Mehrere Tote bei schlimmen Unwettern

«Gott steh uns bei» 

Eine eingestürzte Fußgängerbrücke nach den Überschwemmungen des Flusses Sanguerone, die durch eine nächtliche Regenbombe in Sassoferrato, Provinz Ancona, Mittelitalien, verursacht wurden. Foto: epa/Alessandro Di Meo
Eine eingestürzte Fußgängerbrücke nach den Überschwemmungen des Flusses Sanguerone, die durch eine nächtliche Regenbombe in Sassoferrato, Provinz Ancona, Mittelitalien, verursacht wurden. Foto: epa/Alessandro Di Meo

ANCONA/ROM: Heftige Regenschauer, Sturzfluten und Schlammlawinen wüten an der italienischen Adriaküste und fordern mindestens neun Menschenleben. Die Leute in der Gegend um Ancona werden von dem Unglück völlig überrascht. Am Freitag bietet sich ein Bild der Verwüstung.

Gewaltige Sturzfluten wälzen sich zwischen Häusern durch die Gassen, Menschen fliehen in Panik auf Dächer und Bäume - aber nicht jeder kann sich retten. Bei verheerenden Regenschauern und Überschwemmungen sind in der italienischen Region Marken mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Das sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari der Deutschen Presse-Agentur am Freitagnachmittag unter Berufung auf die Präfektur der Regionalhauptstadt Ancona. Vier Menschen wurden zunächst vermisst, darunter waren den ersten Erkenntnissen zufolge auch ein 8-jähriger Junge und eine 17 Jahre alte Jugendliche.

Regionalpräsident Francesco Acquaroli ersuchte die Regierung in Rom, den Notstand auszurufen. Ministerpräsident Mario Draghi kündigte einen Besuch in den betroffenen Gebieten am Freitagabend an. Nach den Dürre- und Hitzephase des Frühjahrs und Sommers wurde Italien zuletzt von heftigen Unwettern heimgesucht - so schlimm wie in den Marken an der Adriaküste war es bislang in diesem Jahr aber noch nicht.

«Wir haben hier apokalyptische Zustände», sagte Alessandro Piccini, Bürgermeister des Ortes Cantiano, in einem Radiointerview. Auf Handyvideos ließ sich die ganze Naturgewalt erahnen. Autos und Lastwagen wurden mitgerissen, ganze Plätze und Geschäfte verschwanden unter den teils meterhohen Wassermassen. «Es ist alles zerstört», erzählte ein Mann im italienischen Fernsehen und schüttelte den Kopf.

Riccardo Pasqualini, der Bürgermeister des Örtchens Barbara, sprach von einer Mutter und deren Tochter im Teenageralter sowie einem Jungen, die vermisst würden. Der Junge sei seiner Mutter von den Wassermassen aus den Armen gerissen worden, als die beiden gerade ihr Auto verlassen wollten, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

Die ganze Nacht über versuchten Einsatzkräfte, darunter 180 Feuerwehrleute und Helfer des Zivilschutzes, in den betroffenen Gebieten Leute in Sicherheit zu bringen. Viele vor allem ältere Personen wurden mit Schlauchbooten gerettet. Die Einwohner der Gemeinden am Fluss Misa wurden aufgefordert, entweder ihre Häuser zu verlassen oder in höher gelegene Stockwerke zu gehen. Mindestens 50 Menschen wurden verletzt, wie Medien am Freitag berichteten.

Der Zivilschutz zählte 700 Einsatzkräfte, die bei der Suche nach den Vermissten oder bei den Aufräumarbeiten halfen. Einige Brücken wurden zerstört und Straßen weggerissen. «Das historische Zentrum unserer Stadt existiert nicht mehr», sagte die Vize-Bürgermeisterin von Cantiano, Natalia Grilli, der Zeitung «La Repubblica». Seit Donnerstag sei der Ort ohne Gas, Strom und Leitungswasser.

Die Gegend wurde vom Unwetter völlig überrascht. «Die Wassermengen waren überwältigend, es war viel schlimmer als vorhergesagt», sagte Italiens Zivilschutzchef Fabio Curcio, der in die Unglücksgegend geeilt war. Nach Monaten der Dürre und Trockenheit waren in rund drei Stunden mehr als 420 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, wie die mittelitalienische Region mitteilte. Das sei so viel Regen wie in der Gegend normalerweise in einem halben Jahr falle.

«Gott steh uns bei», schrieb Barbaras Bürgermeister Pasqualini bei Facebook. Wegen der Schäden fiel vielerorts immer wieder der Strom aus, auch das Telefon- und Mobilfunknetz brach häufig zusammen.

In dem Küstenort Senigallia, der ebenfalls schwer getroffen wurde, bleiben Schulen, Kindergärten, Sportanlagen und andere öffentliche Einrichtungen bis mindestens Samstag geschlossen.

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