NÜRNBERG: Jung, reich, schön - so jemand muss glücklich sein, meinen viele. Doch das stimmt nicht immer. Mehr Geld verschafft nicht unbedingt Glück. Und beim Alter verhält es sich anders als viele wohl denken.
In jungen Jahren ist das Leben oft ein Abenteuer. Ständig erlebt man Neues. Man ist fit, gesund und traut sich etwas. Im Alter dagegen sind die Tage eher gleichförmig. Es zieht im Rücken, die Knie machen Probleme, die Augen sowieso. Trotzdem: Viele Menschen sind im Alter zufriedener. Wie glücklich man ist, hängt auch von einem selbst ab. Denn man kann viel dafür tun.
Dass Glück nicht nur für jeden einzelnen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft wichtig ist, daran erinnert jedes Jahr am 20. März der Internationale Tag des Glücks, den die Vereinten Nationen vor zehn Jahren ins Leben gerufen haben. «Glückliche Menschen sind gesünder und leben auch länger», sagt der Glücksforscher und Volkswirt Karlheinz Ruckriegel von der Technischen Hochschule in Nürnberg. Den Wohlstand einer Gesellschaft allein an materiellem Wachstum, sprich dem Bruttoinlandprodukt, zu messen, halten er und andere Fachleute deshalb für zu kurz gegriffen.
Was ist Glück?
Wenn jemand im Glücksspiel gewinnt, spricht man allgemein von Glück. Doch die Glücksforschung interessiert sich weniger für dieses Zufalls-Glück, sondern für das Wohlfühl-Glück. «Glück ist die positive Bewertung des eigenen Lebens, der eigenen Lebenssituation», erläutert die Soziologie-Professorin Hilke Brockmann von der Constructor University in Bremen, die sich seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema beschäftigt. Das Glücksrezept eines jeden Menschen sei sehr individuell, sagt sie. Doch fest stehe: Geld allein mache nicht glücklich. «Im Schnitt ist der Reiche glücklicher als der Ärmere. Aber der Sättigungsgrad ist schnell erreicht.»
Das «Zufriedenheitsparadox»
Eine große Rolle spielt das Alter - wobei Jugend nicht alles ist. Von einem «Zufriedenheitsparadox» spricht der Medizin-Professor Tobias Esch von der Universität Witten/Herdecke, der seit 20 Jahren zum Belohnungssystem des Gehirns und dem Glückserleben forscht. Trotz körperlicher Beschwerden und Krankheiten seien ältere Menschen in der Regel glücklicher und zufriedener als mittelalte Erwachsene, sagt der Experte. «Der wichtigste Treiber dafür ist erstaunlicherweise das Älterwerden selbst.»
Im Laufe des Lebens ändere sich die Art des Glückempfindens, erläutert Esch. Junge Leute suchten Vergnügen und Nervenkitzel. Sie eilten von Glücksmoment zu Glücksmoment, was zwar intensiv, aber flüchtig sei. In späteren Jahren folge das «Tal der Tränen»: ein Lebensabschnitt, in dem viele vor allem glücklich seien, wenn Stress und Unglück eine Pause einlegten.
Berufliche Karriere, Kinder, Beziehungsprobleme, Hausbau oder -kauf, zum Teil schon pflegebedürftige Eltern - in der Zeit stehen viele Menschen vor einer Menge Herausforderungen. «Man hat viele Verpflichtungen, die einen wie ein Klotz am Bein kleben», sagt auch die Soziologie-Professorin Brockmann. «Da rutscht man in ein mittleres Loch.» Später steige die Lebenszufriedenheit wieder. «Man ist noch fit genug, um die Rente zu genießen. Man hat Zeit, sich noch mal neu zu erfinden und etwas Neues zu erleben.»
Im Alter ab 60 Jahren brauchen Menschen meist wenig, um zufrieden zu sein, wie Esch herausgefunden hat. Sie verspürten ein tiefgreifendes, beständiges Gefühl von Glück und Zufriedenheit - trotz Altersbeschwerden. «Mit dem Älterwerden emanzipiert man sich von dem Gedanken, rundum gesund zu sein, sofern die Existenz nicht bedroht ist.» Am Ende des Lebens, die letzten eineinhalb bis zwei Jahre vor dem Tod, gehe die Zufriedenheit statistisch dann wieder zurück.
Die Glücksformel
Jeder ist seines Glückes Schmied - diese Redewendung trifft in großen Teilen tatsächlich zu. «Man kann Glück lernen», sagt Esch. Wie glücklich jemand sei, sei auch Typsache. Manche Menschen stießen zum Beispiel schneller den Botenstoff Dopamin aus als andere beziehungsweise bauten ihn langsamer ab und seien deshalb risikofreudiger. Der Effekt der Gene liege bei etwa 30 bis 40 Prozent. «Das heißt, mehr als die Hälfte der Lebenszufriedenheit ist erlernbar.»
Doch wie geht das? Aus Sicht des Glücksforschers Ruckriegel hilft erst mal eine realistische Sicht auf die Welt: «Wir nehmen negative Dinge viel stärker wahr als die positiven.» Auch Sport, soziale Kontakte, eine sinnvolle Aufgabe zu haben und sich für andere oder die Gemeinschaft zu engagieren mache glücklich - und natürlich ein gewisses Maß an Einkommen. «Aber dieses Maß wird brutal überschätzt. Eins ist auf jeden Fall klar: Wenn man sich auf den Gelderwerb konzentriert, ist man auf dem Weg zum Glück nicht so gut unterwegs.»