„Gold, Weihrauch und... - was noch mal?“

Überlegungen zu den Heiligen Drei Königen

Magier, Zauberer, noch nicht einmal jüdischen Glaubens, Heiden, Ungläubige! Nun, das ist ja schon eine sehr dubiose Gesellschaft, die dort an der Krippe zusammen kommt!
Magier, Zauberer, noch nicht einmal jüdischen Glaubens, Heiden, Ungläubige! Nun, das ist ja schon eine sehr dubiose Gesellschaft, die dort an der Krippe zusammen kommt!

„Die Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) hat ein neues Feindbild entdeckt: Die Heiligen drei Könige. „Sie sind ein Menetekel dafür, wie weit die Islamisierung des Abendlandes bereits an das Zentrum des Christentums herangerückt ist“, sagt Kurt Krabbich, Pegida-Sprecher für den Kreis Gütersloh, und fügt erklärend hinzu: „Drei Männer aus dem Morgenland kommen direkt bis an die Krippe Christi. Ja geht’s denn noch?“

Den Einwand, dass es den Islam zu Zeiten Christi Geburt noch nicht gegeben habe, will Krabbich nicht gelten lassen. „Das war doch schon immer das gleiche Gesocks. Früher wie heute. Lange Bärte, Turbane und Kamele. Und ein Schwarzer war auch noch dabei. Das passt einfach nicht in unsere abendländische Kultur“, erklärt der 56-Jährige kopfschüttelnd.“ – Zitat Ende!

Soweit ein Bericht des Satire-Magazins „Der Kaiserschmarrn“ vom 19. Dezember 2014. Ich weiß auch nicht, wie man dieser in Deutschland um sich greifenden Strömung angemessen begegnen soll, aber auf satirische Weise scheint es mir nicht unbedingt der schlechteste Weg zu sein. Schließlich feiert das christliche Abendland in diesen Wochen einen ungarisch-römischen Soldaten (11.11., St. Martin), eine verstoßene türkische Oppositionelle (04.12., Hl. Barabara), einen klein­asiatischen Bischof (06.12., Hl. Nikolaus), einen aramäischen Wanderprediger (24.12., Jesus), jüdisch-palästinensische Kleinkriminelle (25.12., Hirten) und drei persisch-arabische Astrologen (06.01., Hl. Drei Könige). Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn diese Gruppe im Advent versuchen würde, montags in Dresden über den Weihnachtsmarkt zu laufen...

Bagdad - Bethlehem - Köln?

Wie auch immer – ein Fragezeichen selbst an die Heiligen Drei Könige zu machen – ob das nun wirklich eine Lösung ist? Doch selbst Historiker haben da ihre begründeten Zweifel, und wie so oft: Legenden haben meistens auch einen historischen Kern. Im Falle der drei „Royalties“ mit letzter Ruhestätte im Kölner Dom – übrigens vor genau 850 Jahren dort angekommen – eben einen politischen, wenn man den Geschichtsgelehrten Glauben schenken will.

Ach ja, Glauben – ein gutes Stichwort. Der hilft, wenn man es auf Biblisches - und insbesondere auf die drei heiligen Könige herunterbricht. Da ist zunächst einmal nur eine unbestimmte Anzahl von Sterndeutern unterwegs aus dem Zweistromland. Mesopotamische Astrologen und Astronomen, die in der Berechnung von Planetenbahnen und deren mythologischer Deutung ziemlich gut waren. Das muss man ihnen schon lassen. Mit Sicherheit wesentlich kompetenter als ein eher doch peinlich-amüsantes Moderatorenteam bei Astro TV. Leider ging dann deren reiches, auch mathematisches Wissen verloren. Erst Johannes Keppler hat es 1603 zurückgerechnet und die Himmelserscheinung des Jahres 7 v. Chr. wieder entdeckt – das astronomische Ereignis: Eine Planetenkonjuktion, die als Stern von Betlehem Weltruhm erlangte.

