht.
Fremdwörter im Land des ewigen Lächelns! Und in der letzten Zeit hat der Anarchismus sogar den Buddhismus abgelöst! Heil Dir Siam !