Götterbaum: Gekommen um zu bleiben

Ein Götterbaum im Botanischen Garten der Universität in Leipzig. Foto: Waltraud Grubitzsch/Dpa-zentralbild/dpa
Ein Götterbaum im Botanischen Garten der Universität in Leipzig. Foto: Waltraud Grubitzsch/Dpa-zentralbild/dpa

BERLIN (dpa) - Er ist anspruchslos und wächst unglaublich schnell: Vielerorts schießen junge Götterbäume in die Höhe. Der Gast aus Asien verbreitet sich rasant - und dürfte vom Klimawandel stark profitieren.

In vielen Grünanlagen Berlins hat der zweite Hitzesommer in Folge deutliche Spuren hinterlassen: So mancher Baum kümmert vor sich hin, selbst genügsame Birken tragen gelbes Laub. Dazwischen aber: frisches Grün an langen Wedeln, ausladende Kronen an Stellen, an denen Monate zuvor noch gar nichts wuchs. «Trockenheit macht dem Götterbaum nichts aus», erklärt der Pflanzenökologe Ingo Kowarik von der Technischen Universität Berlin. «Er ist ein Zukunftsbaum mit Blick auf den Klimawandel.»

Bis zu vier Meter wachse ein Götterbaum jährlich, erklärt Kowarik. Damit schieße das Gehölz so rasant in die Höhe wie wohl kein anderer Baum in Europa. Die Art mit dem Fachnamen Ailanthus altissima stammt ursprünglich aus China und Vietnam. Seinen Zug um die Welt begann der Götterbaum Mitte des 18. Jahrhunderts, nach Europa gelangte er zunächst als Zierpflanze. Sein großer Vorteil: Er steckt nicht nur Trockenheit, Dauerhitze und dreckige Luft, sondern auch Schadstoffe im Boden problemlos weg - ein Traumbaum für streusalzüberhäufte Straßenzüge und giftverseuchte Industriegebiete.

In Städten wie Berlin und Dresden wuchert die Art inzwischen vielerorts üppig, auf Brachflächen und in Parks ebenso wie an Straßenrändern und neben Wasserläufen. Meterhohe Jungbäume ragen aus dem Gebüsch vor Wohnanlagen, umranden über Hunderte Meter den Zaun einer Sportanlage, sprießen aus Bordsteinritzen und den kleinen unversiegelten Flächen von Straßenbäumen. Seinen Namen verdankt der Götterbaum verwandten Exemplaren auf einer indonesischen Inselgruppe, die von den Einwohnern als «bis zu den Göttern wachsend» bezeichnet wurden.

Das Problem ist: Wo ein Götterbaum Wurzeln schlägt, ist er kaum mehr auszumerzen. Ein gefällter Baum treibe erst recht neu aus, erklärt Sandra Skowronek vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn. «Es ist schnell zu spät, ihn wieder loszuwerden.» Lange blieb die Art auf Innenstädte als Wärmeinseln beschränkt. «Ältere halten minus 20 Grad aus, aber junge Pflanzen sind frostempfindlich», erklärt Kowarik. Mit der Klimaerwärmung sei zu erwarten, dass sich die Gebiete, die der Art günstige Bedingungen bieten, deutlich vergrößern werden, sagt BfN-Expertin Skowronek.

Experten sehen die heimische Biodiversität bedroht. Die Europäische Union (EU) veröffentlichte Ende Juli eine Verordnung mit einem Handels- und Pflanzverbot für den Götterbaum. Ailanthus altissima wurde damit als erstes Gehölz überhaupt in die Liste invasiver Arten mit EU-weiter Bedeutung aufgenommen. «Es werden von den Naturschutzbehörden nun Managementpläne erstellt, was man mit den vorhandenen Beständen macht», so Skowronek.

Wie engagiert in Europa bereits gegen die Art vorgegangen wird, ist regional verschieden. In Wien sei 2011 mit der Bekämpfung begonnen worden, sagt Alexander Mrkvicka von den Wiener Forstbetrieben. Mit Hilfe eines von der Universität für Bodenkultur gezüchteten Pilzes, der in das Holz eingebracht werde, würden die Bäume zum Absterben gebracht. «Das ist eine recht elegante Geschichte», sagt der Experte. Nicht nur der Baum, auch die Wurzeln stürben ab. Allein 2019 sei man auf diese Art bereits rund 1.000 Götterbäume losgeworden.

Darüber hinaus seien Zehntausende Jungpflanzen ausgerissen worden. Das funktioniere, solange sie nicht älter als ein Jahr seien, so Mrkvicka. Aus seiner Sicht ist die Pflanze in der Stadt inzwischen weitgehend unter Kontrolle. Ein Problem seien die privaten Gärten. «Es gibt durchaus Leute, die den Baum lieben.» Auch in Spanien werden der Götterbaum und andere fremde Arten wie das Wandelröschen (Lantana camara) schon seit vielen Jahren bekämpft. Es gibt zahlreiche Aktionen, oft unter Mithilfe von Freiwilligen.

In Hessen appellieren Umweltexperten, das Gehölz gar nicht mehr zu nutzen. «Es ist wichtig, die Menschen zu sensibilisieren, bitte keine Götterbäume mehr anzupflanzen», sagt Andreas Opitz vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Gießen. In Bayern breitet sich der Götterbaum nach Angaben des Landesamts für Umwelt besonders in den wärmeren und trockenen Gebieten entlang des Mains und an der Donau aus. Bisher gebe es aber kein größeres Problem mit dem Gehölz, sagt Olaf Schmidt, Präsident der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Das Ökosystem in den Wäldern im Freistaat sei stabil. «Ich habe keine Angst vor dem Götterbaum.»

Auch in den Innenstadtbereichen Brandenburgs hat der Götterbaum eine neue Heimat gefunden. Der Götterbaum bilde zahlreiche Samen aus, die bei stärkeren Winden sehr weit flögen. «Dadurch hat die Art ein sehr hohes Ausbreitungspotenzial», sagt Thomas Frey, Sprecher des Brandenburger Landesumweltamtes. Sämlinge seien dann auch im weiteren Umfeld größerer Städte zu finden. Durchschnittliche Winter verhinderten ein feste Ansiedelung außerhalb von Ortschaften bisher aber weitestgehend, erklärt Frey.

Die kommenden Winter werden mit entscheiden, ob und wie stark sich das im Zuge des Klimawandels ändert. «Mit dem Götterbaum werden wir herausgefordert, über die Natur nachzudenken und die Konsequenzen unseres Handelns zu ertragen», sagt der Berliner Forscher Kowarik. Für die deutschen Städte plädiert er für eine pragmatische Kosten-Nutzen-Analyse. Nicht zu vergessen sei, dass ein in der Stadt wildwachsender Götterbaum ganz ohne Kosten für Pflanzung und Pflege die Luft säubere und kühle, Schatten spende und Nahrung für Honigbienen biete.

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