Eine Weihnachtskrippe im exotischen Thai-Stil! Zu bewundern im katholischen Pfarrhausgarten in Bangkok.
Eine Weihnachtskrippe im exotischen Thai-Stil! Zu bewundern im katholischen Pfarrhausgarten in Bangkok.

Also: Magier, Zauberer, in geheimes Wissen Eingeweihte, noch nicht einmal jüdischen Glaubens, Heiden, Ungläubige! Nun, das ist ja schon eine sehr dubiose Gesellschaft, die dort an der Krippe zusammen kommt und auch noch Audienz erhält. Was die wohl im Schilde führen…? Ein Horoskop erstellen? Jedenfalls, – sie bringen Geschenke mit: Gold, Weihrauch und Myrrhe – daher erst die Nummerierung der Könige auf insgesamt drei.

Nun gut – „mission accomplished“ – neuer König gefunden, und dann schnell wieder ab nach Hause, aber aus geopolitischen und sicherheitsrelevanten Gründen kehrten sie ja bekanntlich auf einem anderen Weg heim in ihr Land.

Mit Visionen besser zum Arzt gehen

Was also ist da passiert? Die Sterndeuter berechneten die Planetenbahnen und aus dem Ergebnis entstand eine Vision. Nun gut, hätten die Sterndeuter in die Zukunft geschaut und auf das launische Bonmot Helmut Schmidts - Gott hab ihn seelig - gehört, demnach Menschen mit Visionen besser zum Arzt gehen sollten-, sie hätten sich wohl eher mit Datteln und Kokosmilch an die Ufer des Euphrats gesetzt und dort aus der Hand der Zweistromlandtouristen gelesen.

Stattdessen gaben sie ihrer Fantasie Raum. Läge es im Bereich des Möglichen, dass tatsächlich ein neuer König geboren wird? Mächtig, und anders als alle anderen? Dieser Traum, der sich von Innen erfüllt, diese Vision vom Heil, von Erlösung, von diesem ganz Anderen, es muss so stark gewesen sein, alle Vernunft über Bord zu werfen und sich magisch vom Stern angezogen auf den Weg zu machen, denn lang und mühsam war ihr Reisen hin zur Stadt

Jerusalem.

Hier treffen sich die göttliche Verheißung und die unbändige Sehnsucht nach dem Retter, dem Erfüller aller menschlichen Erwartungen nach Frieden. Eine unbändige Kraft, die sie nicht innehalten lässt, selbst Angesichts der Begegnung mit dem mörderisch-despotischen Herodes. Gegen alle Angst wagen sie den Aufbruch, weil Gott zu ihnen spricht mit der Triebkraft ihrer Sehnsucht: „Vertraut euch selbst und dieser unüberhörbaren inneren Stimme, die euch leitet!“

Könige - Kamele - Kostbares

Und dann: Geschenke! Maria wird sich sicher gefragt haben, was damit anzufangen ist. Aber – vielleicht waren die Drei Könige keine Väter und wussten es eben nicht besser, „was man halt so braucht“. Wer weiß?

Jedenfalls, sie hatten eine andere Absicht. Ihnen ist etwas Großartiges gelungen, nämlich: Der Versuch, das zum Ausdruck zu bringen, was ohnehin so schwer zu sagen ist: „Eigentlich möchte ich Dich umarmen. Ich will Dir sagen, was für ein Reichtum, was für ein Geschenk DU für mich bist. Du bist mein eigentliches, mein wahres Glück!“ In diesem Sinne verstanden sind Geschenke demnach wie ein Echo des Beschenkten, wie eine Reflektion dessen, dem man etwas Gutes tun möchte. Und in diesem Sinne tun die Weisen recht daran, Gold, Weihrauch und Myrrhe zu schenken.

Denn sie schenken im Grunde genau das, was – symbolisch gesehen – wir Menschen wesentlich sind und was wiederum in diesem idealen Menschensohn und Gotteskind Jesus Ausdruck finden wird bei dessen Predigt und in seinem späteren Tun.

Gold

Dieses Kind wird als erwachsener Mann mehrfach und wiederholt für alle sichtbar machen, dass unter all den Hüllen der öffentlichen Meinung, der Erbärmlichkeit und Ausgrenzung ein Mensch steckt als ein geläutertes Stück Gold – wertvoll und unbezahlbar. Von da an unmöglich, im Sinne Jesu einen Menschen achtlos zu behandeln oder wegzuwerfen. Und – natürlich bei aller Bescheidenheit – dankbar darf man sich auch selbst so verstehen, als einzigartiger Sternenstaub mit einem Herz aus Gold.

Weihrauch

Das im Neuen Testament unbedachte Thomasevangelium überliefert die Aussage Jesu: „Wer mir nahe ist, der ist dem Feuer nahe“ (V. 82). Na, wer hat dies noch nicht erlebt, wie das Herz und die Seele Feuer fängt, fast verbrennt bei leidenschaftlicher Liebe, bei ungebändigter Ergriffenheit, bei auflodernder Begeisterung, und sich wie entfesselter Duft ausbreitet und erhebt, eben genau so wie der aufsteigende Dampf des Weihrauchs: sich entfaltend, frei, schwerelos und vor allem: die Angst überwindend. Endlich Raum zu finden und wieder atmen zu können, beschwingt und lebendig zu sein, und das Leben bis in seine tiefsten Fasern spüren zu können. Selbst, wer dies nicht mehr kann, erinnert sich immer noch gerne daran…

Myrrhe

Und natürlich, weil Leidenschaft stets Leiden schafft, die Verheißung von Gottes Trost in allem Leid und Schmerz, der sich nicht nur im buddhistischen Verständnis selbstverständlich durch das Leben zieht wie ein beständiges Memento Mori, sondern konsequenter Teil des Lebens ist und im Tod, im letzten Loslassen, den Höhepunkt erreicht.

Doch gerade in dieser Angst, in dieser Unvollkommenheit und Zerbrechlichkeit legt sich Gottes Geist wie eine Heilsalbe, eben wie Myrrhe, auf unsere Seele. Getröstet darin zu sein, dass auch dieses Kind genau diese Erfahrung machen wird. Der Schmerz ist nicht alles, das Vergehen ist nicht Ziel des Lebens, der Tod hat ausgespielt. Er gehört gleichwohl zum Leben dazu, aber ohne Selbstzweck und nicht als bestimmende zerstörerische Kraft des Lebens, das nämlich stärker ist als der Tod. Denn wer glaubt, der ist niemals alleine. Wirklich – was für ein Trost und zugleich das Todesurteil über die Verzweiflung.

Vom Palast in die Krippe

Wir wissen nicht, was diese Wissenschaftsreisenden bei ihrer Rückkehr nach ihrer astronomischen Expedition in Babylon erzählt haben, und keine Keilschrifttafel überliefert es uns. Aber vielleicht haben sie es mit ihren Worten so ausgedrückt: Gott bricht sich Bahn in unseren Visionen und Träumen. Er ist nicht aufzuhalten. Er bringt uns in Bewegung. Er wird wiedergeboren in unseren Worten voll Zärtlichkeit, in der Kreativität und den Werken der Künstler, im unbeschreiblichen Klang der Musik, im Suchen nach der Wahrheit, dem Schönen und dem Guten, im Getröstet sein und in der Wertschätzung für jeden, dem man begegnet.

So geben die Könige als Geschenk eben nur zurück, was sie und damit wir alle schon längstens bekommen haben. Und keine Sorge: Sie werden auch weiterhin ihren Platz in unseren Krippen behalten. Denn genau dort gehören sie hin – in den Mittelpunkt des Geschehens, wo sich Himmel und Erde berühren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, Ihren Lieben und Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest 2015 – wo immer Sie auch sein mögen.

Über den Autor

Die diesjährigen Gedanken zum Weihnachtsfest wurden von Pfarrer Jörg Dunsbach von der deutschsprachigen Katholischen Gemeinde Sankt Marien in Bangkok verfasst. www.gemeinde-bangkok.com.

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